# taz.de -- Ausstellung des Literaturmuseums Charkiw: Im Verborgenen weiterleben | |
> Eine Wanderausstellung aus Charkiw zeigt derzeit in Berlin die Folgen des | |
> russischen Imperialismus auf die ukrainische Literatur. | |
Bild: Schautafeln erzählen die Geschichte der ukrainischen Literatur in Bruchs… | |
Das Arrangement, das seit Mittwoch das Foyer des Hauptgebäudes der | |
Humboldt-Universität einnimmt, ist schlicht. Ein halbes Dutzend wie | |
Paravents gefaltete Aufsteller füllen eine Hälfte der Empfangshalle aus. | |
In breiten aufgedruckten Lettern erzählen sie eine Geschichte, die sich in | |
großen Teilen nur bruchstückhaft rekonstruieren lässt: die Geschichte der | |
[1][ukrainischen Literatur]. | |
„Antitext“ ist der Titel der [2][Wanderausstellung des Literaturmuseums | |
Charkiw], die derzeit in Berlin gastiert. Im Fokus steht ein Thema, dessen | |
Aktualität an nichts eingebüßt hat: die Selbstbehauptung gegenüber | |
Russland. | |
Nach einer kurzen Blüte ukrainischer Kunst in der frühen Sowjetunion fiel | |
ab den späten 1920er Jahren die eigene Kulturszene der stalinistischen | |
Säuberung zum Opfer. Viele Kulturschaffende wurden ermordet, verhungerten | |
im Holodomor oder im Gulag. Auf Ukrainisch spricht man auch von der | |
„Hingerichteten Renaissance“. Der Antitext beschreibt in diesem | |
Zusammenhang all das, was verborgen bleibt – entweder weil es im Zuge der | |
Zensur vernichtet wurde, oder weil es vor der Zerstörung gerettet werden | |
konnte. | |
Fallbeispiele von Werken und Autor*innen | |
Die Schau mischt die historische Aufarbeitung dieser leidvollen Historie | |
mit Fallbeispielen von Werken und Autor*innen, die dieser Tilgung zum Opfer | |
fielen. So zum Beispiel der Dramatiker Mykola Kulisch und der | |
Novellenschreiber Hryhorij Kosynka. Beide wurden 1934 verhaftet und ihre | |
Manuskripte beschlagnahmt. Bis heute gelten sie als verschollen. | |
Um diesen Verlust deutlich zu machen, zeigt „Antitext“ keine Werke, sondern | |
die Geschichten, die zu ihrem Verschwinden führten – und lässt die so | |
entstandenen Lücken für sich sprechen. Ins Auge stechen dabei immer wieder | |
einzelne ukrainische Worte in roter Farbe wie „Widerstand“, „Wille“ oder | |
„Gedächtnis“, die wie Graffitis fast schon trotzig die Ausstellungstexte | |
durchlöchern. | |
Das Literaturmuseum Charkiw wurde 1988 gegründet, um sich gegen die | |
kulturellen Repressionen der Sowjetunion zu wehren. Zu Beginn des | |
russischen Überfalls auf die Ukraine musste die Sammlung einst verbotener | |
Texte erneut in den Untergrund wandern, um sie vor der Bombardierung der | |
Stadt zu retten. In Berlin ist die „Antitext“-Ausstellung noch bis zum | |
fünften Juni zu sehen, danach wandert sie nach Leipzig. | |
26 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Alexander Kloß | |
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