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# taz.de -- Die Wahrheit: Vom korrekten Umgang mit dem Personal
> Ob beim Trinkgeldgeben oder bei Anrufen von Callcenter-Agenten – nicht
> mehr unwirsch zu reagieren, ist der neueste Trend im öffentlichen Leben.
Beim Chinesen neulich. Als mit der Rechnung auch der Glückskeks kam, fiel
mir dieser Beschwerde-Gag ein: „Herr Ober, in meinem Keks steckt ein
Zettel!“ Ließ ihn aber stecken. Also den Gag. Was auf dem Zettel stand?
Vergessen.
Als ich beim Zahlen auf dem Kartenlesegerät die Tipp-Optionen 10, 15 oder
20 Prozent sah, hätte ich um ein Haar (nein, es war keins in der Suppe)
gefragt: „Gehen auch 100?“ Was ich mir auch schon länger mal vorgenommen
habe: Die Bedienung nach dem Begleichen der Rechnung erneut an den Tisch
bitten, um ihr mitzuteilen: „Ich möchte dasselbe noch mal zahlen, bitte!“
Einfach so. Traute ich mich in echt natürlich noch nie.
Auch das werde ich mein Lebtag bestimmt nie wagen: Bei „Aktenzeichen XY …
ungelöst“ eine der eingeblendeten Nummern anrufen, um dem Fahnder am
anderen Ende der Leitung zu sagen: „Sorry, ich habe nichts gesehen und kann
auch sonst nichts zur Lösung des Falls beitragen.“
Was ich jedoch seit einiger Zeit tue: Ich reagiere nicht mehr so unwirsch,
wenn mich eine Callcenter-Agentin oder ein -Agent anruft, um mir einen
neuen Tarif, ein Abo oder eine Photovoltaikanlage zu verkaufen. Im
Gegenteil. Ich bin höflich, bedanke mich für das Angebot, frage nach, wenn
ich etwas auf Anhieb nicht verstanden habe. Auch wenn ich am Ende trotzdem
ablehne, bemühe ich mich, meine Entscheidung ehrlich zu begründen.
Ich meine dann manchmal ein gewisses Erstaunen und eine Art Erleichterung
bei den Anrufern zu spüren. So sie nicht allzu schnell auflegen müssen,
weil, wie man weiß, im Callcenter-Gewerbe kein Anruf länger als nötig
dauern darf, richten sie häufig auch an mich ein paar freundliche Worte.
Bevor sie aber wirklich Schluss machen müssen, frage ich ganz schnell noch,
von wo sie mich gerade anrufen. „Aus Gelsenkirchen,“ sagte neulich eine
Agentin, und da ich zufällig ein paar Wochen zuvor in Gelsenkirchen aus dem
Zug gestiegen war, kamen wir ins Gespräch. Ich lobte den auffallend
sauberen Bahnhof, die Grünanlagen im Innenstadtbereich, während sie schwer
von den Socken war: „Mit dem Rad von Gelsenkirchen nach Duisburg? Das würde
ich nie schaffen.“
Ein anderer rief mich aus Marl an. Von einem Besuch dort riet er mir aber
ab: „Zu viele Drogis!“ Ich sagte, die gäbe es doch überall, und fragte ih…
ob er gern im Callcenter arbeite. „Nein, ist nur vorübergehend, weil ich
meine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker abgebrochen habe. Mein Traum ist,
Polizist zu werden.“ So plauderten wir noch eine Weile sehr nett.
Und sonst so? Als mir nach dem tollen Erdbeermond neulich nach einem großen
Erdbeereis war, radelte ich zur Harburger Eismanufaktur „Eisbrecher“; die
sich längst in „Eismanufraktur“ hätte umbenennen müssen. Aber wem sag ich
das? Ganz bestimmt nicht der plietschen Eisverkäuferin, die das vermutlich
dauernd hört. Ich entschied mich dann doch für eine Kugel Salty Caramel.
8 Jul 2025
## AUTOREN
Fritz Tietz
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Personal
Kommunikation
Call Center
Landwirtschaftsministerium
Autos
Donald Trump
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