| # taz.de -- Die Wahrheit: April April, Scheiß-April! | |
| > Unterwegs mit dem offiziell fürs Pranken zuständigen Berliner | |
| > Frühjahrs-Kasper K. A. Schwindmeyer von der „Deutschen | |
| > Aprilscherz-Gesellschaft e. V.“. | |
| Bild: Die hochbetagte Mottenkiste, aus der alle Aprilscherze stammen | |
| Aus der kleinen Kapelle auf dem Berliner Magdalenen-Friedhof gellen | |
| Schreie. Der scheinbar vor einer Woche verstorbene Karl August Schwindmeyer | |
| stößt mitten in Mozarts „Ave verum“ den Sargdeckel auf und meldet sich mit | |
| einem krächzigen „April, April!“ lautstark im Diesseits zurück. Die | |
| Trauergemeinde brüllt entsetzt auf, doch ungerührt hüpft der pensionierte | |
| Lehrer aus seinem Behältnis und tänzelt mit ein paar Samba-Rasseln | |
| schäkernd durch die Reihen. Dann ballert er mit einer Konfettikanone in den | |
| Pulk und ruft mehrmals „April, April!“, sodass ihm der blanke Hass der | |
| Versammelten entgegenschlägt. | |
| Einen Vollsprint zum Parkplatz später sind wir mit Schwindmeyers schwarzem | |
| Leichenwagen vor einem motorisierten Angehörigen-Mob auf der Flucht. Damit | |
| er am Steuer überhaupt etwas sehen kann, müssen wir dem Ex-Studienrat | |
| sekündlich Lachtränen aus dem Bindehautsack wischen. | |
| Was kaum jemand weiß: Schwindmeyer, den wir heute bei seinem clownesken | |
| Tagewerk begleiten dürfen, ist seit wenigen Wochen Vorsitzender der | |
| „Deutschen Aprilscherz-Gesellschaft e. V.“. Dass der Possenreißer vom | |
| Dienst nicht mal davor zurückschreckt, die eigene Familie zu pranken, | |
| möchte er im Hinblick auf seine erste Amtszeit eher als Commitment | |
| verstanden wissen. | |
| „Anders als bei unseren Narrenkollegen im rheinischen Karneval haben wir | |
| von der DASG bloß einen einzigen Tag, um den gepflegten Dampfhammerwitz | |
| aus der Mottenkiste zu holen. Da ist Mitleid ein Luxus, den wir uns auf | |
| keinen Fall erlauben können. Festhalten!“ | |
| ## Angst vor Blutrache | |
| Schwindmeyer reißt in bester Actionfilm-Manier das Lenkrad herum und biegt | |
| mit quietschenden Reifen in einen rumpeligen Forstweg ab. Das | |
| halsbrecherische Manöver zeigt Wirkung. Weil der familiäre Autokorso | |
| vorbeirast, ohne uns zu bemerken, können wir die frische Waldluft erst | |
| einmal ohne Angst vor Blutrache genießen. | |
| Kurz darauf in Berlin-Charlottenburg. Die Hoffnung, Schwindmeyer würde uns | |
| nach der Weiterfahrt in die Hauptstadt ein Bier im Wirtshaus Diener | |
| Tattersall spendieren, ist leider ein Trugschluss. Denn dem Witz-Suchti | |
| geht es auch hier wieder bloß um seinen nächsten Kick. Dass er sich dazu | |
| prominente Expertise geholt hat, wundert uns im politischen Berlin | |
| allerdings kaum. | |
| Als wir den Schankraum betreten, sitzt Gregor Gysi schon mit einem frisch | |
| aufgefüllten Schwenkglas am Tisch. Wir staunen nicht schlecht, als wir | |
| darunter Markus Söder und seine Entourage aus Personenschützern bewusstlos | |
| inmitten leerer Weinflaschen entdecken. Schwindmeyer bedankt sich noch beim | |
| linken Silberrücken für die liebevolle Betreuung der Delegation aus | |
| München. Dann tragen wir den im Rausch schmatzenden Ministerpräsidenten zum | |
| Auto und hieven ihn mit Elan auf die Ladefläche. | |
| Dass man den CSU-Chef gleich mit persönlich unterschriebener | |
| Grünen-Mitgliedskarte am Revers und einem veganen Weißwurst-Zipfel im Mund | |
| auf Anton Hofreiters Couch vorfinden wird, ist laut Schwindmeyer längst | |
| ausgemacht. Um Söders Ruf in Bayern nicht vollständig zu ruinieren, werde | |
| man die Angelegenheit selbstverständlich noch am Abend des 1. April als | |
| harmlosen Aprilscherz aufklären. Aber wie der rastlose Ruheständler uns | |
| augenzwinkernd zu verstehen gibt: „Wahrscheinlich erst im Jahr nach der | |
| nächsten Landtagswahl.“ | |
| ## Atemlose Hatz | |
| Im Anschluss an unseren Stopp bei den Hofreiters geht die atemlose | |
| Frühjahrshatz sofort weiter. Solange noch etwas vom Tag übrig ist, möchte | |
| Schwindmeyer unbedingt den künftigen Bundeskanzler in den April schicken. | |
| „Ich würde es mir nie verzeihen, wenn das lange Elend nächstes Jahr nicht | |
| mehr im Amt ist!“, gackert der infantile Senior und drückt dann mächtig | |
| aufs Gaspedal. | |
| Da Friedrich Merz sich derzeit auf Heimaturlaub im fernen Brilon befindet, | |
| lenkt Schwindmeyer unsere Friedhofs-Limousine spontan auf die Autobahn. Den | |
| Aufruf per Funk an alle 10.000 DGVA-Vereinsmitglieder im Bundesgebiet, ihre | |
| bisherigen Albernheiten sofort einzustellen und für eine „konzertierte | |
| Scherz-Aktion“ ins Sauerland zu kommen, schickt der Chef-Spötter gleich | |
| mehrfach durch den Äther. | |
| Dann der Schock. Als wir darum bitten, vor der 460 Kilometer langen Strecke | |
| noch mal eben auf die Toilette zu dürfen, reicht der Flegel-Funktionär uns | |
| vollkommen humorlos eine viel zu kleine PET-Flasche herüber. Auf ein | |
| „April, April!“ warten wir dieses Mal leider vergeblich. | |
| 1 Apr 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Patric Hemgesberg | |
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