# taz.de -- Henrike Iglesias' „Newsroom“ in Berlin: Nach den Klicks zu gehe… | |
> Das deutsch-schweizerische Performancekollektiv Henrike Iglesias setzt im | |
> Berliner Theater an der Parkaue auf demokratische Mitbestimmung im | |
> Journalismus. | |
Bild: Nicht Tagesschau-blau, sondern Henrike-grün ist der Newsroom bei der gle… | |
Bei der heutigen Premiere im Theater an der Parkaue wird das Publikum mal | |
nicht gebeten, die Smartphones in den Flugmodus zu versetzen, ganz im | |
Gegenteil: „Bitte holt sie raus – und nutzt sie während der gesamten | |
Vorstellung!“, heißt es. Es ist die Premiere von „Newsroom“, der neuesten | |
Produktion des deutsch-schweizerischen, feministischen Theaterkollektivs | |
Henrike Iglesias, das sich dieses Mal mit zehn jungen Berliner*innen im | |
Alter von 16 bis 21 Jahren zusammengetan hat – aber vor allem mit all | |
seinen Besucher*innen. | |
Denn diese werden schon im Foyer dazu aufgefordert, einen QR-Code zu | |
scannen und die Lautstärke ihres Handys bitte auf das absolute Maximum zu | |
stellen. [1][Henrike Iglesias bedienen sich als Performance-Kollektiv gern | |
interaktiven Formaten] und binden technische Mittel breit in ihre | |
Inszenierungen ein. Sie operieren an der Schnittstelle von Popkultur und | |
Medien und beleuchten dabei massenmediale Phänomene und Plattformen | |
hinsichtlich ihrer Bedeutung für unseren Alltag. Wie etwa den titelgebenden | |
„Newsroom“. | |
„…und wir sind live in 5, 4, 3, 2, 1!“, tönt es zu Beginn von der Bühne, | |
der Theatersaal scheint sich mitsamt typischem Jingle-Intro in eine | |
Nachrichtensendung zu verwandeln. Prompt wird die Sendung aber unterbrochen | |
und aus dem Publikum schalten sich einige Schauspieler*innen in die | |
gerade berichteten News ein: „Das ist mir viel zu viel!“ / „Ich verstehe … | |
nicht!“ /„Lieber schaue ich ein get ready with me!“ | |
## Welche Nachrichtensednung wollen wir wirklich sehen? | |
Schnell also wird klar: Eine klassische Nachrichtensendung wird man heute | |
nicht bekommen. Vielmehr steht das News-Format als solches im Vordergrund. | |
Das daraufhin erklärte Ziel der Vorstellung ist, gemeinsam eine | |
Nachrichtensendung zu kreieren, die wir alle wirklich sehen wollen. Mit | |
Hilfe der eigens für die Vorstellungen entwickelten interaktiven App soll | |
der Theatersaal zur Redaktionssitzung werden. Im Saal leuchten nun fast 200 | |
Smartphones mit quietschgrünen Displays auf. „Welche Schlagzeile würdest du | |
gern mal lesen?“ ruft eine Performerin dabei ins Publikum, auf dem | |
Smartphone gibt es jetzt kurz Zeit, etwas in ein Feld einzutragen. | |
Auch [2][Fragen zum eigenen Nachrichtenkonsum][3][Fragen zum eigenen | |
Nachrichtenkonsum], oder zu Präferenzen Formats werden gestellt. Erste | |
Umfragen, die live auf der Bühnenleinwand übertragen werden, zeigen: Nicht | |
wenige im Publikum konsumieren gar keine klassischen Nachrichten mehr, | |
sondern informieren sich vorwiegend über Social Media. Diese | |
Antwortpräferenz gilt allerdings über alle Altersgruppen hinweg. Fleißig | |
tippt das Publikum, bildschirmschonerartige Bubbles fliegen dazu über einen | |
durchsichtigen Vorhang, bis sie sich an einer seiner Ecken stoßen. | |
Nach einer ersten, sehr intensiven Fragerunde geht es dann rüber in die | |
Produktionsstätte – den Newsroom. Wie sieht so einer denn eigentlich aus? | |
Ästhetisch jedenfalls anders als bei der Tagesschau: „Dein News“ heißt das | |
Format der Spieler:innen – und ist quietschgrün wie die Displays im | |
Zuschauerraum. Der „Newsroom“ wirkt wie eine Mischung aus Retro-Redaktion | |
und Gen-Z: Zwischen antiquierten Geräten sitzen die jungen | |
Redakteur:innen hier in futuristischen Kostümen, einige von ihnen | |
tragen Ketten mit einer riesigen Büroklammer. | |
In der durchgängigen Interaktion mit dem Publikum, die diesem durchaus | |
Kraft abverlangt, stellt der Abend nicht nur die politische Frage nach | |
demokratischer Mitbestimmung im Journalismus, sondern erprobt sie gleich | |
live. Wie sinnvoll ist es denn, wenn im Newsroom mitbestimmt wird? Zwischen | |
den von ihnen vorgeschlagenen Themen wie Rechtsextremismus, Antifeminismus | |
und Comedy wird deutlich: Nach den Klicks zu gehen, führt eher in die Irre. | |
Am Ende steht also weniger eine Antwort als die Einsicht: Nachrichten | |
brauchen mehr als Reichweite; sie brauchen Haltung, Verantwortung und | |
gemeinsame Auseinandersetzung. | |
5 May 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Performance-von-Henrike-Iglesias/!5991873 | |
[2] /Gute-Nachrichten-in-den-Medien/!6069640 | |
[3] /Gute-Nachrichten-in-den-Medien/!6069640 | |
## AUTOREN | |
Alissa Geffert | |
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