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# taz.de -- Klausur der Berliner Grünen-Fraktion: Grüne würden nicht springen
> Falls Berlins SPD-Fraktionschef Raed Saleh wirklich mit der CDU bricht,
> kann er nicht darauf zählen, dass die Grünen ihn zum Regierungschef
> machen.
Bild: Alles Spekulation: Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch
Groß Behnitz taz | Es ist ein bisschen ruhig geworden um die Berliner
Grünen, die doch die größte Oppositionspartei der Stadt sind. Für
Nachrichten hat stattdessen eher die politische Konkurrenz gesorgt: die
SPD, die angeblich für den Herbst [1][einen Bruch mit der CDU und eine
erneute rot-grün-rote Koalition plante]. Und die Linkspartei, [2][die in
einer jüngsten Umfrage stärkste Kraft im linken Lager wurde] und sich
erneut für ein solches Bündnis anbot.
Aber würde die Grünen-Fraktion da mitziehen? Gut ausloten lässt sich das
bei der Klausurtagung ihrer 34 Abgeordneten, die dafür im Parlament die
Hand heben müssten. Kurz gefasstes Ergebnis: Ideen dieser Art lösen dort
keine Begeisterung aus.
Die Fraktion hat sich an diesem Wochenende zurückgezogen ins Landgut Stober
bei Nauen westlich von Berlin. Mal wieder. Die Gebäudeansammlung im Ort
Groß Behnitz oberhalb eines lauschigen Sees ist in den vergangenen Jahren
zu einer inoffiziellen Rückzugsstätte der Berliner Politik geworden.
Erst vor einer Woche trafen sich hier die Fraktionsvorstände von CDU und
SPD. Die beschlossen im Landgut aus ihrer Sicht Bahnbrechendes und
verkündeten das auch entsprechend – was aber im Kern nur darin bestand,
Teile des schon zwei Jahre alten Koalitionsvertrags umzusetzen.
## Kein Interesse, Gewehr bei Fuß zu stehen
Der Senat war auch schon zu Gast, und kurz vor der Abgeordnetenhauswahl
2023 spottete die SPD-Fraktion hier, nach der Wahl werde [3][„der einsame
Kai“ – der damalige CDU-Spitzenkandidat und nachmalige Regierungschef Kai
Wegner] – vergeblich Koalitionspartner suchen. Tatsächlich ebnete Wegner
ausgerechnet die SPD kaum zwei Monate später mit ihrer Abkehr von den
bisherigen Partnern Grünen und Linkspartei den Weg ins Amt.
Was sagen also nun an selber Stelle die Grünen-Abgeordneten zum Geraune
über einen erneuten SPD-Kursschwenk zurück zu ihnen? Die dazu Befragten
würden jedenfalls nach eigener Aussage nicht einfach bereitstehen, falls
die SPD verkündet, dass die Gemeinsamkeiten mit der CDU aufgebraucht seien
und dass man zum Wohle Berlins nicht anders könne.
Wobei sich „die SPD“ durchaus genauer fassen lässt. Das wäre keine
Entscheidung eines Parteitags und auch nicht die des Landesvorstands: Käme
es dazu, wäre dafür allein Raed Saleh verantwortlich – von dem auch das
Zitat vom „einsamen Kai“ stammt.
Saleh ist zwar offiziell bloß der Chef der Abgeordnetenhausfraktion,
[4][verfügt aber auch in der Landespartei über einen gewissen Einfluss].
Vor allem aber hat er faktisch auf der SPD-Seite im Senat das Sagen. In
Berlin werden die Fraktionschefs der regierenden Koalition seit Jahrzehnten
in die Senatssitzungen eingebunden.
## SPD-Schwenk von 2023 nicht vergessen
Zwar lassen sich, obwohl konzentriert im Landgut Stober, bei Weitem nicht
alle 34 Abgeordneten genau befragen. Aber in einer nicht unrepräsentativ
erscheinenden Auswahl ist fast unisono ein Nein zur Vorstellung zu hören,
mit einem konstruktiven Misstrauensvotum im Parlament – zuletzt 2001
praktiziert – Wegner durch Saleh zu ersetzen.
„Wir sind nicht der Pingpongball der SPD“, sagt ein Abgeordneter mit Blick
auf den Bündniswechsel von 2023. Die SPD begleitete den Schlussstrich unter
Rot-Grün-Rot seinerzeit mit vielen unschönen Worten über die Partei, die
gerade noch sechseinhalb Jahre lang ihr Koalitionspartner war. Das ist
nicht vergessen.
Unverantwortlich wäre ein solcher Schritt wenig mehr als ein Jahr vor der
regulär für den 20. September 2026 angesetzten Abgeordnetenhauswahl, heißt
es auch aus der Fraktionsführung. Zum einen, weil ein neu formierter Senat
mindestens ein halbes Jahr zum Einarbeiten bräuchte, dann schon der
Wahlkampf naht und noch ein Haushalt umzuarbeiten wäre.
Zum anderen fragen sich die Grünen, warum sie einer in den Umfragen
siechenden SPD noch für ein Jahr bis zur Wahl ins Rote Rathaus verhelfen
sollten. Wenn wirklich gar nichts mehr gehe zwischen CDU und SPD, dann
müsse es vorgezogene Neuwahlen geben. Was aber auch kaum jemand möchte,
weil es den Politikverdruss in der Wählerschaft nicht unbedingt mindern
würde.
Begleitet wird die Klausur, in der es unter anderem um ein
„Bezahlbare-Mieten-Gesetz“ geht (siehe Kasten), von einer Meldung des
Tagesspiegels, wonach Co-Fraktionschefin Bettina Jarasch 2026 erneut
Spitzenkandidatin sein soll, so wie 2021 und bei der Wiederholungswahl
2023. Jarasch selbst spricht gegenüber der taz von „Spekulation“.
Ähnlich Co-Parteichef Philmon Ghirmai, der ebenfalls an der Klausur
teilnimmt. Ghirmai sagt letztlich, was die führenden Köpfe der Grünen seit
Monaten dazu sagen: dass der Landesvorstand vertrauensvolle Gespräche führe
– und die Partei die Frage der Spitzenkandidatur im Herbst klären werde.
29 Jun 2025
## LINKS
[1] /Berliner-Landesparlament/!6090345
[2] https://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/berlin.htm
[3] /Berliner-Abgeordnetenhauswahl-2023/!5906103
[4] /SPD-Berlin-in-der-Krise/!6080621
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
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