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# taz.de -- Studie zur Ungleichheit von Landbesitz: Mehr Ackerland in weniger H…
> Zunehmende Ungleichheit von Landbesitz weltweit verschärft Hunger – das
> zeigt eine aktuelle Studie. Mitverantwortlich sind
> CO2-Kompensationsprojekte.
Bild: Wer eggt, eignet meist das Land nicht mehr
Berlin taz | International konzentriert sich Land in immer weniger Händen.
Das zeigt eine aktuelle Studie der Menschenrechtsorganisationen Fian und
Focus on the Global South. Gerade einmal 1 Prozent aller Agrarunternehmen
verfügen über 70 Prozent des weltweit nutzbaren Ackerlandes. Die massive
Vermögenskonzentration bei wenigen Akteuren hat gravierende Auswirkungen
auf die globale Ernährungssicherung, heißt es in der [1][Studie].
Die wachsende Ungleichheit der Landverteilung vertieft die Kluft zwischen
Arm und Reich, denn Land ist weiterhin entscheidend für das Wohl eines
Großteils der Bevölkerung in der Welt. Kleinbäuerliche Betriebe ernähren
nach wie vor die Mehrheit der Weltbevölkerung. Auf nur 35% der globalen
Anbaufläche produzierten Hirtenvölker und indigene Völker mehr als die
Hälfte der weltweit konsumierten Lebensmittel, heißt es in der Studie.
Zugleich ist Land aber auch eine begehrte Investitionsmöglichkeit.
Der Erwerb großer Mengen von Land durch wenige Konzerne steht häufig im
Zusammenhang mit der Zerstörung von Ökosystemen durch industrielle
Landwirtschaft oder wenig nachhaltige Baumplantagen. Auf diese Weise
vergrößert die Konzentration von Land in den Händen weniger Unternehmen die
wachsende Zahl derer, die an Hunger leiden.
## Geschäftsstrategie großer Konzerne
Eines dieser Unternehmen ist Blue Carbon – laut der Studie der größte
Landeigentümer weltweit. Allein in Simbabwe erwarb Blue Carbon 7,5
Millionen Hektar Land, was etwa 20 Prozent des nationalen Territoriums
entspricht. Auf der Fläche will der von Scheich Ahmed Dalmook Al Amktourn
in Dubai gegründete Konzern Projekte zur CO2-Kompensation entwickeln.
Durch Wiederaufforstung und eine Verbesserung von Anbaumethoden sollen
klimaschädliche Emissionen gebunden werden. Allein: Blue Carbon habe
keinerlei Expertise in der Entwicklung landwirtschaftlicher Projekte oder
der Bewirtschaftung von Wäldern, sagt Saskia Ozinga von der
Umweltorganisation Fern. Denn das Geschäftsmodell von Blue Carbon ist ein
anderes. Es handelt mit CO2 Zertifikaten, also mit Rechten zum Ausstoß von
Co2, die für beschriebene Ausgleichsmaßnahmen vergeben werden. Sie
ermöglichen es Unternehmen dann zum Beispiel, die gestiegene Ölproduktion
in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu kompensieren.
Studienautor Philipp Seufer von Fian sieht Projekte der Klimakompensation
durch Unternehmen wie Blue Carbon als Trendverstärker der Konzentration von
Land in den Händen weniger. Die neue Form des Landraubs sei die Anhäufung
großer Mengen Land zur CO2-Kompensation, sogenannte „carbon grabs“, zitiert
Seufer den früheren Direktor der Afrikanischen Entwicklungsbank, Akinwumi
Adesina. Häufig seien die Vertreibung indigener Gemeinschaften und
Kleinbäuerinnen die Folge.
Mit in der Verantwortung stehen auch erste europäische Konzerne. Joanna
Trimble, Referentin des TMG Think Tank for Sustainability, berichtete der
taz vom norwegischen Unternehmen Green Resources. Dessen
Kompensationsprojekte im ugandischen Central Forest Reserve führten zu
gewaltsamen Vertreibungen und Einschränkungen des Zugangs zu Land der
lokalen Bevölkerung.
## Biodiversität: Mehr Schaden als Nutzen
Zahlreiche Studien zeigen außerdem, dass Projekte zur marktbasierten
Kompensation von Emissionen in der Regel mit massiven Einbußen in der
Biodiversität und Schäden der Ökosysteme vor Ort einhergehen. Das wiederum
hat für kleinbäuerliche Betriebe häufig hohe Produktionsverluste zur Folge.
Dies treffe laut Trimble auch auf die Flächen zu, die der schwedische
Möbelkonzern Ikea seit 2021 in Neuseeland gekauft hat, um bis 2050 auf dem
Papier klimaneutral zu werden.
Und sogar kleinere Anleger waren bereits in den internationalen Handel mit
Boden involviert. Der Pensionsfonds der Ärzteversorgung Westphalen-Lippe
beteiligte sich bis 2022 an Landkäufen, die in Brasilien eine der
artenreichsten Regionen der Welt in riesige Monokulturen verwandelten.
Bekannt wurde dies erst durch die aktuelle Recherche von Fian.
Die Ärzteverwaltung erklärt der taz: „Investitionen in landwirtschaftlich
genutzte Flächen waren in der Vergangenheit vorteilhaft, weil sie einen
gewissen Inflationsschutz, eine geringe Korrelation zu Aktien- und
Rentenmärkten sowie stabile Erträge boten.“ Heute setze man vor allem auf
erneuerbare Energien oder digitale Netze.
## Besteuern und regulieren
Um ländliche Gemeinschaften und Kleinbäuerinnen vor internationaler
Bodenspekulation zu schützen, brauche es Mechanismen zum Ausgleich des
Machtgefälles, so Philipp Seufer. Er plädiert unter anderem für eine
progressive Besteuerung von Vermögen, das in Land angelegt ist. Das könne
die rasante Anhäufung von Land in den Händen weniger zumindest verlangsamen
und betroffenen Regionen finanzielle Spielräume verschaffen.
CO2-Zertifikate sind laut Seufer dagegen eher ein weiteres Instrument für
spekulative Investments und Greenwashing schädlicher
Treibhausgasemissionen. Die kürzlichen Vorstöße der EU zur verbesserten
Transparenz bei der Zertifizierung von CO2-Kompensationen findet Seufer
nicht ausreichend. Idealerweise bräuchte es ein institutionelles Forum,
angesiedelt zum Beispiel bei der FAO oder dem Welternährungsrat, das
nationale und internationale Maßnahmen in Bezug auf Land koordiniere.
5 Jun 2025
## LINKS
[1] https://www.fian.org/files/is/htdocs/wp11102127_GNIAANVR7U/www/files/Lords_…
## AUTOREN
Eva Kaiser
## TAGS
Kleinbauern
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