| # taz.de -- Direkte Demokratie in Hamburg: Richtige Klage an falscher Stelle | |
| > Die Hamburger Anti-Gender-Volksinitiative klagt gegen Senat und | |
| > Bürgerschaft. Um ihre Argumente ging es vorm Verfassungsgericht am | |
| > Freitag aber kaum. | |
| Bild: Wollten im vergangenen Jahr während des Volksbegehrens nicht genug Mensc… | |
| Hamburg taz | Dass die Hamburger Anti-Gender-Volksinitiative im vergangenen | |
| Jahr gescheitert ist, kann man aus inhaltlichen Gründen gut finden. In der | |
| dreiwöchigen Sammelphase im Sommer 2024 [1][hatte sie nicht die nötige | |
| Anzahl von Unterschriften zusammenbekommen – rund 55.000 statt der | |
| benötigten 66.000 waren es.] | |
| Doch die Klage der Initiative gegen den Hamburger Senat und die | |
| Bürgerschaft vor dem Landesverfassungsgericht, über die am Freitag | |
| verhandelt wurde, betrifft nicht nur die Ziele dieser Initiative, sondern | |
| potenziell auch progressive direktdemokratische Hamburger | |
| Aktivist:innen und Bürger:innen. | |
| Haben Senat und Bürgerschaft absichtlich dafür gesorgt, die Sammelphase in | |
| die Hamburger Sommerferien zu legen, um der Initiative das Erreichen ihres | |
| Ziels zu erschweren? Warum gibt es für Bürger:innen keine Möglichkeit, | |
| mit einem Online-Tool eine Unterschrift unter die Anliegen von | |
| Volksinitiativen zu setzen? | |
| Informiert der Senat ausreichend darüber, dass er gerade eine Sammelphase | |
| durchführt? Warum verschickt er dafür vorab keine Briefe an die | |
| Wahlberechtigten? Müssten nicht mehr und viel offensichtlicher Wahlstellen | |
| während dieser Zeit in öffentlichen Gebäuden vorhanden sein? | |
| ## Senat und Bürgerschaft sollen Schuld haben | |
| Zwar gibt es Anfang Oktober dieses Jahres [2][gleich zwei Volksentscheide, | |
| über die die Hamburger:innen abstimmen können.] Sowohl der „Hamburger | |
| Zukunftsentscheid“ als auch die Volksinitiative, die ein Bedingungsloses | |
| Grundeinkommen in Hamburg testen lassen will, hatten auf dem Weg dorthin in | |
| der ersten Sammelphase die notwendigen 10.000 Unterschriften erfolgreich | |
| gesammelt und auch die zweite Stufe, das Volksbegehren, erreicht. | |
| Doch selbst wenn Volksinitiativen nicht vom Verfassungsgericht gestoppt | |
| wurden, weil ihre Ziele nicht verfassungskonform waren, [3][scheiterten in | |
| den vergangenen Jahren die meisten Initiativen an dieser Schwelle] – wie | |
| auch die Anti-Gender-Initiative. | |
| Sie sieht die Schuld dafür beim Senat und bei der Bürgerschaft und hat vor | |
| dem Hamburgischen Verfassungsgericht beantragt, festzustellen, dass das | |
| Volksbegehren doch erfolgreich zustande gekommen ist. Die Initiative solle | |
| somit die Möglichkeit erhalten, noch einmal weitersammeln zu dürfen. | |
| Dies solle der Senat angemessener als zuvor durchführen, durch eine bessere | |
| Informationspolitik oder die Bereitstellung eines Online-Tools. Dann, so | |
| die Hoffnung der Aktivist:innen, könnten die wahlberechtigten | |
| Hamburger:innen in einem Volksentscheid dafür stimmen, der Hamburger | |
| Verwaltung und den Bildungseinrichtungen das Gendern zu verbieten. | |
| ## Sind die Klagen zulässig? | |
| Inwiefern Senat und Bürgerschaft die im Gesetz vorgegebenen Pflichten | |
| verletzen und welche Forderungen die Behörden künftig erfüllen sollen, um | |
| die direktdemokratischen Verfahren angemessen durchzuführen, darüber wollte | |
| die Initiative bei der Verhandlung am Freitag mit dem Verfassungsgericht in | |
| den Austausch kommen. Doch darum ging es kaum. | |
| Mehr als einmal ließ Birgit Voßkühler, die Vorsitzende des Gerichts, | |
| durchblicken, dass das, was die Volksinitiative mit ihrer Klage | |
| beabsichtigt, so nicht möglich ist. „Haben wir die Anträge falsch | |
| gestellt?“, entgegnete eine der Vertrauenspersonen der Initiative entsetzt | |
| während dieser Andeutungen. | |
| Es gibt bereits Zweifel an der Zulässigkeit der Klagen, etwa daran, ob die | |
| Volksinitiative im Sinne eines Organstreitverfahrens klageberechtigt ist. | |
| Zudem stellt sich die Frage, ob das Verfassungsgericht der richtige | |
| Adressat der Klage ist. Müsste die Initiative nicht vor dem | |
| Verwaltungsgericht klagen, wenn ihr konkretes behördliches Handeln als | |
| rechtswidrig erscheint? | |
| Es ist also gut möglich, dass das Verfassungsgericht kaum einen der | |
| inhaltlichen Punkte in seine Entscheidung einfließen lassen wird – und | |
| damit auch kaum zusätzliche Klarstellungen für künftige Volksinitiativen | |
| liefern wird. | |
| Senat und Bürgerschaft sind ohnehin der Ansicht, dass alles mit rechten | |
| Dingen abgelaufen ist. „Wenn man das rechtliche Konstrukt nach Ihrer | |
| Vorstellung ändern will, dann muss man da gesetzlich ran“, sagte etwa der | |
| Senatbevollmächtigte Jan Pörksen (SPD) mit Blick auf die klagende | |
| Volksinitiative. Was die Volksinitiative fordert, steht so bislang nun mal | |
| nicht in den gesetzlichen Vorgaben, was vielleicht verständlich ist. Dafür | |
| können weder Senat noch Bürgerschaft herangezogen werden. | |
| Seine Entscheidung will das Gericht am 4. Juli bekannt geben. | |
| 9 Jun 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| André Zuschlag | |
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