# taz.de -- SPD-Vorstand: Neuer Nebenjob für die Arbeitsministerin | |
> Die SPD stellt ihr Spitzenpersonal vor. Mit Bärbel Bas übernimmt eine | |
> weitere Ministerin den Co-Parteivorsitz, Generalsekretär soll ein Linker | |
> werden. | |
Berlin taz | Die Trennung von Amt und Mandat wird bei der SPD in dieser | |
Legislaturperiode konsequent abgeschafft. Zwei der wichtigsten | |
Minister:innen der schwarz-roten Regierung sollen die Partei auf | |
Vorschlag der Parteigremien auch als Doppelspitze führen: Lars Klingbeil | |
und Bärbel Bas. Als neuen Generalsekretär haben Präsidium und | |
Parteivorstand am Montag den knapp 34-jährigen [1][Tim Klüssendorf] | |
vorgeschlagen, der das Amt ab sofort kommissarisch übernimmt. Gewählt wird | |
erst auf dem Bundesparteitag im Juni. Alle drei präsentierten sich am | |
Montag aber schon mal in einer kurzen Vorstellungsrunde in der Berliner | |
Parteizentrale. | |
[2][Saskia Esken], die seit 2019 die Partei geführt hatte, verabschiedete | |
sich bei dieser Gelegenheit mit den Worten: „Es war mir eine große Freude, | |
eine große Ehre.“ Sie sei sehr dankbar, dass Bas bereit sei, diese Aufgabe | |
zu übernehmen. Sollte der Parteitag dem Vorschlag zustimmen, „dann weiß ich | |
die SPD und meine Aufgabe in allerbesten Händen“. Esken hatte bis zuletzt | |
um ein Regierungsamt gekämpft, vergeblich. Am Sonntagabend gab sie in der | |
ARD bekannt, auch nicht mehr als Parteivorsitzende zu kandidieren. Der taz | |
sagte sie: „Ich bin sehr im Reinen mit mir.“ | |
Es sei immer selbstverständlich gewesen, die Doppelspitze beizubehalten, | |
trat der neue SPD-Supermann Klingbeil anders lautenden Gerüchten entgegen | |
und warb für Bas als „starke Ministerin, starke Nordrhein-Westfälin, starke | |
Frau“. | |
Tatsächlich war es nicht einfach gewesen, eine Frau für die SPD-Spitze zu | |
finden, die Klingbeils Machtfülle und Ehrgeiz auf Augenhöhe austarieren | |
kann. Ministerpräsident:innen wie Manuela Schwesig und Anke | |
Rehlinger hatten früh abgewinkt. | |
Bas, die in der letzten Legislatur Bundestagspräsidentin war, legte am | |
Montag offen, sie habe sich nach vielen Gesprächen entschieden, der Partei | |
das Angebot zu machen, als Co-Vorsitzende zu kandidieren. „Es ist mir nicht | |
ganz leicht gefallen.“ Die Aufgabe sei „historisch“, man stehe derzeit bei | |
16,4 Prozent. Die Partei neu aufzustellen, werde nicht leicht. „Aber wenn’s | |
leicht wäre, könnten es auch andere machen.“ Eine Bedingung für ihre | |
Kandidatur war dem Vernehmen nach, dass es keine Gegenkandidatinnen gebe, | |
auf eine Kampfkandidatur habe sich Bas keinesfalls einlassen wollen. | |
## Langzeiarbeitlose in die Mangel nehmen | |
Die 57-Jährige passt einerseits perfekt für den Posten, hat sie doch einen | |
klassisch sozialdemokratischen Lebenslauf. Nach dem Hauptschulabschluss mit | |
Fachoberschulreife, machte Bas Mitte der 80er zunächst eine Ausbildung zur | |
Bürogehilfin, arbeitete sich bis zur Abteilungsleiterin bei einer | |
Betriebskrankenkasse hoch. Ihre Arbeit als Betriebsrätin brachte sie in die | |
Politik. | |
Seit 2009 ist sie Abgeordnete des Bundestags, ihren Wahlkreis Duisburg I | |
gewann sie auch am 23. Februar trotz leichter Verluste wieder direkt. „Ich | |
weiß, was es heißt, wenn man über soziale Gerechtigkeit redet“, so die | |
designierte Parteivorsitzende. Sie stehe für soziale Sicherheit, | |
Bildungsgerechtigkeit und für den Kampf um die Demokratie. | |
Themen, bei denen die SPD in den kommenden vier Jahren punkten will, die | |
Frage wird eher, ob sie das darf. Denn parallel muss sich Bas gerade auch | |
in ihr neues Amt als Arbeits- und Sozialministerin einarbeiten. Das Haus | |
übernahm sie in der vergangenen Woche von Hubertus Heil, der wie etliche | |
andere Ampelminister der Klingbeil’schen Neuaufstellungsorgie zum Opfer | |
fiel. Während Bas sich vorstellte, verließ Heil mit Blumenstrauß das | |
Willy-Brandt-Haus. | |
Die neue Ministerin muss nicht nur das Bürgergeld rückabwickeln, das | |
künftig neue Grundsicherung heißen und Langzeitarbeitslose stärker in die | |
Mangel nehmen soll. Sie wird auch einen Drahtseilakt zwischen Loyalität und | |
Profilierung hinlegen müssen. Eine Kostprobe gab es bereits: Bas’ | |
Vorschlag, dass auch Beamte in die Rentenkasse einzahlen sollten, wies das | |
Kanzleramt umgehend zurück. Am Montag beschwichtigte sie: „Ich wollte den | |
Koalitionspartner auch nicht provozieren“, sondern habe lediglich das Thema | |
in der zu bildenden Rentenkommission nicht aussparen wollen. | |
Für SPD-pur-Positionen ist ab sofort Tim Klüssendorf zuständig. Der | |
Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD ist erst seit 2021 | |
Bundestagsabgeordneter. Er arbeitete für die Fraktion ein Konzept zur | |
gerechteren Besteuerung von großen Vermögen aus und warb früh, unter | |
anderem in der taz, dafür, sehr Reiche stärker an der Finanzierung des | |
Gemeinwesens zu beteiligen. Auf dem Bundesparteitag im Dezember 2023 | |
überraschte er mit dem Antrag für eine Vermögensabgabe im Leitantrag. Die | |
Delegierten stimmten dafür, obwohl die Führung um Klingbeil und den | |
damaligen Generalsekretär Kevin Kühnert alle Register gezogen hatte, um | |
dies zu verhindern. | |
## „Demut und Selbstbewusststein“ | |
„Das hat mir damals schon imponiert, dass jemand in seiner ersten | |
Legislatur sagt, ich habe hier mitzureden“, blickte Klingbeil am Montag | |
zurück. Und wandte bei Klüssendorf jenen Kniff an, mit dem er auch schon | |
Kühnert diszipliniert hatte: Statt ihn kleinzumachen, beförderte er den | |
Rebellen in die Hausleitung. | |
Ganz unerfahren ist Klüssendorf nicht: Als Mitarbeiter des Lübecker | |
Oberbürgermeisters modernisierte er die Rathausverwaltung mit 4.000 | |
Mitarbeitenden. Ab sofort ist Klüssendorf Chef der SPD-Parteizentrale mit | |
200 Mitarbeitern, die einer bei der Bundestagswahl schwer gedemütigten | |
Partei mit rund 360.000 Mitgliedern neuen Schwung verleihen soll. Der | |
Lübecker bekannte, er habe „einen riesigen Respekt vor dieser Aufgabe“, an | |
die er mit Demut und Selbstbewusstsein gehe. | |
Klüssendorf folgt auf Matthias Miersch, der nun Fraktionsvorsitzender ist. | |
Kurzfristig obliegt es ihm, den Bundesparteitag im Juni samt Wahlen | |
vorzubereiten, an sich schon keine leichte Aufgabe. „Ich glaube, wir haben | |
einiges aufzuarbeiten.“ Die große Herausforderung werde aber sein, „es zu | |
schaffen, die Regierungspolitik selbstbewusst zu vertreten und gleichzeitig | |
ein progressives Profil zu schärfen, ohne dass man das immer auf Kosten des | |
Koalitionspartners macht“, so Klüssendorf. Hoffentlich hält er diesen | |
Spagat länger durch als Kühnert. | |
12 May 2025 | |
## LINKS | |
[1] /SPD-Linker-Tim-Kluessendorf/!6068636 | |
[2] /SPD-Vorsitzende/!6087524 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
## TAGS | |
SPD | |
Lars Klingbeil | |
Bärbel Bas | |
Saskia Esken | |
GNS | |
SPD | |
SPD | |
Neue Bundesregierung | |
SPD | |
Friedrich Merz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Krise der Sozialdemokratie: SPD will sich neu erfinden | |
Mit neuem Grundsatzprogramm und floskelfreier Ansprache wollen die | |
Genoss:innen wieder Vertrauen gewinnen. Der Prozess soll 2027 | |
abgeschlossen sein. | |
Personalvorstellungen der SPD-Spitze: Bedenkliche Auslesepolitik | |
Die SPD-Spitze will erfolgreiche Genossen fördern. Gute Leute aus dem Osten | |
oder aus Süddeutschland hätten dann kaum noch eine Chance. | |
SPD-Vorsitzende: Esken macht Platz | |
Bei der Kabinettsbildung ging sie leer aus. Jetzt kündigt Saskia Esken auch | |
den Rückzug vom SPD-Vorsitz an. Sie wird nicht mehr für das Amt | |
kandidieren. | |
Stärkster Landesverband: NRW-SPD rechnet mit Klingbeil ab | |
Beim Landesparteitag der nordrhein-westfälischen Genoss:innen muss sich | |
SPD-Bundeschef Lars Klingbeil harte Kritik anhören. Dennoch will er die | |
Partei nicht nach links rücken. | |
Neue SPD-Minister*innen-Riege: Radikales Austauschprogramm | |
Parteichef Lars Klingbeil schmeißt fast das gesamte alte SPD-Personal raus. | |
Die schwierigste Aufgabe liegt aber noch vor ihm – seine Doppelrolle. |