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# taz.de -- Die Wahrheit: Fackeln im Kilt
> Sogar tief in den schottischen Highlands bereitet man sich höchst
> sportlich auf den Klimawandel vor und wappnet sich gegen Brände aller
> Art.
Bild: Flieg, Baum, flieg weithin durch Schottlands Hochland
Im schottischen Inverness wird die Lage brenzlig. Als die bärige Gestalt im
Schottenrock zum Sprint ansetzt, lodert sie bereits lichterloh. Nach einem
Hechtsprung durch einen Traktorreifen landet die Versuchsperson als
menschliche Fackel vor unseren Füßen.
Testleiter Alastair McTavish ist sofort zur Stelle und löscht die Flammen
mit ein paar Sprühstößen aus dem Feuerlöscher. Nach kurzer Begutachtung des
Stuntman im völlig verbrutzelten Männerkleid ist schnell klar: Die Suche
nach einem feuerfesten Material für die Kilt-Produktion geht in die nächste
Runde. „Zumindest haben die Tartan-Liebestöter aus Teflon den Temperaturen
standgehalten“, kann McTavish dem Rückschlag doch noch etwas Positives
abgewinnen.
Der Klimatologe hat uns zu einer Führung durch das schottische „Global
Warming Adaption Centre“ (Glowac) eingeladen. Das Institut, dem der
43-Jährige als Direktor vorsteht, hat sich zum Ziel gesetzt, Schottland so
gut wie möglich auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten. Dazu greift
der sportbegeisterte Highlander vor allem auf die landestypische Tradition
der Highland Games zurück. Die Disziplinen der legendären
Schotten-Olympiade sollen in den Dienst des Brandschutzes gestellt werden.
Nach kurzem Fußweg erreichen wir mit McTavish die institutseigene
Sportstätte. Auf dem Rasen ziehen zwei Teams an einem einzigen Schlauch.
Falls es künftig mehrere Brände, aber nur ein Löschutensil geben sollte,
kann dieser Wettbewerb über den Einsatzort entscheiden. Gleichzeitig üben
sich ein gutes Dutzend Schotten auf abschüssigem Gelände im Hindernislauf
mit randvollen Wassereimern.
## Keine Stämme mehr
Geht es um die Zukunft der schottischen Traditionssportarten, macht sich
McTavish nichts vor. „Auch wenn wir in Schottland ambitionierte Klimaziele
verfolgen und bis 2045 komplett CO2-neutral sein wollen: Bei einer
Erderwärmung von 2,5 Grad plus X werden wir hier zum Durchführen des
berühmten Caber Tossing nicht mehr genug Baumstämme zum Herumwerfen haben.
Da heißt es, das Athletische mit dem Nützlichen verbinden und stattdessen
möglichst viele Schottinnen und Schotten zu Löschhelfern auszubilden.
Vorsicht!“
Im letzten Moment zerrt uns McTavish zur Seite, bevor uns eine riesige
Steinkugel, die im Ernstfall Schneisen ins Brandgebiet walzen soll,
überrollen kann. Ein bärtiger Highlander brüllt uns im Vorbeilaufen eine
Entschuldigung zu und hechelt dem Irrläufer atemlos hinterher.
Derweil führt uns McTavish ins Innere des Forschungszentrums. Zur
Mittagszeit betreten wir mit unserem Gastgeber das Lebensmittellabor der
Einrichtung. Dort erhitzt eine Chemikerin im weißen Kittel einen
voluminösen Glastopf. Der braungrüne Schleim im Gefäß blubbert und wirft
Blasen. McTavish deutet auf die pastöse Masse, der gerade Rosmarin,
Oregano und Knoblauch beigemengt werden. „Hier feilen wir seit Monaten an
einem Haggis mit dezent mediterraner Note. Unsere typisch schottische
Speise aus Lamm-Innereien soll leichter werden und den Körper bei starker
Hitze nicht zu sehr mit Verdauungsarbeit belasten. Da, probieren Sie mal!“
## Essen gegen den Wandel
McTavish klatscht uns ungefragt extragroße Portionen auf die Teller. Das
Ergebnis ist ernüchternd. Bereits nach dem ersten Löffel verlieren wir den
Kampf gegen den Brechreiz. Auch die knochentrockenen und krümelnden
Shortbread Fingers, deren Rückstände bei hoher Sonneneinstrahlung wie
Grillanzünder wirken, müssen klimatechnisch auf den Prüfstand. Als der
Versuchsleiter uns auffordert, das Nationalgebäck alternativ als
ungebackenen Mürbeteig herunterzuwürgen, lehnen wir dankend ab.
Am späten Nachmittag neigt sich unsere Führung durch das Glowac dem Ende
zu. McTavish möchte die Tour allen Weltuntergangsszenarien zum Trotz mit
einem Hauch von Optimismus beenden. Er zeigt uns ein Modell von Schottland,
auf dem es von den Orkney-Inseln bis in den Süden vor kleinen Windrädchen,
aber auch vor Kohlekraftwerken nur so wimmelt. „Bis 2030 wollen wir die
Leistung auf 20 Gigawatt verdoppeln“, posaunt der Visionär stolz heraus.
„Das Beste daran: Mit den schwenkbaren Windrädern können wir den giftigen
Kohlequalm problemlos nach England wedeln und unserem Wunsch nach einem
neuen Unabhängigkeitsreferendum Nachdruck verleihen.“
Zur Verabschiedung überreicht McTavish uns noch eine Gaskartusche mit
Whisky-Etikett. „Wegen des Wassermangels können wir den Fans unseres
Nationalgetränks bald nur noch das beliebte torfige Raucharoma zum
Inhalieren anbieten.“ Alastair McTavish lehnt sich komplizenhaft zu uns
herüber. „Natürlich in der Hoffnung, dass sie im Rest der überhitzten Welt
nicht selbst schon genug Rauch haben.“ Denn die Hoffnung stirbt ja
bekanntlich zuletzt. Aye!
18 Jun 2025
## AUTOREN
Patric Hemgesberg
## TAGS
Schottland
Sport
Die Wahrheit
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Humor
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