| # taz.de -- Deutsche Afghanistanpolitik: Unmenschlich und rechtswidrig | |
| > Die Bundesregierung hält sich nicht an ihre Zusage, Afghan:innen | |
| > aufzunehmen, die unter dem Taliban-Regime gefährdet sind. Das ist | |
| > gesetzwidrig. | |
| Bild: Bundesminister für Unmenschlichkeit und rechtswidriges Vorgehen: Alexand… | |
| Abschiebungen sofort starten und die humanitäre Aufnahme beenden – darauf | |
| reduziert sich die Afghanistanpolitik der Bundesregierung. In den | |
| vergangenen Tagen zeigte sich, dass diese Politik nicht nur unmenschlich, | |
| sondern in Teilen rechtswidrig ist. | |
| Da hatte [1][CSU-Innenminister Dobrindt erklärt, er wolle direkt mit den | |
| Taliban verhandeln], um Abschiebungen zu ermöglichen – und der | |
| [2][Internationale Strafgerichtshof erließ Haftbefehle gegen den | |
| Taliban-Regierungschef und gegen ihren Obersten Richter.] Ihnen werden | |
| Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, weil sie Frauen und | |
| Mädchen ihrer Rechte berauben. Will Dobrindt tatsächlich dieser Regierung | |
| mit seinen Verhandlungen Anerkennung verschaffen? | |
| In der pakistanischen Hauptstadt Islamabad warten immer noch rund 2.300 | |
| Afghan*innen darauf, nach Deutschland kommen zu können. Es handelt sich | |
| um Menschenrechtsaktivist*innen, Frauenrechtlerinnen, | |
| Journalist*innen, LGBTQI+-Personen, Mitarbeiter*innen der | |
| afghanischen Vorgängerregierung, die das Bundesamt für Migration und | |
| Flüchtlinge (Bamf) als besonders Gefährdete anerkannt hatte. | |
| Thorsten Frei, damals noch Parlamentarischer Geschäftsführer der | |
| Unionsfraktion und heute Kanzleramtsminister, erklärte Ende April, alle | |
| Aufnahmezusagen sollten mit dem Ziel, diese zurückzunehmen, überprüft | |
| werden. Die Rücknahme der Zusagen bedeutet, dass die Betroffenen jeglichen | |
| Schutz verlieren. Pakistan schiebt seit Anfang dieses Jahres massiv nach | |
| Afghanistan ab. Inzwischen gibt es genügend Berichte, dass Abgeschobene in | |
| Afghanistan schweren Menschenrechtsverletzungen bis hin zur Ermordung | |
| ausgeliefert sind. | |
| ## Unterlassene Hilfeleistung | |
| Ein Gutachten des Strafrechtlers Robert Brockhaus kommt zu dem Schluss, | |
| dass sich Bundesregierung und involvierte Beamt*innen wegen | |
| unterlassener Hilfeleistung strafbar machen, sollte eine Person, der die | |
| Aufnahmezusage entzogen wurde, durch Abschiebung nach Afghanistan zu | |
| Schaden kommen. Das [3][Verwaltungsgericht Berlin entschied am 7. Juli in | |
| einem Eilverfahren], dass die Bundesregierung einer Afghanin und ihrer | |
| Familie, die eine Aufnahmezusage haben, das Visum für Deutschland | |
| unverzüglich erteilen muss. | |
| Aber die gnadenlos unmenschliche Politik der Bundesregierung gegenüber den | |
| Afghan*innen geht weiter. Warteten vor einigen Wochen noch 2.600 | |
| Personen in Islamabad, sind es inzwischen nur noch gut 2.300. Die | |
| verringerte Zahl heißt nicht, dass die Bundesregierung zwischenzeitlich | |
| Afghan*innen nach Deutschland geflogen hätte. Nein, die Reduktion kommt | |
| zustande, weil extrem gefährdete Menschen aus den Aufnahmeprogrammen | |
| geworfen und dann nicht mehr gezählt werden. Sie sind der pakistanischen | |
| Abschiebungspolitik schutzlos ausgeliefert. Die Bundesregierung lehnt | |
| jegliche Verantwortung für sie ab, obwohl sie mit der Rücknahme der Zusage | |
| massiv zu ihrer Gefährdung beiträgt. | |
| Auch diejenigen, die noch im Programm sind, sind keineswegs sicher. Die | |
| pakistanische Regierung stellte den internationalen Aufnahmeprogrammen ein | |
| Ultimatum: Bis Ende Juni 2025 müssen Afghan*innen das Land verlassen | |
| haben, sonst werden sie abgeschoben. Die Bundesregierung hat dieses | |
| Ultimatum verstreichen lassen. Vor gut einer Woche stürmte die | |
| pakistanische Polizei ein Gästehaus, in dem Wartende untergebracht sind, | |
| und nahm elf Menschen fest, die in ein Abschiebelager gebracht wurden. | |
| Durch Intervention der deutschen Botschaft kamen sie wieder frei. Man muss | |
| davon ausgehen, dass solche Fälle zunehmen. Es ist unklar, ob die Botschaft | |
| dann noch intervenieren kann. | |
| Diese unmenschliche Politik ist in erster Linie ein Projekt der Union. In | |
| der SPD regt sich Widerspruch. Viele SPD-Abgeordnete haben schon der | |
| Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte nur mit | |
| Bauchschmerzen zugestimmt. Gefährdete Afghan*innen sind davon auch | |
| betroffen. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Natalie Pawlik, | |
| forderte gegenüber der taz, dass die Aufnahmezusagen für Afghan*innen | |
| eingehalten werden müssen. | |
| Auch Lars Castellucci, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung | |
| (beide SPD), pochte darauf, die Schutzversprechen einzuhalten. | |
| „Versprechen, die man gibt, sind einzuhalten“, schreibt er auf X. | |
| Castellucci sollte am Freitag (bis nach Redaktionsschluss) den | |
| UN-Sonderberichterstatter für Afghanistan Richard Bennet in Berlin treffen. | |
| Die beiden wollten sicher auch die Menschenrechts- und Gefährdungslage | |
| besprechen. | |
| Die Union fordert stets, „irreguläre“ Migration zu beenden. Tatsächlich | |
| beendet sie mit den humanitären Aufnahmeprogrammen einen wichtigen Weg der | |
| regulären Migration. Den gefährdeten Afghan*innen bleibt damit nichts | |
| anderes übrig, als sich auf der Suche nach Schutz selbst auf den | |
| gefährlichen Weg nach Europa zu machen. | |
| 14 Jul 2025 | |
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| [1] /Migrations-Debatte-Dobrindt-will-Gespraeche-mit-der-Taliban/!6094906 | |
| [2] /Unterdrueckung-von-Frauen/!6100131 | |
| [3] /Schutz-fuer-Afghaninnen/!6095983 | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Sökefeld | |
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