# taz.de -- Neuer Zürich-„Tatort“: Haarige Angelegenheiten auf verschieden… | |
> Ermittlungen im Friseur-Milieu sind mal was Neues. Der Schweizer Tatort | |
> behandelt die Sache ohne Haarspaltereien – nicht zuletzt geht es um | |
> Würde. | |
Bild: Szenenfoto mit Vanessa Tomasi (Elena Flury) aus dem Tatort „Rapunzel | |
Märchenhaft geht es in [1][„Rapunzel“, dem neuen „Tatort“ aus Zürich], | |
natürlich nicht zu. Es wird grauenhaft. Aber Märchen thematisieren ja oft | |
genug die Schattenseiten menschlichen Daseins – so gesehen passt der | |
Filmtitel dann doch. Es geht um Haare und einen Mord. | |
Vanessa Tomasi (Elena Flury) glaubt, dass sie verfolgt wird und erzählt das | |
ihrer Freundin Lynn (Elsa Langnäse), die in einem Club an der Bar arbeitet. | |
„Wir haben echt Scheiße gebaut“, sagt sie zur Freundin. Doch die winkt ab, | |
weiß doch keiner was. Dann tanzen sie und küssen sich. | |
Und Schnitt: In Großaufnahme ist zu sehen, wie jemand die Haare für eine | |
Perücke verknüpft. Es folgen die Szenen, in denen Vanessa niedergeschlagen | |
und in ein Taxi gezerrt wird. Sie kommt in einem Bunker auf dem Uetliberg | |
zu Bewusstsein, als ihr ein Teil der langen blonden Haare abgeschnitten | |
werden. Sie beißt dem Täter in die Hand und kann fliehen. Doch Vanessa wird | |
mit dem Auto verfolgt, erfasst, fällt – und landet in einer Baumkrone. | |
Verrenkt hängt die Leiche in der Luft, die noch vorhandenen Haare hängen | |
herab. Ein schwer erträgliches Bild. | |
Am nächsten Morgen stehen [2][die Kommissarinnen Isabelle Grandjean (Anna | |
Pieri Zuercher) und Tessa Ott (Carol Schuler)] zusammen mit Staatsanwältin | |
Wegenast (Rachel Braunschweig) vor der Toten. Allesamt tragen sie lange | |
Haare. Man kann ahnen, was sie in diesem Moment denken. | |
## Die verheimlichen doch alle was | |
Routiniert nimmt das eingespielte Duo – das hier ist ihr neunter Fall – die | |
Ermittlungen auf. Bei der Toten handelt es sich um die Tochter des | |
Star-Coiffeurs Marco Tomasi (Bruno Cathomas). Und der verhält sich seltsam, | |
als er vom Tod seiner Tochter erfährt. Sie sollte mal das Geschäft | |
übernehmen und deshalb eine Ausbildung in der Perückenmanufaktur von Aurora | |
Schneider (Stephanie Japp) absolvieren. Auch Schneider benimmt sich | |
merkwürdig, so wie Lynn, wenn die Kommissarinnen ihre Fragen stellen. Die | |
verheimlichen doch alle was. | |
Ein klassischer Whodunit-Krimi, aber das ist völlig okay. Die unerwartete | |
Geschichte ist gut von Regisseur Tobias Ineichen in Szene gesetzt, wirkt | |
nicht überladen und ist schlüssig erzählt (Buch: Andrial Illien, Headautor | |
der Serie „Davos 1917“). | |
Der Perückenmanufaktur wurde Menschenhaar gestohlen – ein Verlust von | |
100.000 Franken. Wir lernen, dass sich mit Haaren von höchster | |
Qualitätsstufe, die nie chemisch behandelt, also etwa gefärbt wurden, das | |
meiste Geld machen lässt. Die Ware stammt vor allem aus Indien von | |
rituellen Opferhandlungen, bei denen die Haare abgeschnitten werden. Die | |
Haare der Armen schmücken die Köpfe von Leuten, die es sich leisten können | |
– diese Absurdität ist ein lukratives Geschäft. Ins Visier gerät deshalb | |
ein Ehepaar, das mit Menschenhaar handelt. Das Business hat eine | |
ausbeuterische und rassistische Komponente. | |
Doch die Sache ist ambivalent: Mit einer Perücke kann man [3][„Würde | |
zurückgeben“,] sagt die Perückenmacherin. In einer Szene sieht Kommissarin | |
Grandjean ein Mädchen, das gerade eine Perücke anprobiert. Sie hat eine | |
Glatze, es ist ein krebskrankes Kind. Ein anderer Erzählstrang führt in die | |
Welt von orthodoxen Juden, deren Frauen Perücken tragen, weil sie ihr | |
echtes Haar nicht öffentlich zeigen dürfen. Diese Perücken werden aus | |
Echthaar gemacht, das besonders teuer ist, weil es keinesfalls aus | |
Opfergaben anderer Religionen stammen darf. Aus indischem Tempelhaar also | |
nicht. Andernfalls wäre Betrug im Spiel. | |
15 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.daserste.de/unterhaltung/krimi/tatort/sendung/rapunzel-254.html | |
[2] /Neuer-Schweizer-Tatort/!5959230 | |
[3] /Haare-und-Identitaet/!5846805 | |
## AUTOREN | |
Andreas Hergeth | |
## TAGS | |
Wochenendkrimi | |
Tatort Schweiz | |
Märchen | |
Social-Auswahl | |
TV-Krimi | |
Wochenendkrimi | |
Wochenendkrimi | |
Wochenendkrimi | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neuer „Polizeiruf“ aus Świecko: Ein Krimi wie ein Tag bei 35 Grad | |
Der Krimigucker ist gern auf falschen Fährten unterwegs. In „Spiel gegen | |
den Ball“ gib es davon so viele, dass sich die Restgeschichte verflüchtigt | |
Neuer „Polizeiruf 110“ aus München: Queerness nicht nur als Kulisse | |
Fünf Schüsse, Dragqueens und allerhand los in München: Ums Lebenlaufen | |
inbegriffen. Und warum sollen die reden, die immer nur Hass abbekommen? | |
Krimi-Serie „Signora Volpe“ im ZDF: Italiens Schönheit und britische Cleve… | |
Die zweite Staffel der britischen Krimi-Serie „Signora Volpe“ (ZDF, Sonntag | |
22 Uhr) punktet mit schöner italienischer Kulisse und spannender | |
Mörderjagd. | |
Schwarzwald-Tatort: Origineller Adrenalinkick | |
Ein verdächtiges, unberechenbares Paar und ein Mord ohne Motiv: das bietet | |
der neue „Tatort“. Erst versteht man nichts, dann plötzlich alles. |