| # taz.de -- Künstler über koloniale Spuren: „Wir laufen über die verdräng… | |
| > Der Künstler Christian Diaz Orejarena zeigt in der Kunsthalle Osnabrück | |
| > die deutschen kolonialen Spuren in Kolumbien. | |
| Bild: Man soll durch die visuelle Dynamik körperlich mitgezogen werden: Der Co… | |
| taz: Christian Diaz Orejarena, Ihr Werk, auf dem die Ausstellung basiert, | |
| ist sehr verschachtelt und komplex. Worum geht es? | |
| Christian Diaz Orejarena: Ich habe einen Vater aus Kolumbien. Als | |
| Erwachsener war ich das erste Mal dort und entdeckte: Deutsche hatten in | |
| der Kultur Spuren hinterlassen. Die vielen deutschen [1][Conquistadores] – | |
| ich fand das voll irre. Da heißen die uralten Wege durch Santanter etwa | |
| Caminos de Lengerke. Hä? Dann habe ich herausgefunden, dass die Straße nach | |
| dem kolonialen Unternehmer [2][„Geo“ von Lengerke] benannt ist, der bis | |
| heute als Fortschrittsbringer gefeiert wird, wobei die Ungerechtigkeiten | |
| des damals installierten Systems sich bis heute fortschreiben. | |
| taz: Wer war er? | |
| Diaz Orejarena: Er entstammt einer Osnabrücker Adelsfamilie. In Kolumbien | |
| wird er als Held gefeiert. 1977 hat Pedro Gomes Valderrama das Buch „La | |
| Otra Raya del Tigre“ über ihn geschrieben und eine Telenovela über ihn war | |
| ein Blockbuster. Die ganzen dreckigen Sachen wurden nicht gezeigt. Ich | |
| wollte dem Nationalismus Paroli bieten, also der immer wieder | |
| reproduzierten Narration etwas entgegensetzen, dass globale Prozesse von | |
| Lebensrealitäten vor Ort entkoppelt seien. Mit subjektiven, globalen | |
| Verbindungslinien will ich die historische Dimension in der Gegenwart | |
| sichtbar machen. | |
| taz: Warum haben Sie bei dieser Themenfülle die Form des Comics gewählt? | |
| Diaz Orejarena: Zuerst war gar kein Comic geplant, ich bin ja | |
| Medienkünstler, arbeite mit Formaten wie Film und Performance. Versucht | |
| habe ich das als Appropriationskunstwerk. | |
| taz: Also bewusst und mit strategischer Überlegung die Werke anderer | |
| Künstler kopiert. | |
| Diaz Orejarena: Ein Comic ähnelt in seiner sequenziellen Erzählweise dem | |
| Film, er bietet die Freiheit, aus der Erinnerung zu erzählen, Surreales und | |
| Dokumentarisches zu kombinieren. Handwerklich ist mein Comic nah an den | |
| Ästhetiken kolonialer Repräsentation des 19. Jahrhunderts, wie Kupferstiche | |
| und Zeichnungen. Auch sind Kosten beim Comic geringer als beim Film. | |
| Außerdem liebe ich das Zeichnen, Comics haben mich immer fasziniert. | |
| taz: Sie haben Konzept- und Medienkunst studiert und arbeiten | |
| interdisziplinär. Wie zeigt sich das in der Ausstellung? | |
| Diaz Orejarena: Ich will unterschiedliche Zugänge zum Thema schaffen. | |
| Besucher sehen Comiczeichungen als Tafelbilder, monumental projiziert, und | |
| auch als überdimensioniertes Bodenbild. Das Laufen über diesen Strudel im | |
| Foyer wird auch zu einem Laufen über die verdrängte eigene Geschichte, bei | |
| dem man körperlich mitgezogen wird durch die visuelle Dynamik. Das | |
| „Schwindeligmachen“ korreliert also mit dem Inhalt und der Intensität | |
| dieser gewaltvollen Geschichte, auf der ja auch der krasse Wohlstand in | |
| Deutschland aufbaut. Ich übe auch humorvoll Kritik durch Karikaturen, die | |
| ihre rassistischen, menschenverachtenden, weißen, patriarchalen | |
| Protagonisten verlachen. Und ich kombiniere experimentelles, audiovisuelles | |
| Archivmaterial mit Comic-Zeichnungen. Wie durch das Video, in dem ich mich | |
| selbst als Figuren aus dem Comic einfüge in historische Kolonialmalerei, | |
| von Humboldt zum Beispiel. Und das Musikalische des Comics übersetze ich da | |
| in tatsächliche Lieder. | |
| taz: Und wie bereichert uns Ihre Lecture-Performance? | |
| Diaz Orejarena: Ich erzähle die Geschichte des Comics entlang meiner | |
| persönlichen Geschichte, die dem Ganzen ja zugrunde liegt, und zwar | |
| multimedial, mit dokumentarischen Videos, ich selbst trete in Aktion, mit | |
| Musik, Noise und am Ende auch ein bisschen lustigem Merchandise zum | |
| Mitnehmen. | |
| taz: Und für wen ist der Comic-Workshop geeignet? | |
| Diaz Orejarena: Der richtet sich prinzipiell an alle, die gerne zeichnen | |
| und Interesse an sequenziellen Erzählungen haben. Vorkenntnisse sind nicht | |
| notwendig und er ist intergenerational angelegt. Unerfahrene Blicke und | |
| Zeichenstriche sind oft ganz großartig! Wir werden gruppenweise agieren. | |
| Ziel ist es, kollektive Geschichten zu zeichnen. | |
| 10 Jul 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Praesenz-Staerke-und-Wildheit/!5806184 | |
| [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Geo_von_Lengerke | |
| ## AUTOREN | |
| Imke Staats | |
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