# taz.de -- Erinnerung an Claus Peymann: Autoritäre Briefe | |
> Claus Peymann ging immer auf Konfrontation, mit den Mächtigen der Welt, | |
> aber auch sonst. Eine ambivalente persönliche Anmerkung. | |
Bild: Claus Peymann neben dem Denkmal von Bertholt Brecht vor dem Berliner Ense… | |
Gelegentlich kam Post vom BE. [1][Claus Peymann] gefiel dann wieder was | |
nicht, meistens wie eine Inszenierung in der taz besprochen wurde. Das | |
brachte er wortmächtig und durchaus auch beleidigend zum Ausdruck. Als | |
Kulturredakteur schaute man mit gemischten Gefühlen auf diese Briefe. | |
Man kannte Peymann schon [2][vom Studium,] in meinem Fall: Sommermester | |
1988, Hauptseminar „Anti-bürgerliche Klassiker-Inszenierungen“, mittendrin | |
Peymanns „Hermannsschlacht“, Bochum 1982. Und wie großartig war dieses | |
André-Müller-Interview mit ihm, abgedruckt in der Zeit, 1988! | |
Aber man war ja nicht umsonst bei einer antiautoritären Zeitung gelandet. | |
Gegen autoritäre Standpauken, auch wenn der Absender sich als noch so links | |
verstand, war man halt allergisch. Und ästhetisch war das Sprechtheater, | |
für das Peymann stand, nicht mehr das aufregende Ding; das Berlin der | |
nuller Jahre war halt nicht das provokationsbedürftige Österreich der | |
80er, das nie ein 68 gehabt hatte, man orientierte sich in Berlin eher | |
Richtung Postdramatik und Volksbühne. Und wenn schon Sprechtheater, dann | |
von Jürgen Gosch. | |
Dass die großen Theaterbesprechungen nicht mehr im Kern der bürgerlichen | |
Identität stehen und von den Aufmacherseiten der Feuilletons in die | |
Innenteile gewandert (oder gleich ganz verschwunden) sind, hat | |
selbstverständlich viele Gründe. Vielleicht hat die Entwicklung aber auch | |
damit etwas zu tun, dass solche Theaterfürsten wie Claus Peymann immer am | |
Machtpol bleiben und ihre Alpha-Male-Sachen machen wollten – Gegenkönige | |
sein, die eigentlichen Herrscher sein, immer in Konfrontation nicht nur zu | |
den Mächtigen der Welt, sondern auch mit möglichen Nachfolgern am Theater – | |
und dabei gar nicht gemerkt haben, wie sie aus der Zeit rutschten. | |
## Phantomschmerz meldet sich | |
Gibt es jetzt, [3][im Nachhinein,] mögliche Anknüpfungspunkte? In seiner | |
Art und Weise, Theater als kleines Königreich oder, sagen wir es ruhig, als | |
Diktator zu führen, sicher nicht. In den Herr-und-Knecht-Spielen mit der | |
Staatsmacht, die Peymann so liebte und die jetzt in den Nachrufen wieder | |
rausgesucht werden (Geld sammeln für die Zähne von Gudrun Ensslin, | |
„Heldenplatz“ usw.), wohl auch nicht. Aber vielleicht, man weiß ja nicht, | |
in diesem leichten Phantomschmerz, der sich dann und wann in Richtung des | |
Sprechtheaters meldet. | |
Seine politischen Interventionen mögen längst Folklore sein, doch daneben | |
gibt es noch seine Behauptung, dass es sich lohnt, nach Wegen zu suchen, | |
wie man das große kulturelle Theatererbe, Kleist, Goethe, auch Tschechow | |
und all das, an Gegenwart andocken kann. Klar, solche Wege suchen viele. | |
Claus Peymann hat sie, für seine Zeit, viele Jahre lang aber auch | |
gefunden. | |
18 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Dirk Knipphals | |
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