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# taz.de -- Linken-Politiker ohne Erfolg vor BGH: Vereinnahmung leicht gemacht
> Der Bundesgerichtshof lehnt die Klage von Linken-Politiker Sören Pellmann
> ab. Der wollte sich gegen rechtsextreme Trittbrettfahrer zur Wehr setzen.
Bild: Demonstration der Linken in Leipzig mit Sören Pellmann (Mitte) im Septem…
Karlsruhe taz | Sören Pellmann bekommt keinen Cent Schadensersatz von den
„Freien Sachsen“. Das entschied der Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Die
rechtsextremistische Kleinpartei habe den Linken-Politiker nicht eindeutig
genug vereinnahmt, argumentierte der Vorsitzende BGH-Richter Stephan
Seiters.
Anlass für den Rechtsstreit waren die parallelen Proteste von Linken und
Freien Sachsen gegen gestiegene Energiepreise im Spätsommer 2022. Der
Anstieg war zwar vor allem durch eine Drosselung der russischen
Gaslieferungen verursacht worden. Die Populisten von links und rechts
machten jedoch die Bundesregierung und ihre Sanktionspolitik gegen Russland
verantwortlich.
Am dreistesten waren [1][die Freien Sachsen], die neben einer Kundgebung
der Linken auf dem Leipziger Augustusplatz eine eigene Demo zum gleichen
Thema anmeldeten. Motto: „Freie Sachsen unterstützen den Montagsprotest von
Sören Pellmann und der Linken – gemeinsam gegen die da oben.“ Abgedruckt
war ein Kasten mit Rednern beider Demonstrationen. Neben vier
Rechtsextremisten standen auf dieser Liste auch Gregor Gysi und Sören
Pellmann.
Pellmann erwirkte [2][sofort einen gerichtlichen Unterlassungsbeschluss].
Die Freien Sachsen durften nicht mehr mit seinem Namen werben. Darüber
hinaus verlangte Pellmann aber auch noch 10.000 Euro Schadenersatz als
Ausgleich für den Schaden an seiner Glaubwürdigkeit.
## Pellmann hatte zunächst Recht bekommen
Das Landgericht Leipzig sprach ihm die Summe zu. Das Oberlandesgericht
Dresden verneinte jedoch einen Anspruch. Es liege keine schwere
Persönlichkeitsverletzung vor, die Vereinnahmung des politischen Gegners
gehöre zum Geschäft. Dagegen ging Pellmann zum BGH in die Revision. Der
falsch erweckte Eindruck, er habe mit Rechtsextremisten paktiert, sei
durchaus schwerwiegend.
Beim BGH zeichnete sich jedoch schnell ab, dass Pellmann keinen Erfolg
haben wird. Der Vorsitzende Richter Stephan Seiters erinnerte an die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass bei mehrdeutigen
Äußerungen die für den Äußernden günstigste Auslegung zugrunde zu legen
ist. Dies gelte nicht nur im Strafrecht, sondern auch bei zivilrechtlichen
Sanktionen wie Schadensersatz.
In diesem Sinne tendiere sein BGH-Senat zur Annahme einer mehrdeutigen
Äußerung, so Seiters. Der Demoaufruf der Freien Sachsen könne auch korrekt
verstanden werden, dass es zwei getrennte Demonstrationen mit einem
gemeinsamen Ziel gebe. Dafür spreche etwa die Losung „Getrennt marschieren,
gemeinsam schlagen“. Auch sei im Aufruf der Freien Sachsen von
„Kundgebungen“ im Plural die Rede. Für ein verständiges Publikum sei es
zudem naheliegend, so Richter Seiters, dass die Linke nicht zusammen mit
Rechtsextremisten demonstriere.
Matthias Siegmann, der Anwalt Pellmanns, spürte selbst, dass er bei Richter
Seiters und seinen vier Kolleg:innen keine Chance hatte. Er erinnerte
aber nachdrücklich daran, dass im Demo-Aufruf der Freien Sachsen vier Mal
das Wort „gemeinsam“ stand. Das sei doch viel wichtiger als ein „kaum zu
lesender Plural bei Kundgebungen“.
Pellmann, der [3][inzwischen Co-Fraktionsvorsitzender der Linken im
Bundestag ist], war bei der Verhandlung nicht dabei. Die Freien Sachsen
waren in Karlsruhe sogar gar nicht vertreten, nicht einmal durch einen
Anwalt. Gewonnen haben sie trotzdem. Der BGH lehnte am späten Nachmittag
die Revision Pellmanns mit den im Prozess angedeuteten Gründen ab.
Sören Pellmann zeigte sich enttäuscht: „Es ist bedauerlich, dass der BGH
die heutige Chance verpasst hat, den Schutz vor Desinformation und
politischer Vereinnahmung durch Rechtsextreme mit der Anerkennung einer
Geldentschädigung zu stärken.“ Der BGH habe damit auf „eine effektive
Abschreckung“ von Neonazis verzichtet. Pellmann überlegt, ob er eine
Verfassungsbeschwerde einlegt.
29 Jul 2025
## LINKS
[1] /Freie-Sachsen-im-Corona-Protest/!5828285
[2] /Rechtsextreme-Freie-Sachsen/!5875254
[3] /Fraktionsspitze-der-Linken-gewaehlt/!6096548
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Sören Pellmann
Sachsen
Gregor Gysi
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Ungarn
Heidi Reichinnek
Lesestück Recherche und Reportage
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