| # taz.de -- DFB-Team erreicht Halbfinale: Die wahnsinnige Spielwende der Wück-… | |
| > Nach der 13. Minute schien das Schicksal des bis dahin eher haarig | |
| > auftretenden DFB-Teams besiegelt. Doch dann passierte was Unpackbares. | |
| Bild: Haarig: Kathrin Hendrich zu Rot und Elfer | |
| Basel taz | Es ist bemerkenswert, wie ein Fußballspiel kippt. Wie das | |
| Momentum langsam die Seiten wechselt und zum unterlegenen Team übergeht, in | |
| diesen kleinen Augenblicken, die man eher fühlt als sieht: hier ein | |
| gewonnener Zweikampf, dort eine Spielerin, die mit hochgerissenen Armen die | |
| Fans puscht oder ihre Mitspielerin feiert, drüben eine Angreiferin, die | |
| beim Schuss ein wenig frustriert wirkt, nicht mehr ganz überzeugt. Und | |
| langsam steigert sich die Fankurve in einen Rausch, weil alle fühlen, dass | |
| da was geht. Plötzlich wird jeder auf die Tribüne gedroschene Ball, jede | |
| Rettungstat bejubelt. Während da auf dem Rasen was wahrhaft Großes | |
| passiert. | |
| Selten konnte man diese Eigentümlichkeit des Fußballs besser bestaunen als | |
| bei jener atemlosen und irren Viertelfinal-Schlacht in Basel, bei der das | |
| DFB-Team fast 120 Minuten in Unterzahl gegen die Französinnen mit wildem | |
| Kraftakt ein 1:1 hielt und dann im Elfmeterschießen siegte. Wer glaubte | |
| noch an dieses ohnehin angeschlagene und rumpelnde Team, als in der 13. | |
| Minute Kathrin Hendrich wegen Zopfziehens vom Platz flog und Grace Geyoro | |
| den fälligen Elfmeter verwandelte? Haareziehen (und alle obligatorischen | |
| Haarerauf-Witze inklusive), das schien sich einzureihen ins | |
| Kuriositätenkabinett des DFB-Scheiterns nach [1][Carlotta Wamsers] | |
| ebenfalls skurriler Torhüterinnentat [2][im verlorenen Spiel gegen die | |
| Schwedinnen]. Doch mit dem Rücken zur Wand wuchs das Wück-Team über sich | |
| hinaus. | |
| „Wir haben nach der Roten Karte gemerkt: Wir haben nichts zu verlieren“, | |
| sagte Klara Bühl später. „Keiner rechnet mehr mit uns und jetzt haben wir | |
| noch eine Spielerin weniger.“ Da sei das Gefühl gewachsen: jetzt erst | |
| recht. „Bei jedem Abstoß haben wir uns in die Augen geschaut und gedacht: | |
| Eine Kopfballverlängerung braucht es. Dieser Glaube hat uns über die 120 | |
| Minuten getragen.“ Fast wortgleich würden es viele Spielerinnen an dem | |
| Abend beschreiben. Es galt: Wir gegen den Rest der Welt. Und gegen die | |
| Logik des Fußballuniversums. | |
| Diese Kollektivleistung, auch gewachsen aus der Kritik am blutleeren | |
| Schweden-Spiel, war schier unglaublich: Es wurde gerannt, gedoppelt, sich | |
| in jeden Schuss geworfen. Die hervorragende Franziska Kett, die erst ihr | |
| viertes Länderspiel absolvierte, berichtete, Bundestrainer Wück habe vor | |
| dem Elfmeterschießen gesagt: „Jetzt verlieren wir das nicht mehr. Wenn man | |
| 120 Minuten in Unterzahl spielt und diesen Willen hat, werden wir das nicht | |
| mehr hergeben.“ Es sind Eigenschaften, die das deutsche Team während des | |
| Turniers ständig beschwört: Wille, Mentalität, Zusammenhalt. Und seit | |
| diesem Spiel ist klar, dass der Glaube dieser DFB-Elf tatsächlich Berge | |
| versetzen kann. | |
| ## Kaum ins Tempo | |
| Das sind gute Nachrichten, einerseits. [3][Auch taktisch lief vieles | |
| wirklich gut]. Die gescholtene Defensive ließ die französischen Stars kaum | |
| ins Tempo kommen und stand bis auf einige Probleme auf Sophia Kleinhernes | |
| rechter Seite bärenstark. Offensivkräfte wie Bühl und Brand schufteten | |
| pausenlos nach hinten mit, während Giovanna Hoffmann sich heroisch vorne | |
| aufrieb. | |
| Da ist allerdings auch ein großes Andererseits. Denn dies war natürlich | |
| eine Konstellation, die den Stärken des DFB-Teams sehr entgegenkam. Eine | |
| Abwehrschlacht kaschiert viele Mängel. Die so problematische Balance | |
| zwischen Offensive und Defensive etwa blieb irrelevant, weil das Team eh | |
| mit zehn Leuten den Strafraum verriegelte. Auch Kreativität im | |
| Angriffsdrittel gehörte an diesem Abend nicht zum Aufgabenprofil. Ein | |
| Glück, denn das flügellastige deutsche Offensivspiel bleibt enorm | |
| ausrechenbar. | |
| Zudem war im Viertelfinale erneut offensichtlich, wie schwer sich die | |
| Deutschen mit dem Spielaufbau tun. Die ungezielten langen Abschläge von | |
| Ann-Kathrin Berger machten es schwer, überhaupt mal länger den Ball zu | |
| halten. Dass all das gutging, hat das DFB-Team einer großen Portion Glück | |
| und Bergers Paraden zu verdanken. Solche Spiele werden eben auch von hinten | |
| erzählt. Zweimal noch trafen die Französinnen, zweimal wurde der Treffer | |
| wegen Abseits aberkannt. Ein französischer Schuss ging an die Latte, einen | |
| verunglückten Kopfball von Minge rettete Berger mit einem schier | |
| übermenschlichen Reflex. Leicht hätte das Narrativ des Abends ein anderes | |
| sein können. Dass auch die Deutschen einen Elfmeter vergaben, konnte man in | |
| diesem irren Spielverlauf schon fast vergessen. | |
| ## Logisch: Berger | |
| Es war nur logisch, dass die Heldin so eines Spiels Ann-Kathrin Berger | |
| heißen musste. Berger, die im Elfmeterschießen zwei Schüsse parierte, einen | |
| selbst vollstreckte und ihr Team mit unglaublichen Rettungstaten überhaupt | |
| im Spiel hielt, scheint sich mehr und mehr zur Geschichte des Turniers zu | |
| entwickeln. In einem DFB-Team ohne Allüren und mit vielen stillen | |
| Fleißbienchen ist es die coole Berger, die Spätberufene, die Aufmerksamkeit | |
| auf sich zieht. Eine, die dem Bundestrainer ausrichtete, sie werde ihre | |
| Dribblings trotzdem weiter machen, so sei sie halt. Eine, die zwei | |
| Krebserkrankungen überlebt hat und zu jeder Zeit ausstrahlt, wie sehr sie | |
| diesen Moment genießt. | |
| Auf die Frage, wie sie den Abend fand, erwiderte Torhüterin in der Mixed | |
| Zone trocken: „Ich fand ihn krass, wie fandet ihr ihn? Hat Spaß gemacht.“ | |
| Wie sie den Ball von Minge noch erwischte, das konnte sie selbst nicht mehr | |
| sagen. Reflex, Instinkt. Und den Spickzettel beim Elfmeterschießen, da habe | |
| sie einfach vergessen draufzugucken. „Ich bin ein Typ, der ein bisschen | |
| mehr im Moment lebt.“ Bisweilen wirkt die gechillte 34-Jährige wie eine | |
| Spielerin aus einer anderen Fußballepoche, wie importiert aus den Neunziger | |
| Jahren. „Sie ist der Ruhepol der Mannschaft“, beschrieb Klara Bühl. Für d… | |
| junge Team könnte sie noch wichtiger werden. | |
| Stoff für viele Geschichten ist auch längst ihr strenger Opa, der erst zum | |
| Finale wieder kommen möchte. Ob es für die Deutschen bis dahin geht? | |
| Ausschließen möchte man nach dieser Partie nichts mehr. „Viele haben nicht | |
| mehr an uns geglaubt“, so Ann-Kathrin Berger. „Jetzt sehen auch die anderen | |
| Mannschaften: Wir haben uns den Respekt wieder verdient.“ Das kommende | |
| Halbfinale gegen Spanien könnte den deutschen Stärken tatsächlich erneut | |
| eher entgegenkommen. Verriegeln, Zweikampfstärke, Mentalität und womöglich | |
| viel Raum zum Kontern, so hat das Team schon zweimal, bei der WM 2019 und | |
| der EM 2022, die spielerisch überlegenen Spanierinnen niedergerungen. | |
| Es gehört zu den Eigenheiten dieser Elf, dass sie sich gegen kleinere | |
| Gegnerinnen oft schwertut, während gegen größere alles drin ist. Auch so | |
| lassen sich die scheinbaren Formschwankungen erklären: Finale 2022, | |
| Vorrundenaus 2023, Olympia-Bronze 2024. Vor dem Turnier wurde das DFB-Team | |
| oft als Wundertüte beschrieben. Es ist eine geblieben. Klara Bühl hat | |
| jedenfalls einen Tipp, wie man das Spiel gegen Spanien bestreitet: | |
| „Hoffentlich zu elft.“ | |
| 20 Jul 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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