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# taz.de -- Verschobene Richterwahl: Patt zwischen Union und SPD
> Die SPD steht zur nominierten Verfassungsrichterin Brosius-Gersdorf, in
> der Union fehlt die Mehrheit. Sie selbst hält einen Verzicht für möglich.
Bild: Ihren ersten öffentlichen Auftritt seit ihrer Nominierung wollte Brosius…
Berlin taz | Morddrohungen, verdächtige Post, Gewaltvideos, bis hin zur
Räumung des Lehrstuhls. Der Einblick, den die Potsdamer Professorin Frauke
Brosius-Gersdorf am Dienstagabend in ihren derzeitigen Alltag gab, war
abgründig. Diese Politisierung einer Verfassungsrichterwahl „hätte man sich
in seinen schlimmsten Träumen nicht vorstellen können“, [1][sagte
Brosius-Gersdorf in der Sendung „Markus Lanz“]. Es gehe dabei nicht allein
um ihre Person, sondern auch um die Frage, was es mit dem Land und der
Demokratie mache, wenn sich eine solche Kampagne durchsetze.
Die Staatsrechtlerin, die vom Richterwahlausschuss des Bundestags zusammen
mit zwei weiteren Personen als Richterin für das Bundesverfassungsgericht
vorgeschlagen wurde, ist zur [2][Zielscheibe einer Hetzjagd] geworden, die
von selbsternannten Lebensschützer:innen orchestriert wurde. Anlass
ist [3][Brosius-Gersdorfs Position zum Schwangerschaftsabbruch]. Wer
abtreibt, setzt sich nach aktueller Rechtsprechung grundsätzlich ins
Unrecht, die Juristin befürwortet eine Legalisierung in den ersten 12
Wochen der Schwangerschaft. Wegen dieser Position ist sie für eine höhere
zweistellige Zahl von Unionsabgeordneten nicht wählbar, sodass die Wahl der
Verfassungsrichter:innen am vergangenen Freitag auf unbestimmte Zeit
verschoben wurde.
Brosius-Gersdorf beantwortete bei Lanz erstmals öffentlich Fragen zu den
gegen sie erhobenen Vorwürfen, stellte falsche Behauptungen richtig, aber
auch einen Verzicht auf ihre Kandidatur in Aussicht. Sobald drohe, dass das
Ansehen des Bundesverfassungsgerichts Schaden nehme, würde sie an ihrer
Nominierung nicht festhalten. „Ich möchte auch nicht verantwortlich sein
für eine Regierungskrise in diesem Land“, sagte sie.
In den Anfängen einer solchen steckt die schwarz-rote Koalition bereits.
Obwohl [4][Kanzler Friedrich Merz im ARD-Sommerinterview] die Bedeutung des
Falls heruntergespielt hatte – das sei kein Beinbruch, auch keine Krise –,
herrscht zwischen Union und SPD ein Patt. Der Geschäftsführende
Fraktionsvorstand der Union traf sich am Dienstag. Beobachter sehen
weiterhin keine Mehrheit für Brosius-Gersdorf und auch keine Chance auf
eine solche. CSU-Chef Markus Söder forderte Brosius-Gersdorf zum Verzicht
auf ihre Kandidatur auf, es „lag kein Segen drauf“. Durch die Blume sagte
dies auch Bundesforschungsministerin Dorothee Bär.
## „Rückzug würde der Demokratie schaden“
Die SPD stehe dagegen weiterhin „uneingeschränkt“ hinter Brosius-Gersdorf,
so Fraktionsvorsitzender Matthias Miersch in einem am Mittwoch versandten
Brief an die Fraktion. „Ihr gestriger Auftritt hat gezeigt, warum sie auch
die Unionsvertreter:innen im Richterwahlausschuss überzeugt hat“,
schreibt Miersch.
Brosius-Gersdorf sei eine herausragende Staatsrechtslehrerin und
Wissenschaftlerin, die mit ihrem klugen, differenzierten Blick maßgeblich
zu wichtigen verfassungsrechtlichen Diskussionen in unserem Land beitrage,
erklärte auch SPD-Fraktionsvize Sonja Eichwede gegenüber der taz. „Dabei
vertritt sie ausgewogene Positionen. Genau das ist die Aufgabe unabhängiger
und verantwortungsvoller wissenschaftlicher Arbeit und qualifiziert sie
auch für die wichtige Arbeit am Bundesverfassungsgericht“, so Eichwede, die
selbst Richterin ist.
Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, Maria
Noichl, sagte zur taz, die SPD müsse „ohne Wenn und Aber“ an
Brosius-Gersdorf festhalten. Ein Rückzug von Frau Brosius-Gersdorf würde
nur der Demokratie schaden. „Faschisten, Teile der CDU/CSU und
Hardliner-Christen würden ihren Rückzug als Erfolg im Netz und auf der
Straße beklatschen. Wenn zu Unrecht beschmutze Menschen, um Schaden
abzuwenden, Bewerbungen zurückziehen, wird dieses System Schule machen.“
## Direktes Gespräch zwischen Union und Brosius-Gersdorf?
Immerhin sind sich Union und SPD einig, dass kein Zeitdruck herrsche.
Hinter den Kulissen wird weiter um eine Lösung gerungen. Das Angebot der
SPD und von Brosius-Gersdorf, sie persönlich einzuladen, hat die Union
bislang nicht angenommen. Doch Miersch ist zuversichtlich: „Ich gehe davon
aus, dass die Unionsführung jetzt den persönlichen Austausch mit Frau Prof.
Dr. Brosius-Gersdorf suchen wird.“
Der von der Union am Freitag in letzter Sekunde ins Feld geführte und am
selben Tag zurückgenommene Plagiatsvorwurf wird wohl keine entscheidende
Rolle mehr spielen. Es geht um eine identische Textstelle in der
Dissertation von Brosius-Gersdorf und der Habilitation ihres Mannes. In
einem von Brosius-Gersdorf selbst in Auftrag gegebenen Kurzgutachten kommt
die Kanzlei Quaas und Partner zu der Einschätzung, dass die
Übereinstimmungen keinen Plagiatsvorwurf begründen. Wenn überhaupt hätte
Herr Gersdorf wohl eher bei seiner Frau abgeschrieben, da dieser sein
Manuskript später fertiggestellt hatte.
16 Jul 2025
## LINKS
[1] https://www.zdf.de/play/talk/markus-lanz-114/markus-lanz-vom-15-juli-2025-1…
[2] /Rechte-Hetze-gegen-Brosius-Gersdorf/!6097369
[3] /Wahl-von-Verfassungsgrichterinnen/!6100607
[4] /Merz-im-Sommerinterview/!6100744
## AUTOREN
Anna Lehmann
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