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# taz.de -- Die Wahrheit: Gruppentherapie auf Feuerstühlen
> Die „Kraftradgruppe Frohsinn“ besteht aus Satirikern und Humoristen und
> lässt bei ihren Ausritten konfrontationstherapeutisch die Motoren
> aufheulen.
Meine Psychotherapeutin ist eine 40-jährige Italienerin, die mir der große
Dietmar Wischmeyer einmal empfohlen und generös überlassen hat. Sie hat
ihre Schrullen, ist launisch, kann laut werden und trinkt ein bisschen zu
viel. Trotzdem bin ich ihr völlig verfallen. Weil nur sie mir gibt, was mir
nur eine Moto Guzzi geben kann.
Einmal im Jahr schleift sie mich zur Gemeinschaftstherapie mit der
„Kraftradgruppe Frohsinn“ – dort merke ich immer, dass ich mit meinen
Gemütskrankheiten nicht allein bin. Man darf sich diese Gruppe als
Sitzkreis neurotischer Greise vorstellen. Mit dem Unterschied, dass die
sabbernden Problemfälle nicht auf Klappstühlen im Kreis, sondern einzeln
auf ihren Motorrädern sitzen und hintereinander herfahren – oft gezielt
irgendwo hin, wo’s schön ist.
Diesmal ging es in die Oberpfalz an der Pegnitz und nach Hinterfranken an
der Regnitz. Regelmäßig wurde abgestiegen und ausgetreten, Rokoko
besichtigt, Benzin nachgefüllt, Trinkgeld gegeben oder polternd einer
dieser „Witze“ gemacht, mit denen die Mitglieder der Gruppe – Satiriker,
Karikaturisten und ein Mitläufer – ihren kargen Lebensunterhalt bestreiten.
Das war exakt so peinlich, wie es klingt. Wie üblich galt es, dieses Gefühl
auszuhalten.
Und zwar gemeinsam, wie auch immer wieder gemeinsam die peinliche Harley
des großen Oliver Maria Schmitt angeschoben werden musste, während der
große Til Mette an seiner verbauten Triumph lehnte und das geriatrische
Gehampel fotografierte, um es mit kaltem Lächeln auf Instagram dem Gespött
der Massen preiszugeben.
Begegnungen mit Großkünstlern dienten einem konfrontationstherapeutischen
Ansatz. Sie sollten uns lehren, die eigene biografische Nichtswürdigkeit zu
akzeptieren. Genannt sei hier aus Platzgründen nur der große Wunderkoch
Jörn Kabisch, der uns in seinem Gasthaus zum Schwan in Castell am
Steigerwald mit ausgesuchten Perlen seiner gastronomischen Fertigkeiten
überrumpelte. Unter freiem Firmament gab’s fermentierten Spargel,
fermentierten Fisch und allerlei andere fermentierte Frechheiten mehr.
Spät in der Nacht gab der große Andreas Eucker, wie es Rollerfahrer
traditionell tun, noch ein berührendes Maultrommelkonzert, das sogar einen
großen Zyniker wie Kai Fleming (Royal Enfield) zu Tränen rührte. Den großen
Eggs Gildo (Künstlername) aus Erfurt und Tabernas (Andalusien) hatte da
bereits der Schlaf des Selbstgerechten übermannt.
Im Amberg endlich ein Treffen mit Regina und Eckhard Henscheid, dem großen
Schriftsteller und begnadeten Stilisten. Im Alter, klagte der einst
gefürchtete Scharfrichter, sei er leider „dumm“ geworden. Unseren
bestürzten Einwand, er meine wohl eher „milde“, wischte er nach kurzer
Bedenkzeit sanft beiseite: „Dummheit und Milde trennt nur eine sehr feine
Grenze, der ich nicht trauen würde“.
30 May 2025
## AUTOREN
Arno Frank
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Therapie
Motorrad
Satire
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