| # taz.de -- Frauenfußball-EM: Können oder wollen sie nicht? | |
| > Es ist Frauenfußball-EM und das deutsche Team steht unerwartet im | |
| > Halbfinale. Denn das Spiel der Deutschen sieht oft aus, als sei es 2010 | |
| > eingefroren. | |
| Bild: Die deutsche Frauen-EM Mannschaft üben vor dem Spiel am Mittwoch. Die De… | |
| Deutschland hat es wieder liebgewonnen, sein DFB-Frauenteam. Zehn Millionen | |
| Menschen schalteten am [1][Samstag beim EM-Viertelfinale gegen Frankreich] | |
| ein, so viele wie noch nie im gesamten Turnier. Anschließend überschlug | |
| sich die deutsche Presse zu Recht mit Lobeshymnen auf die starke | |
| Kollektivleistung und vor allem auf Torfrau Ann-Katrin Berger, die nicht | |
| wenige kurz zuvor noch auf die Ersatzbank verbannen wollten. Dass Fans und | |
| Medien ihr Fähnchen in den Wind hängen, ist kein deutscher Sonderweg. | |
| Der Taktikdiskurs hierzulande ist indes schlimm. Eine 1:4-Niederlage in der | |
| Gruppenphase? Land unter, nichts mehr zu retten. Ein glücklich erkämpftes | |
| Weiterkommen im Viertelfinale? Titelreif, mindestens! Turniere werden stur | |
| vom Endergebnis aus analysiert. So galt das Vorrundenaus bei der WM 2023 | |
| als Totalversagen, während Olympia-Bronze 2024 und das EM-Finale 2022 als | |
| große Triumphe verbucht wurden. | |
| Warum es innerhalb von drei Jahren so scheinbar immense Formschwankungen | |
| gab, kann dieser Ansatz nicht erklären. Schon Männertrainer Pep Guardiola | |
| jammerte, wie unterirdisch die Deutschen über Taktik diskutierten. Doch der | |
| DFB lässt sich ungern reinreden, holt keine externe Unterstützung hinzu und | |
| macht lieber Einzelpersonen wie Ex-Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg | |
| für die taktischen Schwächen verantwortlich. Dabei zeichnet sich das | |
| DFB-Team seit Jahren durch taktischen Stillstand in der Offensive aus. | |
| Ein Bild, an das man sich gewöhnt hat: Ratlos schieben die Deutschen den | |
| Ball herum, von innen nach außen, von außen nach innen. Irgendjemand | |
| versucht sich an einer Flanke aus dem Halbfeld, sie landet im gegnerischen | |
| Pulk. Eine wie Klara Bühl dribbelt los, zweimal klappt das, an der dritten | |
| Gegnerin bleibt sie hängen. Und dann immer dasselbe von vorn. Wenn ein Ball | |
| aus der zweiten Reihe oder per Kopf reingeht, wirkt das eher wie ein Akt | |
| schieren Willens. Denn die Deutschen lieben Flanke–Kopfball–Tor. | |
| Die Worte, mit denen schon der Pocher-Song zur Männer-WM 2006 begann, | |
| begleiten den deutschen Fußball seit Jahrzehnten – bei den Männern wie bei | |
| den Frauen. Große Flanke-Kopfball-Tor-Gespanne gab es: Svenja Huth auf | |
| Alexandra Popp, Bernd Schneider auf Michael Ballack. Wenn schon nicht mit | |
| Kopfballmonster, dann zumindest über die Flügel, wie bei der Mutter aller | |
| Flügelzangen, Arjen Robben und Franck Ribéry beim FC Bayern. Auch die | |
| Flügelspielerinnen Jule Brand und Klara Bühl, beide internationale | |
| Spitzenklasse, sollen so ein Duo bilden. Und die kopfballstarke Lea | |
| Schüller finden. | |
| ## Flache Pässe in die Schnittstellen | |
| Nun hat sich allerdings der internationale Fußball in den vergangenen 20 | |
| Jahren massiv weiterentwickelt. Teams wie Spanien, England, Frankreich | |
| spielten bei diesem Turnier auf ganz unterschiedliche Art wunderbare flache | |
| Pässe in die Schnittstellen, mit denen sie sofort sehr tief vorstießen. | |
| Auch der vierte Halbfinalist Italien hat eine viel bessere Raumaufteilung. | |
| Das Spiel der Deutschen dagegen sieht oft aus, als wäre es 2010 | |
| eingefroren. | |
| Die Entwicklung wird dem Team nicht verborgen geblieben sein, also will es | |
| entweder nicht anders spielen oder kann es nicht. Klar ist, dass das Team | |
| auf dem Flügel besondere Stärken hat. Bühl absolvierte in der Gruppenphase | |
| so viele erfolgreiche Dribblings wie keine andere Spielerin, das DFB-Team | |
| war auch Spitze darin, mit Ball viel Raum zu erlaufen. Allerdings hat | |
| Deutschland auch deshalb so starke Flügelspielerinnen, weil man ständig so | |
| spielt. | |
| Die Flügelei ist eine Stärke, aber als Dauermittel vorhersehbar. 75 Flanken | |
| hat das Team in der Gruppenphase geschlagen. Viel rausgekommen ist dabei | |
| nicht, nur eine führte zum Tor. Gerade spielerisch schwächere Gegnerinnen, | |
| die defensiv stehen, haben ein leichtes Spiel. Auch so erklärt sich, dass | |
| das DFB-Team sich oft in der Vorrunde schwertut und scheinbar nur zwei | |
| Turnierverläufe kennt: [2][entweder richtig krachend scheitern oder sehr | |
| weit kommen.] Denn nach der Vorrunde geht es gegen spielstärkere Teams. | |
| Weil die meist offensiver spielen, gibt es mehr Platz für Konter. Das | |
| kaschiert Defizite im Einfallsreichtum des DFB-Angriffspiels. Da schaltet | |
| man taktisch eh gern auf Überlebensmodus: bei der kürzlichen Abwehrschlacht | |
| gegen Frankreich ebenso wie zweimal beim Großturnier gegen Spanien. Wille, | |
| Kampf, Mentalität, Zerstören, diese Eigenschaften werden wieder | |
| hervorgeholt im deutschen Frauenteam. Das ist selten ein gutes Zeichen. | |
| In den vergangenen Jahren mussten interessanterweise zwei Frauen medial für | |
| die Probleme den Kopf hinhalten: die überforderte Steffi Jones und die | |
| ungeschickte Martina Voss-Tecklenburg. Die beiden Bundestrainerinnen | |
| bekamen die komplette Breitseite für frühes Scheitern beim Turnier zu | |
| spüren. Obwohl zumindest Voss-Tecklenburg noch ein Jahr zuvor als große | |
| Turnierheldin galt, als sie die Frauen ins EM-Finale führte. Aus der | |
| Rückschau lässt sich sagen: Es war [3][vielleicht auch ein | |
| Sexismusproblem,] die Schuld nur bei der unfähigen Frau zu suchen, wo | |
| jahrelanges strukturelles Versagen vorlag. Mit der zweimaligen | |
| Interimslösung Horst Hrubesch verschlief man einen Neuaufbau. Viele | |
| Defizite – die große Ratlosigkeit im Spielaufbau, auch bei der nun viel | |
| gelobten Berger, die fehlende Kreativität, die hohe Abhängigkeit von den | |
| Flügelspielerinnen – sehen unter dem neuen Bundestrainer Christian Wück | |
| vorläufig selten besser aus. | |
| Ob der DFB-Nachwuchsspezialist ohne Frauenfußball-Background die fällige | |
| Frischluftkur bringen kann, bleibt abzuwarten. Warum aber nicht zusätzlich | |
| mehr Input von außen holen, auch aus dem Ausland? Ein Kehrbeseneffekt, wie | |
| ihn England unter der Niederländerin Sarina Wiegman erlebt hat, ist | |
| überfällig. Auch viele kritische Expertinnen aus dem Inland vergrault der | |
| Verband mit seiner mangelnden Kritikfähigkeit. Es hat dem DFB noch nie | |
| gutgetan, im eigenen Saft zu schmoren. Ganz unabhängig vom Ausgang des | |
| Halbfinales. | |
| 22 Jul 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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