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# taz.de -- Die Wahrheit: Finger ab, Finger im Mund
> Wenn der Schornsteinfeger von seiner wilden Jugend mit Klimmzügen,
> Tatütata und Blaulicht erzählt, bleibt kein Auge des Betrachters
> blutleer.
Meinem allzeit vergnügten Schornsteinfeger fehlt an der rechten Hand der
Ringfinger. Nachdem ich mich erkundigt hatte, wie’s denn dazu kam, erzählte
er mir die folgende Geschichte. Nach meinen Recherchen hat sie sich exakt
so zugetragen. Ich werde versuchen, sie möglichst originalgetreu zu
paraphrasieren.
Also, der Finger. Wie kam’s denn dazu? „Verrückte Story, müsste jetzt sch…
20 Jahre her sein, da wollten meine Kumpels und ich, also die ganze Clique
von früher, wir kannten uns alle aus der Schule und wollten halt mal wieder
richtig einen draufmachen. Sogar der Steven war dabei, das hat mich
besonders gefreut, ein Schrank von Typ, aber herzensgut, war gerade aus
Afghanistan zurück, wo er richtig was erlebt hat, ganz klar.
Wir also runter nach Frankenthal in die Kneipe vom Eddie, und dann gib ihm,
hoch die Tassen! Danach, es war schon spät, wollten wir noch um die Häuser
ziehen und sind wieder raus auf die Straße. Nebenan war da noch die
Volksbank, gleich gegenüber vom Rex, das ist das Kino dort, und diese
Scheißvolksbank hatte der Architekt schlecht geplant, ganz klar, weil das
Erdgeschoss zu niedrig war.
Damit da niemand einfach hochklettern konnte, lief da so ein Rohr aus
Aluminium die ganze Fassade längs. Und da bin ich halt hochgehüpft und
wollte einen Klimmzug machen. Das sind so Ideen, auf die man mit besoffenem
Kopf kommt. Ganz klar. Na ja. Hätte ich mal besser nicht gemacht. Weil, und
das konnte ich nicht sehen, dieses Rohr oben so Zacken hatte.
Dort bin ich mit meinem Verlobungsring hängengeblieben, da hat’s mir den
Finger einfach abgezwackt. Ich natürlich gebrüllt wie am Spieß, dass der
Eddie aus der Kneipe kam, und als er das ganze Blut gesehen hat, ist er
rückwärts ins Schaufenster vom Elektroladen gefallen.
Inzwischen hatte der Steven meinen Finger gefunden und wusste, was zu tun
war. Hat ihn einfach in den Mund gesteckt, so macht man das. In dem Moment
kommen die Leute aus dem Kino, sehen uns Typen, Scherben, Geschrei, das
ganze Blut, und geraten ganz klar in Panik. Dachten wohl, da ist gerade
eine Messerstecherei im Gange, und rufen die Polizei, Tatütata und
Blaulicht, volles Programm. Gar nicht so leicht, denen den Aufruhr zu
erklären.
Irgendwann fragt ein Bulle in die Runde, wo denn der Finger hin ist. Da
baut sich der Steven vor ihm auf, nimmt den blutigen Stummel aus dem Mund
und sagt, hier isser, hab darauf aufgepasst. Worauf der Bulle rückwärts
umkippt, ganz klar, ohnmächtig, und sofort die ganze Einsatzgruppe auf den
Steven losgeht, mit Schlagstöcken und pipapo. Dachten wohl, der hätte ihren
Kollegen ausgeknockt, mit nem Kopfstoß oder so.
Tja, und da war die Kacke dann erst so richtig am Dampfen. Stand sogar in
der Zeitung damals, Massenschlägerei. Der Finger war danach nicht mehr zu
retten. Aber das war’s wert, ganz klar!“
25 Jul 2025
## AUTOREN
Arno Frank
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Jugend
Alkohol
Polizei
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