Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- England zieht ins EM-Halbfinale: Elan, Elfmeterglück und Ekstase
> Was für ein Spiel! Elf Gründe, weshalb die Partie England gegen Schweden
> auch dank der Skandinavierinnen einen Platz in jedem Fußballherzen
> verdient.
Bild: Laufduelle und harte Zweikämpfe: Englands Lauren James und Schwedens Fil…
Das bis dahin spektakulärste Spiel der Europameisterschaft haben sich
England und Schweden im Viertelfinale geliefert. Bis zur 79. Minute führten
die Schwedinnen mit 2:0, [1][dann egalisierte England] das Spiel innerhalb
weniger Minuten zum 2:2. In einem skurrilen Elfmeterschießen mit neun
verschossenen oder gehaltenen Elfern rangen die Engländerinnen ihre
Gegnerinnen schließlich nieder. Was für ein rauschhaftes Vergnügen. Elf
Gründe, diese Partie zu lieben.
Vertikalität
Was manchem Team im eigenen Spielaufbau Sorgen bereitet, hatten die
Schwedinnen bei diesem Turnier perfektioniert: die Vertikale. Gegen England
war der Schnittstellenpass das Mittel der Wahl. Ein, zwei Ballkontakte, und
die schwedischen Stürmerinnen rauschten uneinholbar davon. Das einst so
pragmatische Schweden hat das Spektakel entdeckt – mit einer Stina
Blackstenius in der Form ihres Lebens, die der englischen Defensive ein ums
andere Mal die Knie schlottern ließ. In die Tiefe des Raumes, das spielte
niemand so schön wie Schweden!
Mentalitätsmonster
Jürgen Klopp hat den Begriff vom Mentalitätsmonster einst geprägt, und
England hat ganz genau zugehört. Eine ganze Halbzeit lang waren die
Titelverteidigerinnen völlig überfordert, und auch danach sah es nicht so
aus, als könnte dieser Abend [2][noch ein Sweet Caroline] bringen. Aber
wieder erwiesen sich die Engländerinnen als womöglich resilienteste Elf im
Turnier. Drei Minuten, zwei Flanken, zwei Treffer.
Intensität
Die Fußball der Frauen ist fairer und körperlich zurückhaltender? Solche
frommen Annahmen haben England und Schweden Lügen gestraft. Die beiden
Teams auf dem Rasen agierten mitreißend intensiv. Laufduelle über den
halben Platz, Bodychecks, immer wieder auch Spielunterbrechungen wegen
teils rüder Fouls. Kaum eine Minute Pause gönnte sich die Partie dabei,
ständig wogte ein Angriff. Wer hier zwischendurch aufs Klo ging, die
bestrafte das Leben.
Stoizismus
Sarina Wiegman ist nicht für große Gefühlsausbrüche bekannt. Mit säuerlich
verbissener Miene verfolgt die gestrenge Fußballlehrerin die Partien ihrer
Engländerinnen. Kein Rumpelstilzchen an der Linie, keine großen Gesten.
Ebenso stoisch ist auch ihre taktische Linie. Sehr spät hat Wiegman erst
mit Wechseln reagiert, für manche zu spät. Und alles richtig gemacht: Chloe
Kelly kam, sah und schlug beide Flanken, die zu den Toren führten. Es lebe
der Stoizismus.
Fehler
Es war ganz sicher nicht Perfektion, für die dieses Viertelfinale in
Erinnerung bleibt. Teils haarsträubende Fehler ermöglichten erst das
Spektakel. In der regulären Spielzeit gingen sie oft aufs Konto der
englischen Defensive und allen voran der unglücklichen Jess Carter, die
beide Tore mit verschuldete. Das Festival des Versagens aber entspann sich
so recht erst im Elfmeterschießen. Acht der ersten zwölf Schützinnen
scheiterten, neun verschossene Elfmeter sind EM-Rekord. Das Publikum lachte
und litt, und England stolperte sich zum Sieg.
Zu hoch geflogen
Jennifer Falk hätte die Heldin des Abends werden müssen. Unglaubliche vier
Elfmeter hat sie gehalten, was für eine Performance. Die Torhüterin, die
den Großteil ihrer Nationalelfkarriere in der zweiten Reihe verbrachte,
rückte mit glänzender Gesamtleistung am Donnerstagabend ins Rampenlicht.
Aber ach, sie wollte zu hoch hinaus. Den potenziell letzten Elfmeter wollte
Falk selbst machen, auch noch Doppelheldin sein – und schoss ihn hoch in
die Wolken. Die tragische Figur, die jeder solche Abend braucht.
Frauhaft
Hannah Hampton hat die nicht beneidenswerte Aufgabe, die charismatische
Mary Earps im Tor zu beerben. Und kann das. Die ruhigere, aber
wahrscheinlich komplettere Torhüterin als Earps machte ein starkes Spiel
und hielt, was zu halten war, inklusive zweier Elfmeter. Für die großen
Bilder aber sorgte dabei ihre blutende Nase aus einem Zweikampf. Was für
eine Unerschrockenheit!
Vorbildfigur
Es war wirklich nicht die beste Partie von der mittlerweile 33-jährigen
Ikone Lucy Bronze. Aber als sie da sein musste, um ihren Engländerinnen den
Arsch zu retten, war sie da. Es war Bronze, die mit einem wuchtigen
Kopfball die Aufholjagd einleitete. Und es war Bronze, die mit bandagiertem
Oberschenkel den entscheidenden Elfmeter ins Netz jagte. Auch abseits der
Partie ist ihre Signalwirkung groß: Vor dem Turnier hat sie ihre Diagnosen
ADHS und Autismus öffentlich gemacht. Viel gelobt wurde sie zu Recht für
den Mut. Und wer ins Stadion geht, sieht verdammt viele Bronze-Fanplakate.
Augenhöhe
Wieder die berühmte Augenhöhe. Ähnlich wie beim Viertelfinale [3][zwischen
Italien und Norwegen] trafen hier zwei Teams aufeinander, von denen jedes
zu Recht hätte weiterkommen können. Das zeigt, wie viel sich getan hat im
Vergleich zu vergangenen Turnieren. Ein Überteam gibt es nicht.
Solidarität
Keine Lobeshymne auf England – Schweden wäre komplett, ohne die jeweilige
Anhängerschaft zu würdigen. Zwei riesige Fanlager waren mitgereist, oft
kunstvoll kostümiert inklusive farblich passenden Nagellacks, die einander
während der Partie dröhnend laut auf den Rängen duellertieren. Der
Gesamtsieg ging an Schweden, der Plakatwunsch zweier Schwedinnen („ABBA >
Beatles“) erfüllte sich allerdings sportlich nicht. Sehr viele junge
weibliche Fans waren vor Ort, und das prägte die Atmosphäre auf besondere
Weise. Keine Aggressivität, stattdessen ein oft solidarisches und
gechilltes Miteinander. Im Zug auf der Rückfahrt entschuldigten sich
englische Fans erst mal wortreich bei einer Schwedin für den Sieg. Wo
gibt's das bitte im Männerfußball?
Letzigrund
Und was für eina Stadion, das den Rahmen für dieses Spiel bildete. Der
Letzigrund in Zürich ist zwar ein Neubau, aber endlich mal keine immer
gleiche Schachtel-Arena, die eng, steil und laut sein soll. Stattdessen ein
weites Rund, eine nostalgische Holzvertäfelung an der Decke,
Flutlichtmasten und eine klassische Tartanbahn. Hier fühlen sich
Traditionalist:innen wohl. Eine gute Bühne also für ein Spiel mit
„Weißt du noch, als damals …?“-Potenzial.
18 Jul 2025
## LINKS
[1] /England-Wales-Schottland-Nordirland/!6097296
[2] /EM-Duell-zwischen-Schweden-und-England/!6098248
[3] /Norwegen-verabschiedet-sich-von-EM/!6098343
## AUTOREN
Alina Schwermer
## TAGS
Fußball-EM der Frauen 2025
England
Schweden
Fußball-EM der Frauen 2025
Fußball-EM der Frauen 2025
Fußball-EM der Frauen 2025
Fußball-EM der Frauen 2025
Fußball-EM der Frauen 2025
Fußball-EM der Frauen 2025
Fußball-EM der Frauen 2025
Fußball-EM der Frauen 2025
## ARTIKEL ZUM THEMA
EM-Verlängerungen: Schreckliche halbe Stunde
Wozu braucht es Verlängerungen bei der EM? Die zusätzliche Spielzeit mit
überanstrengten Körpern und maximaler Risikovermeidung will niemand.
Halbfinale der Fußball-EM: Furiose letzte Reserve
Das englische Team zeigt gegen starke Italienerinnen wieder
Last-Minute-Qualitäten. Michelle Agyemang wird eingewechselt und vollendet
den Matchplan.
Italien vor dem EM-Duell gegen England: So viel Liebe für das Spiel
Cristiana Girelli, 35, kennt noch die dunkelsten Seiten des Frauenfußballs.
Die Kapitänin ist immer noch unverzichtbar für das italienische Team.
Rassismus bei der EM: Verbrauchte Geste
Englands Jessica Carter wird im Netz rassistisch beleidigt. Das Team zeigt
sich solidarisch und stößt eine Debatte über Gewalt auf Social Media an.
DFB-Team erreicht Halbfinale: Die wahnsinnige Spielwende der Wück-Elf
Nach der 13. Minute schien das Schicksal des bis dahin eher haarig
auftretenden DFB-Teams besiegelt. Doch dann passierte was Unpackbares.
EM-Duell zwischen Schweden und England: Erfahrung, Taktik und Musik
Mit Schweden und England begegnen sich im Viertelfinale zwei der besten
Turniermannschaften der vergangenen Jahre. Der ultimative taz-Test.
Schwedisches Fußballmodell: Ungleiches Duell
In Schweden wird die Frauenauswahl gefeiert wie kein anderes Team. Die
DFB-Kickerinnen stehen dagegen immer noch im Schatten der Männer.
England vor nächstem Gruppenspiel: Ordentlich unter Druck
Die Titelverteidigerinnen aus England könnten gegen die Niederlande
ausscheiden. Das Team spielte zuletzt oft schlecht, um dann wieder zu
überzeugen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.