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# taz.de -- Prozessauftakt Solingen-Attentat: Angeklagter spricht sich selbst s…
> Der mutmaßliche Täter Issa Al H. bekennt sich am ersten Prozesstag für
> schuldig. Der IS habe den 27-Jährigen indoktriniert, sagt ein Gutachter.
Bild: „Schwere Schuld auf mich geladen“: Der Angeklagte Issa Al H. im Oberl…
Düsseldorf taz | „Ich habe schwere Schuld auf mich geladen. Ich erwarte und
verdiene die lebenslange Freiheitsstrafe.“ Das sind die zentralen Sätze,
mit denen sich Issa Al H. schon am ersten Prozesstag zum Messerattentat
von Solingen bekennt. [1][Am 23. August 2024 wurden bei dem Attentat drei
Menschen erstochen], acht weitere zum Teil schwerst verletzt.
„Ich habe Unschuldige getötet, nicht Ungläubige“, heißt es in der
Eröffnungserklärung, die Al H. von seinem Karlsruher Pflichtverteidiger
Daniel Sprafke verlesen lässt. Fast zerreißt sie die Stille, die am
Dienstagmittag im Hochsicherheitsbau des Düsseldorfer Oberlandesgerichts
herrscht.
Issa Al H., das ist der Mann, der als Kämpfer der Terrororganisation
Islamischer Staat (IS) ausgerechnet beim „Festival der Vielfalt“ zum
650-jährigen Jubiläum der Stadt Solingen offenbar wahllos Menschen
angegriffen haben soll. Möglichst viele habe er töten wollen, hat ihm
Bundesanwalt Jochen Weingarten als Vertreter von Generalbundesanwalt Jens
Rommel wenige Minuten vor seinem Geständnis vorgehalten. „Spätestens Ende
2019“ habe der heute 27-Jährige begonnen, die Ideologie des IS zu
verinnerlichen und eine „islamistisch-dschihadistische Überzeugung“
entwickelt.
Wohl auch als Reaktion auf das Vorgehen der israelischen Armee im
Gazastreifen nach dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 habe sich
Al H. zum Mord entschlossen, erklärt Bundesanwalt Weingarten. Nur wenige
Stunden vor der Tat habe er einem IS-Kontaktmann ein selbst aufgenommenes
Video geschickt, in dem er einen Treueschwur auf den sogenannten Kalifen
der Terrororganisation, Abū Hafs al-Hāshimī al-Qurashī, abgelegt habe.
Danach habe Issa Al H. an diesem Freitagabend ab 21.33 Uhr vor einer der
Bühnen auf dem zentralen Solinger Fronhof „schnelle, zügige Angriffe“
ausgeführt, so Weingarten – durch das „Einstechen auf die Halsregion der
Opfer“. Gerufen haben soll er dabei „allahu akbar“ – also „Gott ist g…
Tatwaffe war offenbar ein „Tranchiermesser mit einer 15 Zentimeter langen
Klinge“.
Erstmals seit dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in
Berlin 2016 bekannte sich der IS am 24. August 2024 wieder zu einem
Terroranschlag in Deutschland. Die Ampel-Bundesregierung von Ex-Kanzler
Olaf Scholz (SPD) und die amtierende schwarz-grüne Landesregierung von
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) reagierten mit
umfassenden „Sicherheitspaketen“: [2][Das Asyl-, Aufenthalts- und
Waffenrecht wurden verschärft]. Es soll, wie auch vom damaligen
CDU-Oppositionsführer und jetzigem Bundeskanzler Friedrich Merz gefordert,
schneller abgeschoben werden. Erreichen will man das nicht nur durch
zügigere Asylverfahren, sondern auch durch den Bau eines zweiten
Abschiebegefängnisses in NRW.
Im dortigen Landtag beschäftigt das Solinger Attentat längst einen
Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Von den schwarz-grünen
Regierungsfraktionen selbst eingesetzt, soll er dem Eindruck
entgegentreten, besonders die der grünen Integrationsministerin Josefine
Paul unterstehenden Zentralen Ausländerbehörden hätten im Fall des aus dem
zentralsyrischen Deir al-Sor stammenden Issa Al H. versagt.
Denn der war am ersten Weihnachtsfeiertag 2022 über die Türkei und
Bulgarien nach Deutschland eingereist – und hätte als sogenannter
Dublin-Fall schon am 5. Juni 2023 wieder Richtung Balkan zurückgeschoben
werden sollen. Dort hatte er zum ersten Mal das Gebiet der Europäischen
Union betreten. Ein Flug war schon gebucht. Doch Mitarbeiter der Zentralen
Ausländerbehörde Bielefeld konnten ihn nicht finden – und Al H. erhielt
nach dem gescheiterten Abschiebeversuch in Deutschland subsidiären Schutz,
weil der nächste mögliche Flug nicht mehr innerhalb der Frist für eine
Abschiebung lag.
## Folgen für den Ausgang der Bundestagswahl
Ob Issa Al H. überhaupt ahnt, welche Folgen der Anschlag in Solingen auf
die Migrationsdebatte in Deutschland und damit auf den Ausgang der
Bundestagswahl hatte, kann der erste Prozesstag in Düsseldorf freilich
nicht beantworten. Bekleidet mit einem blauen Sweatshirt, sitzt er mit
dauerhaft gesenktem Kopf, die Stirn scheint fast die Tischplatte zu
berühren, auf der Anklagebank. Warum das so sei, fragt der Vorsitzende
Richter Winfried van der Grinten ihn. „Ich fühle mich halt schuldig – und
werde doch so respektvoll behandelt“, antwortet der Angeklagte.
Ob das mehr ist als eine bloße Verteidigungsstrategie, sollen die 21
weiteren Prozesstage zeigen, die der Richter bis zum 24. September
angesetzt hat. Schon gegenüber dem forensischen Psychiater Johannes Fuß von
der Universität Duisburg-Essen, der ihn zweimal untersuchte, stellte sich
Issa Al H. als eher wenig religiöser Mensch dar, dem von seinem
IS-Kontaktmann das Gehirn gewaschen worden sei. „Warum ist das passiert“,
fragt Richter van der Grinten deshalb: Das sei die Frage, die der Prozess
klären müsse – und die könne „nur der Angeklagte beantworten“. Issa Al…
drohen im Falle einer Verurteilung lebenslange Haft mit anschließender
Sicherungsverwahrung.
27 May 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Solingen
Asylrecht
„Islamischer Staat“ (IS)
Waffenrecht
Abschiebung
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