# taz.de -- Syrien-Expertin zu Massakern an Drusen: „Israels Schutzargumentat… | |
> Die Angriffe auf Damaskus destabilisieren Syrien, sagt die | |
> Nahost-Expertin Bente Scheller. Sie bezweifelt, dass Israel sich um die | |
> Drusen sorgt. | |
Bild: Zerstörung am syrischen Verteidigungsministerium in Damaskus nach dem is… | |
taz: Frau Scheller, Israel hat in den vergangenen Tagen Angriffe in Syrien | |
geflogen, unter anderem auf das Verteidigungsministerium. Weshalb? | |
Bente Scheller: Das ist nicht die erste Intervention Israels in Syrien. | |
Über die Jahre des Konfliktes hat es sehr viele Bombardierungen in Syrien | |
gegeben, aber insbesondere seit dem Fall Assads am 8. Dezember. Und Israel | |
hat hier immer zwei Interessen klargemacht: Einerseits zu verhindern, dass | |
von Syrien für Israel selbst eine Bedrohung ausgeht. Und in dieser | |
Situation haben Sie auch gesagt, sie würden hier zur Verteidigung der | |
Drusen eingreifen. | |
taz: Truppen der neuen syrischen Regierung sollen [1][Massaker an den | |
Drusen in Suweida] begangen haben. Wenn Israel nun sagt, es wolle eine | |
religiöse Minderheit schützen, klingt das doch erst mal gut. | |
Scheller: Das ist sehr zwiespältig. Es hat über die letzten 15 Jahre | |
Massaker in Syrien gegeben, die weit über das hinausgehen, was wir jetzt | |
sehen. Und da ist auch keine ausländische Macht gekommen und hat | |
irgendjemanden geschützt. Es gibt erhebliche Zweifel an dieser | |
Schutzargumentation. 2017 ist der „Islamische Staat“ in Suweida eingefallen | |
und hat dort Massaker an Drusen begangen. Damals hat es keine Versuche | |
gegeben, Aufmerksamkeit darauf zu lenken und den [2][internationalen Schutz | |
von Drusen] einzufordern. Deswegen finde ich es jetzt auch nicht so richtig | |
glaubwürdig. | |
taz: Wie sind die israelischen Angriffe in Damaskus zu bewerten? | |
Scheller: Zunächst sollten wir darauf blicken, wie unsere Maßstäbe | |
vielleicht schon verrutscht sind. Da ist ja nicht irgendwas bombardiert | |
worden, sondern das Verteidigungsministerium mitten im Herzen der | |
Hauptstadt, an einem absolut belebten Ort. Ein Flügel des Gebäudes ist | |
sogar eingestürzt. Wenn wir uns vorstellen, dass irgendeine ausländische | |
Macht das in Berlin täte, wäre das schon wirklich eine ganz andere | |
Qualität. Ich verstehe nicht, warum es das nicht zu einem wirklichen | |
Aufschrei führt. Nicht zuletzt, weil ja im Prinzip Deutschland, die EU, | |
alle ein Interesse daran hätten, dass Syrien stabil wird. | |
taz: Der syrische Präsident Ahmed al-Scharaa behauptet, dass Israel darauf | |
abzielen würde, Syrien zu teilen. Warum sollte Israel ein Interesse an | |
einem destabilisierten Syrien haben? | |
Scheller: Minister der israelischen Regierung haben explizit gesagt: Wir | |
werden nicht ruhen, bevor Syrien nicht auseinandergebrochen ist. Wir | |
sollten diese Äußerungen ernst nehmen, denn es ist wirklich heikel, wenn | |
der syrische Staat von ausländischen Kräften unterminiert wird. Und das ist | |
seit dem 8. Dezember sehr klar erkennbar. Das Vorrücken Israels auf den | |
Golanhöhen hat keinerlei sicherheitspolitische Vorteile. Da gab es immer | |
eine Pufferzone, in der weder syrisches noch israelisches Militär sitzen | |
durfte. Das war die von den UN überwachte Zone und das hat sehr gut | |
funktioniert. Wenige Tage später kam dann ja auch sofort die Ankündigung | |
aus Israel, man werde die Siedlungsaktivitäten im Golan erhöhen. Dann hat | |
man die Bevölkerung, die dem eigenen Militär hinterher zieht. | |
taz: Die Besatzung des Berg Hermon im Golan kann Israel wohl Vorteile bei | |
der Radarüberwachung bringen. Doch der israelische Finanzminister Bezalel | |
Smotrich sagt, die Grenzen Israels sollten bis Damaskus reichen. Sind diese | |
Expansionsgelüste im Bereich des Möglichen? | |
Scheller: Ich weiß nicht, ob das realistisch ist. Aber wenn wir die | |
Äußerungen israelischer Politiker nicht ernst nehmen, dann werden wir | |
möglicherweise überraschend mit Fakten konfrontiert sein, die schwer | |
rückgängig zu machen sind. Die israelischen Truppen stehen übrigens schon | |
sehr nah an der Hauptstadt, das sind vielleicht 40 Kilometer Luftlinie. Das | |
würde auch in anderen Staaten große Sorge hervorrufen. Einer der | |
israelischen Minister sagte kürzlich, Al-Scharaa müsse „beseitigt“ werden. | |
Und da finde ich noch sehr verhalten, was wir aus Syrien hören. Die | |
Regierung hat nicht gedroht und nicht zurückgeschossen. Ganz im Gegenteil. | |
Die jetzige Regierung hat sich an die UN gewandt, um diese Missstände | |
anzuprangern. | |
taz: Die USA haben offenbar bei den Waffenstillstandsabkommen zwischen den | |
Drusen und der syrischen Führung vermittelt. Auch äußert sich Trump sehr | |
anerkennend über al-Scharaa. Was für eine Agenda verfolgt er? | |
Scheller: Die Rolle der USA finde ich immer schwierig zu lesen. Unter Trump | |
haben wir viele unerwartete Dinge gesehen. Bei Syrien sind es unerwartet | |
positive Äußerungen, insbesondere die Aufhebung der Sanktionen, die | |
essenziell dafür sind, dass Syrien wirtschaftlich wieder auf die Beine | |
kommt. Das alles hat Trump angestoßen. Er hofft wohl, dass sich Syrien den | |
Abraham Accords anschließt – diesem Konstrukt regionaler Sicherheit, das | |
Trump mit den Golfstaaten begonnen hat, was eine Normalisierung mit Israel | |
bedeuten würde. Ich glaube auch, dass er Krieg als einen Störfaktor für die | |
für ihn sehr wichtigen wirtschaftlichen Interessen sieht. | |
taz: Wie Israel im Süden besetzt die Türkei im Norden syrisches Gebiet, aus | |
dem es die Kurden vertrieben hat. Im Gegensatz zu Israel will die Türkei | |
aber eher eine stabile Regierung in Damaskus. | |
Scheller: Ich denke, dass gerade diese Ähnlichkeit des Vorgehens durchaus | |
für Syrien insgesamt problematisch ist. Alles, was die syrische | |
Souveränität beeinträchtigt und zu ausländischer [3][militärischer | |
Einmischung in Syrien] zählt, destabilisiert den Staat tendenziell. | |
Gleichzeitig denke ich, dass die Türkei wirklich ein Interesse daran hat, | |
dass Syrien halbwegs stabil bleibt. Die türkische Rhetorik war auch | |
jahrelang: Flüchtlinge aus Syrien müssen zurückgehen. Auch wirtschaftlich | |
ist ein stabiles Syrien für die Türkei deutlich interessanter als ein | |
destabilisiertes Gefüge. | |
17 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Leon Holly | |
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