# taz.de -- Radio Dreyeckland gewinnt gegen Behörde: Freies Radio informierte … | |
> Das Verfahren gegen den Freiburger Radiosender wegen eines NS-Features | |
> ist eingestellt. Aber wird Erinnerung heute noch gewürdigt – oder lieber | |
> zensiert? | |
Bild: Außenansicht von Radio Dreyeckland in Freiburg | |
Eigentlich haben sich die Redakteur*innen des Freiburger Freien | |
Radiosenders Radio Dreyeckland (RDL) auf einen Medienpreis beworben. Doch | |
stattdessen waren sie mit einem mehrmonatigen Verfahren der Landesanstalt | |
für Kommunikation (LfK) aus Baden-Württemberg konfrontiert. Nach über sechs | |
Monaten wurde das Verfahren jetzt mit der Begründung eingestellt, dass es | |
sich bei dem strittigen Satz, der zu dem Verfahren führte, um eine | |
„zulässige, das Hintergrundgeschehen bewertende zusammenfassende | |
Stellungnahme“ handle. | |
Es ging um einen Passus, der sich kritisch mit der mangelnden | |
Strafverfolgung von NS-Verbrechen der deutschen Justiz befasste. „[1][Mai | |
più Sant’Anne – Nie wieder Sant’ Ann]a!“, hieß der programmatische Ti… | |
des einstündigen Beitrags, den RDL am 12. August 2024 ausstrahlte und der | |
noch immer auf der Webseite des Senders nachgehört werden kann. | |
Thema des Features ist ein wenig bekanntes NS-Verbrechen in Italien, das | |
Massaker in Sant’Anna di Stazzema durch die SS am 12. August 1944 mit über | |
400 Toten. Die Sendung wurde zum 80. Jahrestag des Verbrechens bei [2][RDL] | |
ausgestrahlt. Die Journalist*innen waren in das italienische Dorf | |
gereist und sprachen mit den Überlebenden des SS-Verbrechens und ihren | |
Angehörigen. | |
Der Protagonist Mario erzählt darin, wie er miterleben musste, wie seine | |
Mutter von der SS erschossen wurde. Sie hatte zuvor noch einen Holzschuh | |
nach ihnen geworfen. „Seit diesem Tag war Mario für das Leben gezeichnet“, | |
sagt ein Journalist in dem Beitrag. Gerade deswegen berichte der alte Mann | |
noch immer von den Verbrechen. „Ich kann den Deutschen bis heute nicht | |
verzeihen“, bekräftigt Mario. | |
Die Journalist*innen haben auch noch andere Überlebende und ihre | |
Angehörigen befragt. In einer anschließenden Einordnung machten sie | |
deutlich, wie wichtig es ihnen ist, die erschütternden Erlebnisse dieser | |
Menschen zu hören und zu teilen. | |
Doch das LfK störte sich an einem kritischen Absatz über die deutsche | |
Justiz. Es ging um die verschleppte juristische Aufarbeitung der | |
Verbrechen. Im Feature gab es ein längeres Interview mit der Hamburger | |
Rechtsanwältin Gabriele Heinecke, die sich viele Jahre damit befasste. | |
Danach sprach ein Journalist die von der LfK inkriminierte kommentierende | |
Einordnung: „2002, also weitere sechs Jahre später, wurden die Ermittlungen | |
von Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler in Stuttgart übernommen. Dieser | |
verschleppte die Ermittlungen, um das Verfahren nach zehn Jahren mangels | |
Tatverdacht einzustellen. Die Täter alterten unbehelligt, 7 von 14 | |
Beschuldigten waren 2012 schon verstorben.“ | |
Der Kommentator erklärte noch, dass Häußler die Einstellung des Verfahrens | |
damit begründete, dass er die Taten als Totschlag bewertete und keine | |
individuelle Schuld feststellte. Nach dieser juristischen Auslegung habe | |
sich das Massaker mutmaßlich spontan vor Ort ereignet. Anders als Mord | |
verjährt Totschlag und so konnten die Täter nicht mehr belangt werden. | |
Nach der Einstellung des Verfahrens stellt sich die Frage, ob das Feature | |
in Zeiten, in denen immer mehr Menschen von den NS-Verbrechen nichts mehr | |
hören wollen, nicht einen Preis verdient hätte. | |
30 Jul 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://rdl.de/beitrag/mai-pi-santanne-nie-wieder-sant-anna | |
[2] /Urteil-fuer-Radio-Dreyeckland/!6012022 | |
## AUTOREN | |
Peter Nowak | |
## TAGS | |
NS-Verbrechen | |
Schwerpunkt Nationalsozialismus | |
Schwerpunkt Pressefreiheit | |
Baden-Württemberg | |
Schwerpunkt Pressefreiheit | |
Meinungsfreiheit | |
Schwerpunkt Nationalsozialismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Urteil für Radio Dreyeckland: Link war legal | |
Der Journalist Fabian Kienert stand vor Gericht, weil er auf das Archiv | |
linksunten.indymedia verlinkt hat. Jetzt wurde er freigesprochen. | |
Staatliche Repression in Deutschland: Die Freiheit, die wir meinen | |
Es gibt in Deutschland tatsächlich Einschränkungen der Meinungsfreiheit: | |
Beim Gendern, bei linken Medien und bei Kurd*innen greift der Staat ein. | |
Lokalzeitung drosselt Text zu Bettenhaus: Maßlose NS-Aufarbeitung? | |
Die „Badische Zeitung“ hält einen Text zurück, der die NS-Vorgeschichte | |
eines Anzeigenkunden thematisiert. Der Autor befürchtet Zensur. |