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# taz.de -- Die Wahrheit: Der Mann fürs köstlich Rohe
> Wie tickt der neue Bundeslandwirtschaftsminister und Metzgermeister Alois
> Rainer privat? Ein Besuch in der bayerischen Heimat des CSU-Politikers.
Bild: Nicht abgebildet ist der Landwirtschaftsminister Alois Rainer, sondern ei…
Frühmorgens dampft der Dorfplatz in Haibach noch vom nächtlichen Regen.
Aber von der Metzgerei her weht bereits ein kräftiger Duft von Leberkäse
und Räucherspeck durch die klare Landluft. Hier, in der kleinen
niederbayerischen Gemeinde am Rande des großen Bayerischen Walds, liegt
neuerdings das Zentrum der Agrarpolitik Deutschlands. Hier lebt und wirkt
Alois Rainer: Metzger, Minister, Merz’ Mann fürs Rohe. An diesem Morgen
öffnet er seine Tür exklusiv für die Reporter der Wahrheit.
Schon beim Eintreffen am familieneigenen Schlachtbetrieb mit der
historischen Bierschwemme nebenan – einem trutzigen Bau aus Bruchstein,
Fassbrause und Tradition – wird klar: Hier herrschte nie ein grüner
Zeitgeist. Hier wurde seit jeher Fleisch nicht nur gegessen, sondern
gelebt. In der Auslage des Traditionsbetriebs glänzen gebratene Kalbshaxen
wie Goldklumpen im Schaufenster der Macht, daneben sorgfältig geschichtete
Aufschnittfladen und Tröge voller Bratwürste, eingerahmt von grob
gehobelten Brotzeitbretteln.
Der wahre Paukenschlag dieses Morgens erfolgt aber an der kuhhautgegerbten
Haustür. Denn Alois Rainer, 60, kürzlich ernannter
Bundeslandwirtschaftsminister, begrüßt uns in einem Hausanzug aus
semitransparentem Schweinedarm. Ein Aufzug, der selbst für uns
hartgesottene Reporter eine neue Dimension der Nähe bedeutet.
Der Anzug schmiegt sich an den Politiker wie die Pelle an die Weißwurst.
Jedes Detail der ministeriellen Physis – Sehnen, Adern, Muskeln – zeichnet
sich darunter ab: vom klar definierten Bizeps bis zum beneidenswert kleinen
Bauchansatz, den er scherzhaft „meine Wellfleischreserve“ nennt.
## Sinnliche Fleischeslust
„Des is koa Modedings“, sagt Rainer schmunzelnd, „des is textile
Landwirtschaft.“ Es ist ein Auftritt zwischen sinnlicher Fleischeslust und
bayerischer Selbstbehauptung. „Und er is halt nachhaltig“, lacht Rainer,
während er uns durch das knochengetäfelte Entree seines Familienhofs führt.
Das Wohnzimmer gleicht einem musealen Fleischtempel. Die Sofagarnitur ist
mit gedörrten Schweinelenden überzogen, die Lampenschirmchen bestehen aus
hauchdünnem Kalbsleder, auf dem Couchtisch thront ein Tablett mit
Mettsemmeln, dekoriert mit glasierten Zwiebeln.
„Des is mei liebsta Aufstrich: Feuerwehrmarmelade“, sagt Rainer, und man
glaubt ihm sofort: Dass für ihn Brot ohne ein Fleisch drauf schlicht nicht
existiert.
Neben ihm steht eine Frau, resolut und wachsam. Aber wer ist sie? Die
Ehefrau? Seine Schwester, die ehemalige Bundesministerin Gerda Hasselfeldt?
Sie möchte ihren Namen nicht in der Zeitung lesen.
„Ohne die Frau – da wär i a abgenagter Schlegel“, sagt Rainer trotzdem.
Seine Zuneigung zu ihr gehe durch den Fleischwolf. Regelmäßig überrasche
der passionierte Fleischparierer sie mit ganz persönlichen Veredelungen:
Entenlebernüsschen mit Nougatkern, Speckrosen auf Schokoladenboden oder –
wie erst vorige Woche – eine Herztorte aus Kalbsbries und kandiertem
Bauchspeck, serviert in einer Vanilleschwarte. Oder Kaninchenbrust mit
Pralinéfüllung, Wildschweinbäckchen auf Marzipanspiegel und, besonders
innig, seine legendäre Leberpastete in Herzform.
„I kenn ihren Geschmack und sie meinen“, sagt Rainer und schaut zu ihr. Die
Frau nickt. Kurz. Kräftig. „Solang’ der Ochsenschwanz heiß aufn Tisch
kommt, passt’s“, sagt sie trocken.
Nicht zu unterschätzen ist bekanntlich Rainers Ruf als Meister der
traditionellen Hausschlachtung – eine Kunst, die der studierte Entbeiner
nicht nur vollendet beherrscht, sondern regelrecht zelebriert. Und der
regelmäßig enge Parteifreunde beiwohnen dürfen.
So wie voriges Jahr, als „mein Ministerpräsident“ persönlich zu Alois
Rainers Schlachttag erschien. „Der Söda wollt halt mal ane echte
Schweinerei erleben“, erinnert sich Rainer, während er uns zu einem Schrank
führt, in dem die Schlachtbestecke feinsäuberlich einsortiert sind wie bei
anderen Familien das gute Sonntagsbesteck.
## Halbes Pfund Hirn
Allerdings: „Wir war’n grad beim Abstechen vom Sau-Michl – a
220-Kilo-Prachtpursche – da is der Maggus blass word’n. Und zack:
umg’fallen.“ Rainer hebt beide Hände zum Schwur. „Mitten in die Blutlach…
Hat’s a bissl dramatisch ausg’sehen, aber mei – i hab’s als gutes Zeich…
g’seh’n.“ Die Frau neben ihm ergänzt: „Ham ihm dann a halbes Pfund Hirn
mitgegeben – für später, zum Nachdenken.“ Der Scherz bleibt hängen. Ja, …
diesem Schlachthaus hat selbst der Humor immer einen Hauch von Metzgerei.
Jetzt als Landwirtschaftsminister fordert „der schwarze Metzger“ (Markus
Söder) für ganz Deutschland, was in Niederbayern nie anders war: die
Schnitzelpflicht in Kitas, Schulen, Kantinen. „Salat is gut für Kaninchen.
Aber mia san kane Sojabohnen.“ Künftig soll jede deutsche Mahlzeit eine
„verbindliche Fleischkomponente“ enthalten – ganz gleich ob
Hackfleischkrumen im grünen Salat oder Wurstsplitter im Joghurt. „Mir
geht’s ned drum, Veganer zu ärgern. Sollen’s daheim machen, hinter
verschlossenen Vorhängen. Aber i lass in Deutschland die Bluatwurst ned
verbieten.“
Der Besuch endet abrupt – mit einem ehestreitähnlichen Szenario. Die Frau,
aus der Küche rufend, mit fester Stimme: „Alois! Die Reste vom Frühstück!
Schau, dass des wegkommt – oder bist du etwa kan Verbandsrat mehr“, spielt
sie ganz offensichtlich auf Rainers langjährigen Führungsposten im
Plattlinger Zweckverband für Tierkörper- und Schlachtabfallbeseitigung an.
Der Minister zieht kleinlaut die Schultern ein, murmelt ein zerknirschtes
„Ja, i kumm glei“ und verschwindet mit einem Knochensäckchen Richtung
Küche.
Nein, Alois Rainer ist kein Mann für halbe Portionen, weder auf dem Teller
noch in der Politik. Fleisch ist für ihn Identität, Berufung, Familie und
Antwort auf fast alle politischen Fragen. Ob Deutschland bereit ist für den
Wurstkurs des gelernten Zerlegers? Wer weiß. Nur eines ist sicher: Solange
noch geschlachtet wird, liegt ein Duft von Zukunft in der Luft. In Haibach
riecht er nach gebratenem Speck. Und das sicher bald auch in ganz
Deutschland.
20 Jun 2025
## AUTOREN
Fritz Tietz
## TAGS
Landwirtschaftsministerium
CSU
Metzgerei
Kolumne Die Wahrheit
Autos
Donald Trump
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