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# taz.de -- Femizid bei Hannover: Rassistisches Motiv vermutet
> Knapp zwei Wochen nach dem Mord an einer 26-jährigen Algerierin durch
> ihren deutschen Nachbarn, suchen Ermittler*innen weiter nach einem
> Motiv.
Bild: Bild der ermordeten Algerierin Rahma Ayat, umrahmt von Blumen und Kerzen
Hannover taz | Leise rascheln mehrere Sträuße welkender Blumen im Wind.
Kleine algerische Fähnchen stecken daneben und rahmen Fotos einer jungen
Frau. Von dem Bild lächelt Rahma Ayat voller Lebensfreude auf alle
Passant*innen. Sie trägt auf dem Foto einen typisch-blauen
Krankenhauskittel und ein Kopftuch. „KEINE MEHR!“, steht auf einem Plakat
daneben.
Die Algerierin wollte Krankenpflegerin werden und arbeitete bereits in
einem Krankenhaus in Hannover. Menschenleben retten war ihr Lebenstraum.
Nun durchbricht die kleine Gedenkstätte für die 26-Jährige die
Vorstadtidylle in Arnum, etwa zehn Kilometer südlich von Hannover. Auch
mehr als eine Woche nach dem Mord im Treppenhaus, stehen die
Anwohner*innen offensichtlich unter Schock. Laut Staatsanwaltschaft
Hannover laufen immer noch die Ermittlungen zu einem möglichen Motiv.
Am Vormittag des 4. Juli tötete der 31-Jährige Deutsche Alexander K.
mutmaßlich seine algerische Nachbarin Rahma Ayat. Im Hausgang soll er gegen
10:30 Uhr mit einem Messer auf sie eingestochen haben. Die Nachbarn hörten
Hilfeschreie, wählten den Notruf und kämpften um das Überleben der Frau –
vergeblich.
Laut Obduktionsbericht traf einer der Messerstiche Ayat direkt ins Herz.
Die 26-Jährige verstarb noch vor Ort. Der Täter soll sich ergeben und die
Tat dabei auch zugegeben haben, berichten Bewohner des Hauses der taz. Laut
Polizei gibt es eindeutige Tatortspuren. Der 31-Jährige sitzt
[1][mittlerweile in Untersuchungshaft].
## Rassistische Anfeindungen
Dass Männer aus Frauenhass morden, ist nicht neu – wenn auch
[2][gesellschaftlich viel zu wenig beachtet]. Gerade bei mehreren
Diskriminierungsmerkmalen steigt die Gefahr, Gewalt zu erfahren. Und so
könnte auch im vorliegenden Fall die Herkunft und Religion des Opfers eine
Rolle gespielt haben. Wie die Mutter dem Sender Al Arabya berichtete, soll
die Getötete ihrer Familie in Algerien von antimuslimischen und
rassistischen Anfeindungen durch ihren Nachbarn Alexander K. berichtet
haben. Dieser soll sie wegen ihres Hijabs und ihrer arabischen Abstammung
belästigt haben. Bestätigen lässt sich das bisher nicht.
In den sozialen Medien äußert sich der mutmaßliche Mörder, der als
Systemadministrator in Hannover arbeitete, eher zurückhaltend. Immer wieder
kommentiert der IT-Techniker auf LinkedIn verschiedene politische Inhalte.
Sexistische Werbung kommentiert er mit Zustimmung. Eindeutig rechtsextrem
ist sein online Auftritt aber nicht. Allerdings findet sich ein älterer
Beitrag, in dem Alexander K. über die Exekution von Osama Bin Laden und
islamistischen Terroristen im Allgemeinen, sowie die Zur-Schau-Stellung von
deren Leichenteilen phantasiert.
Eine der Anwohnerinnen, die anonym bleiben will, sagt, sie habe die Polizei
auf den Beitrag hingewiesen. Rahma Ayat habe erst wenige Monate hier
gelebt, erzählt sie an der Tür des Mehrfamilienhauses. Selten sei sie der
Getöteten begegnet, engen Kontakt habe sie keinen zu ihr oder dem Täter
gehabt.
Von einem vorhergehenden Konflikt hätten sie nichts mitbekommen – was nicht
bedeute, dass es den nicht gegeben habe, sagt die Anwohnerin der taz. Sie
wisse nicht genau, was sie über die Mutmaßungen zum Motiv denken solle. Die
Ermittlungen dauerten ja noch an. „Ich finde es aber schade, dass erst nach
solchen Fällen über Rassismus gesprochen wird“, sagt die Erzieherin der
taz.
## Staatsanwaltschaft hat noch kein eindeutiges Bild
„Wir haben von den Äußerungen der Eltern aus den Medien erfahren und führen
umfangreiche Ermittlungen im Umfeld des Opfers und des Tatverdächtigen
durch“, sagt Oliver Eisenhauer, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft
Hannover der taz am Telefon. Bisher sei bekannt, dass der Tatverdächtige
einmal versucht habe, in die Wohnung des späteren Opfers einzudringen. Das
sagten Freundinnen der Getöteten aus, so Eisenhauer.
„Fremden- und muslimfeindliche Äußerungen konnten die nicht berichten“, so
der Staatsanwalt weiter. Die Social-Media-Aktivitäten des Angeklagten seien
bekannt. Daraus ergebe sich noch kein eindeutiges Bild. „Ausschließen, dass
es sich um ein rassistisches Motiv handelt, können wir nicht“, so der
Pressesprecher. Klarheit soll die Auswertung digitaler Asservate und
weitere Ermittlungen schaffen.
International sorgt der Tod von Rahma Ayat für Entsetzen und Protest.
Aktivist*innen aus der algerischen Community machen online und mit
Kundgebungen auf den Fall aufmerksam. Die algerische Regierung hat laut The
New Arab in Folge der Tat den deutschen Botschafter einbestellt.
In Hannover demonstrierten mehr als hundert Personen und erinnerten an die
Getötete. „Ihr gewaltsamer Tod steht exemplarisch für ein strukturelles
Problem: Feminizide sind keine Einzelfälle, sondern Ausdruck eines
patriarchalen Systems, das Frauen entwertet, kontrolliert und unterdrückt“,
schreibt das Netzwerk gegen Femizide Hannover und die Junge Frauenkommune
Hannover.
Bis zum Anfang Juli 2025 zählte die Initiative „Femizide Stoppen“ bereits
51 Fälle. „Die Zahlen zeigen uns, dass wir laut sein müssen und unsere
Trauer in Wut und Widerstand umwandeln müssen“, so das Netzwerk.
15 Jul 2025
## LINKS
[1] https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/66841/6071677
[2] /Femizide-in-Deutschland/!6074222
## AUTOREN
Michael Trammer
## TAGS
Schwerpunkt Femizide
Mord
Algerien
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