# taz.de -- Israels Krieg in Gaza: Kaum eine Hilfe für die Palästinenser | |
> Israels Militär wirft wieder Lebensmittel aus der Luft ab – und verletzt | |
> dabei wohl Palästinenser. Deutschland fordert einen Stopp der humanitären | |
> Blockade. | |
Bild: Der Abwurf von Hilfsgütern sorgte in Gaza für Chaos | |
Jerusalem taz | Zehn Stunden lang sollen jeden Tag in Gaza die Waffen | |
schweigen. Doch nicht überall: In Al-Mawasi, einem zur „humanitären Zone“ | |
erklärten Gebiet, in Teilen von Gaza-Stadt und von Deir al-Balah, wie es in | |
einer Ankündigung der israelischen Armee heißt, und zwar zwischen 10 und 20 | |
Uhr. | |
Diese sogenannte Gefechtspause soll die Verteilung von Hilfsgütern an die | |
Bevölkerung Gazas erleichtern. In dieser Zeit sollen die Scharen hungernder | |
Männer und Frauen, die seit Monaten die gefährlichen Wege zu den vier | |
Verteilstellen in dem Küstenstreifen füllen, die Chance auf eine bessere | |
Versorgung erhalten. | |
Dazu soll es demnach ab Sonntag sichere Routen für Hilfskonvois geben. Laut | |
dem ägyptischen Sender Al Qahera News TV haben sich am Sonntag | |
Lastkraftwagen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten zum ersten Mal seit | |
Monaten vom Grenzübergang Rafah aus in Richtung Gaza bewegt. Die | |
Nachrichtenagentur AFP hat die Fahrzeuge voll eingepackter Paletten | |
gefilmt, wie sie einer nach dem anderen durch das Eingangstor im | |
Schritttempo fahren. Unklar ist jedoch, ob sie tatsächlich die | |
Verteilstellen erreicht haben. | |
Ferner hat Israel wieder begonnen, Mehl, Zucker und Konserven aus | |
Flugzeugen abzuwerfen, nachdem diese Abwürfe letztes Jahr eingestellt | |
wurden. Dabei sollen mindestens elf Menschen verletzt worden sein, | |
berichtet AlJazeera. Das Stromnetz für eine Entsalzungsanlage für | |
Trinkwasser soll ebenfalls wieder in Betrieb gehen. | |
## Hilfsorganisationen sind skeptisch | |
Ob dies ausreicht, um die [1][drohende Hungersnot in Gaza] zu lindern, ist | |
fraglich. Laut dem Gesundheitsministerium sind bereits 127 Menschen | |
verhungert, 85 davon Kinder. Bilder sind jüngst um die Welt gegangen von | |
Müttern, die in dunklen Zelten ihre ausgezehrten Säuglinge in den Armen | |
hielten, die Babys kaum mehr als Knochen und Haut. | |
Jedes fünfte Kind in Gaza-Stadt ist laut den Vereinten Nationen | |
unterernährt. Ein Drittel der Bevölkerung ist dazu gezwungen, tagelang zu | |
fasten. [2][Nahrungsmittel werden zunehmend knapp] und die Preise sind für | |
die meisten unerschwinglich. Hunderte Dollar kostet derweil ein Sack Mehl. | |
Hilfsorganisationen blicken mit Skepsis auf die Wiederaufnahme der Abwürfe | |
von Hilfslieferungen per Flugzeug. Sie betrachten diese als ineffizient, | |
teuer und gefährlich. Mehrere Menschen wurden – als die Abwürfe 2024 | |
zuletzt durchgeführt wurden – wohl dabei getötet: Erschlagen von defekten | |
Paletten und Fallschirmen, oder ertrunken beim Versuch, die im Mittelmeer | |
gefallenen Lebensmittel zu fangen. | |
Israel hatte zunächst fast drei Monate lang jegliche Hilfslieferungen | |
blockiert und dann mit US-Unterstützung ein neues Hilfssystem ins Leben | |
gerufen, das de facto die Vereinten Nationen und andere etablierte NGOs | |
außen vor ließ. Mehr als 1.000 Menschen sollen auf dem Weg zu den vier | |
Verteilstellen der neu gegründeten Gaza Humanitarian Foundation und zu den | |
Hilfskonvois ihr Leben verloren haben, oft anscheinend vom israelischen | |
Militär erschossen. | |
## Bericht widerspricht israelischer Darstellung | |
Die Stiftung wird von Israel und den USA unterstützt. Seit sie unter recht | |
nebulösen Umständen gegründet wurde, steht sie im Mittelpunkt verschiedener | |
Kontroversen. Sie und die israelische Regierung haben der Hamas mehrfach | |
vorgeworfen, die Hilfslieferungen der Vereinten Nationen zu plündern. Die | |
Hamas wiederum bestritt die Anschuldigungen stets, dennoch waren die | |
Vorwürfe der Hauptgrund, weswegen die Stiftung ins Leben kam. | |
Ein investigativer Bericht der US-Zeitung New York Times kommt jetzt zu dem | |
Schluss, dass es nicht zu Plünderungen durch die Hamas kam, zumindest nicht | |
regelmäßig. In Wahrheit sei das Hilfssystem der UN damals ziemlich effektiv | |
gewesen. Die Zeitung bezieht sich auf israelische Quellen, auch innerhalb | |
des Militärs. Ein Sprecher des israelischen Militärs bezeichnete den Report | |
daraufhin als „Fake News“. | |
Bereits am Donnerstag hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron | |
angekündigt, im September einen palästinensischen Staat anerkennen zu | |
wollen. Deutschland wollte sich nicht anschließen, am Freitag forderte | |
[3][Bundeskanzler Friedrich Merz] jedoch zusammen mit den Staats- und | |
Regierungschefs in Großbritannien und Frankreich ein Ende des Konflikts. | |
Alle israelischen Geiseln sollten freikommen und die Hamas komplett | |
entwaffnet werden. Sie forderten Israel auf, die Einschränkungen für | |
Hilfslieferungen unverzüglich aufzuheben. | |
Vor einer Woche war zudem erneut ein Segelschiff mit Hilfsgütern von | |
Sizilien aus in See gestochen. Die Aktivist*innen der Freedom Flotilla | |
wollten die Seeblockade durch Israel rund um Gaza brechen. Am späten | |
Samstagabend wurden sie, so wie ihre Mitstreiter*innen im Juni, von der | |
israelischen Marine auf hoher See gekapert und an Land gebracht. | |
Menschenrechtsorganisationen beklagen, noch keinen Zugang zu den | |
Festgenommenen bekommen zu haben. | |
Hinweis: Im Text fand sich eine missverständliche Angabe zu Toten durch die | |
Abwürfe von Hilfsgütern. Wir haben das präzisiert. | |
27 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Serena Bilanceri | |
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