# taz.de -- Wiederauferstehung des FC Bayern München: Mia san fast wieder mia | |
> Vincent Kompany hat den FC Bayern zu einer unerwartet überzeugenden | |
> Meisterschaft geführt. Aber der Jubel hält sich in Grenzen. | |
Bild: Gut gebrüllt ist halb gefeiert: Joshua Kimmich (l.) und Thomas Müller i… | |
Es ist an jenem Sonntag nicht wirklich ein Beben durch München gegangen, | |
als um 19.24 Uhr feststand, dass die Männer des FC Bayern [1][wieder mal | |
Deutscher Fußballmeister] geworden sind. So ist das eben in einer Stadt, | |
deren großer Klub schon 33-mal zuvor den Titel gewonnen hat. Und dann ist | |
den Münchnern der Titel an jenem Tag auch noch ohne eigenes Zutun | |
zugefallen. | |
Verfolger Leverkusen hat in Freiburg nur einen Punkt geholt und so die | |
letzte theoretische Chance verspielt, die Bayern an den verbleibenden | |
beiden Spieltagen doch noch einzuholen. Sofameisterschaft ist das Wort, das | |
die deutsche Fußballfachsprache dafür parat hält. Wie man eine solche beim | |
FC Bayern feiert? Im Nobelrestaurant natürlich. | |
Beim Käfer im feinen Bogenhausen kamen die Spieler zusammen, grölten, | |
soffen und verspritzten jede Menge Schaumwein aus riesigen | |
Champagnerflaschen. Nicht viel mehr als 25 Fans warteten vor dem Lokal und | |
freuten sich zusammen mit den abgeordneten Reportern der einschlägigen | |
Boulevardpresse an den Gesängen, die aus dem Restaurant nach draußen | |
drangen. | |
Später konnte man das Geschehen nachlesen. Und auf dem | |
[2][Instagram-Account von Stürmer Harry Kane], der nun tatsächlich den | |
ersten Titel seiner Karriere gewonnen hat, konnte, wer unbedingt wollte, | |
nachhören, wie es klingt, wenn betrunkene Fußballer „Sweet Caroline“ oder | |
„We are the Champions“ singen. Über 1,3 Millionen Leute haben dafür auf | |
Instagram ein Herz vergeben. Immerhin. | |
## Nach dem totalen Absturz | |
Die ganz große Party mit den Fans auf dem Marienplatz, wo [3][zusammen mit | |
dem Frauenteam,] das neben der Meisterschaft auch den Pokal gewonnen hat, | |
vom Rathausbalkon gewunken wird, steigt erst am 18. Mai. Die Meisterschale | |
haben die Bayern dann schon eine Woche lang, und auch wenn sich die Spieler | |
mit dem Gebräu des Biersponsors innen und außen reichlich benetzen werden, | |
rechnet niemand damit, dass die Stadt in totale Ekstase verfällt. | |
Dabei gäbe es Grund genug, so etwas wie eine Auferstehung zu feiern. In der | |
Vorsaison waren die Bayern ja nur Dritte in der Bundesliga geworden, was im | |
Verein als der totale Absturz wahrgenommen wurde. Ja, da hatte es die | |
Leverkusener gegeben mit ihrer wahnsinnigen Saison ohne Niederlage und | |
ihrem wahnwitzig aufspielenden Wunderbubi Florian Wirtz. Aber dass die | |
Bayern in der Schlusstabelle auch noch hinter dem VfB Stuttgart standen, | |
war der Beleg dafür, wie kaputt das teure Team in den letzten Wochen der | |
Vorsaison unter dem damaligen Trainer Thomas Tuchel war. | |
Als kaputt wird die Mannschaft in diesen Tagen kaum einer bezeichnen. Die | |
Spieler verstehen sich – beim Champagnersaufen ebenso wie auf dem Platz. | |
Souverän sind sie Meister geworden und haben mit ihrer bisweilen | |
bedingungslosen Offensive, mit ihrem kompromisslosen Gegenpressing, mit | |
ihrer Präsenz vor und im gegnerischen Strafraum [4][vor allem in der ersten | |
Saisonhälfte] für Spektakel gesorgt. Die Bayern sind wieder ein Hingucker | |
in der Liga. | |
Trainer Vincent Kompany ist es gelungen, einen den Stärken der Spieler | |
entsprechenden Ansatz zu etablieren. Und während Tuchel sich immer wieder | |
beklagte, dass die Bayern für seine Philosophie die falschen Spieler habe, | |
hat der Belgier nie auch nur ein schlechtes Wort über einen Spieler | |
verloren. Er hat es geschafft, für Ruhe in diesem selbstbewussten Kader zu | |
sorgen, der schon manchem Trainer zum Verhängnis geworden ist. Die Spieler, | |
so ist es zu hören, können mit ihm. Die arrivierten genauso wie die neuen. | |
## Verlachte Notlösung | |
Es ist viel gelacht worden, als die Bayern Kompany vor der Saison als neuen | |
Trainer präsentiert haben. Ein 38-Jähriger ohne allzu lange Erfahrung an | |
der Linie, der gerade mit dem Burnley FC aus der Premier League abgestiegen | |
war, sollte den FC Bayern zurück an die Spitze führen? Heute lacht niemand | |
mehr über Kompany, der zu seinem Amtsantritt nicht mehr als eine Notlösung | |
war. Kein namhafter Trainer wollte bei den Münchnern anheuern. Sogar | |
Tuchel, den man ja eigentlich loswerden wollte, fragten die Bayern | |
irgendwann, ob er nicht vielleicht doch weitermachen wolle. Nicht nur auf | |
dem Platz herrschte Ratlosigkeit, auch das Management wirkte hilflos. | |
Es war eine elende Zeit für dieses sonst so kraftstrotzende | |
Mia-san-mia-Gebilde. Deshalb war es alles andere als selbstverständlich, | |
dass die Bayern den Titel holen. Und nur deshalb klopfen sie Kompany so | |
kräftig auf die Schulter. Es gab schon Jahre, da galt eine Saison beim FC | |
Bayern nach einem Scheitern im Viertelfinale der Champions League als | |
völlig misslungen. Das ist nun anders. | |
Doch während Vincent Kompany weitgehend unbehelligt von Gescheitmeiereien | |
aus der Vereinsführung oder aus dem Wohnhaus von Uli Hoeneß am Tegernsee | |
arbeiten konnte, steht Sportdirektor Max Eberl unter andauerndem Beschuss. | |
Mit einem Transferminus von 60 Millionen Euro ist er in die Saison | |
gegangen. Doch das ist nicht der einzige Grund für Kritik an ihm. Er war | |
angetreten, um aufzuräumen im überbezahlten Kader des FC Bayern. Doch so | |
einfach ist das nicht, wenn die Gehälter so hoch sind, dass die Spieler | |
einfach nicht wechseln wollen, auch wenn man ihnen sagt, dass für sie kein | |
Platz mehr im Team ist. | |
Leon Goretzka ist so einer. Den wollte Eberl eigentlich rausekeln. Als dann | |
Not am Mann war und Goretzka doch gebraucht wurde, lieferte er blitzsaubere | |
Leistungen ab und wurde sogar wieder zum Nationalspieler. Loswerden | |
wollten die Bayern auch Kingsley Coman. Den Franzosen hatte man fast schon | |
nach Saudi-Arabien abgeschoben, doch dem war ein gut bezahltes Leben als | |
Ergänzungsspieler an der Isar lieber als ein Karriereherbst in der | |
Operettenliga am Golf. | |
## Hoeneß und das Sondervermögen | |
[5][Immerhin Thomas Müller sind die Bayern losgeworden.] Dass der Vertrag | |
mit dem sogenannten Urgestein nicht verlängert worden ist, mag sportlich | |
gut zu begründen sein. Und dennoch steht Eberl jetzt so da, als hätte er | |
das Denkmal für Gerd Müller vor der Arena im Münchner Norden eigenhändig | |
abmontiert und eingeschmolzen. In dieser Woche soll Eberl vor dem | |
Aufsichtsrat des Klubs darüber Auskunft geben, wie er sich den Kader für | |
die kommende Saison vorstellt. | |
Da wird er unter anderem auf Uli Hoeneß treffen, der nicht müde wird, für | |
eine Verpflichtung von Leverkusens Superstar Florian Wirtz zu werben. | |
Höchstpersönlich hält er vom Tegernsee aus Kontakt zu Wirtz, so heißt es. | |
Und während Eberl immer vorgehalten wird, er solle doch gefälligst weniger | |
Geld ausgeben, hat Hoeneß im Fall Wirtz sogar das neue deutsche Wort für | |
Schulden in den Mund genommen: Sondervermögen. | |
Schulden gehören nicht unbedingt zum Stil des FC Bayern. Und für den Gewinn | |
einer deutschen Meisterschaft reicht wohl auch in Zukunft das viel | |
besungene Festgeldkonto der Münchner. Aber der Klub möchte eben wieder den | |
Anschluss an die absolute europäische Spitze finden. Wie weit die | |
Mannschaft von der entfernt ist, auch das hat diese Saison gezeigt. | |
Die Niederlagen gegen Aston Villa, Feyenoord Rotterdam oder Celtic Glasgow | |
haben deutlich gemacht, dass dem Team noch die nötige Balance zwischen | |
Stabilität und Angriffslust fehlt. Der FC Bayern möchte derartige Probleme | |
traditionell eher mit Aktivitäten auf dem Transfermarkt bekämpfen als durch | |
Arbeit auf dem Trainingsplatz. Und so wird auch in Fanforen oder -podcasts | |
derart intensiv diskutiert über den Kader der Mannschaft für die kommende | |
Saison, dass einfach nicht genug Energie bleibt für eine angemessene | |
Würdigung der eben errungenen Meisterschaft. | |
## Aufgemotzte Hymne | |
Einen Neuzugang gibt es schon zu vermelden. In der Playlist der Bayern für | |
die Heimspiele findet sich eine neue Hymne. „Immer vorwärts, FC Bayern“ ist | |
ein Fangesang, der schon lange in der Südkurve geschmettert wird. Den hat | |
nun der Komponist und Produzent Hans Franek mit Streichern und Bläsern zu | |
einer bombastisch klingenden Hymne aufgemotzt. | |
Die organisierten Fans der Südkurve haben dem Klub zum 125. Geburtstag das | |
Lied spendiert, zu dem die Spieler einlaufen werden. 8.000 Fans haben sich | |
zum Einsingen in der Arena getroffen. Und weil das allein für einen Klub | |
wie den FC Bayern nicht genug ist, schmettert Startenor Jonas Kaufmann, ein | |
gebürtiger Bogenhausener übrigens, kräftig mit. Auf Italienisch trägt er | |
ein paar Zeilen vor. Denn die Hymne fußt auf dem Italo-Pop-Schlager | |
„Montagne Verdi“ von Marcella Bella, in dem es heißt: „Mein Schicksal ist | |
es, neben dir zu sein.“ | |
Am 31. Mai wird dieses Lied wohl nicht in München zu hören sein. [6][Am Tag | |
des Champions-League-Finals] gehört die Stadt den Fans aus Mailand und | |
Paris. Gespielt wird im Stadion der Bayern. Es wird ein harter Tag werden | |
für die rot-weiße Gemeinde in München. Die 34. Meisterschaft der Bayern ist | |
dann schon längst kein Thema mehr in der Stadt. | |
10 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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