# taz.de -- Kreative in Hamburgs Innenstadt: Auf dem Jupiter geht das Licht aus | |
> Vier Jahre lang war das ehemalige Karstadt-Sport-Kaufhaus am Hamburger | |
> Hauptbahnhof ein Ort von und für Kreative. Nun endet die Zwischennutzung. | |
Bild: Kultur in der Shopping-Meile: Das Jupiter im ehemaligen Karstadt-Sport-Ge… | |
Hamburg taz | Man muss schon auf der gegenüberliegenden Straßenseite | |
stehen, um die Discokugel und die Plastikpalmen auf der Dachterrasse zu | |
erspähen. Dass aber das frühere Karstadt-Sport-Kaufhaus in der Hamburger | |
Mönckebergstraße nicht leer steht, obwohl hier seit mehr als vier Jahren | |
schon keine Sportartikel mehr verkauft werden, sieht man aber auch im | |
Vorbeigehen: Hinter der Glasfront im Erdgeschoss stehen Stühle aus | |
Sperrholz neben einer Café-Theke; ein schmales, deckenhohes Klamottenknäuel | |
hängt ein paar Meter weiter neben einem Zettel, auf dem die wöchentlichen | |
Upcycling-Kurse beworben werden. „Das einzige Kaufhaus, das dich reicher | |
macht“ steht auf einem Schild am Eingang. | |
Doch reich werden kann man auf den sechs Etagen nicht mehr lange. Ende | |
April schließt das Kulturprojekt „Jupiter“ mit seinen Flächen für Design, | |
Kunst, Musik, Mode und Workshops, das [1][die darbende Hamburger | |
Innenstadt] auch über die Kaufhaus-üblichen Geschäftszeiten hinaus mit | |
Leben füllt. | |
Katja Wolframm stört das jedoch überhaupt nicht. „Hier ist ja nur so eine | |
Kraft entstanden, weil es eben nicht auf Langfristigkeit ausgerichtet war“, | |
sagt Wolframm. Sie arbeitet bei der städtischen Hamburg | |
Kreativgesellschaft, mit der die Stadt die Kreativwirtschaft fördert. Die | |
hatte 2021 sowohl den Immobilienbesitzer als auch die Hamburger Politik | |
davon überzeugt, durch [2][eine Zwischennutzung den Leerstand an einem von | |
Hamburgs meistfrequentierten Orten] direkt neben dem Hauptbahnhof zumindest | |
vorübergehend zu vermeiden. | |
## Partys auf dem Dach | |
In der obersten Etage und auf der Dachterrasse finden Partys und Konzerte | |
statt, unten gibt es Kaffee – dazwischen kann man über Rolltreppen hinweg | |
zwischen kleinen, hippen Modegeschäften und Kunstausstellungen spazieren. | |
„Das ist schon ziemlich cool“, sagt Wolframm beim Blick vom Café rüber zu | |
der mit Holzlatten und Maschendraht abgesteckten Ladenfläche, in der | |
Kollektionen und Produkte aus der afrikanischen Diaspora verkauft werden. | |
„Wir haben hier sehr unterschiedliche Akteure mit sehr großer Energie für | |
ihre Projekte.“ | |
Ein älteres Paar mit beigen Jacken betritt das Jupiter und schaut sich | |
neugierig um. Auch beim Publikum gebe es eine große Bandbreite, erklärt | |
Wolframm: Von den Rentner:innen, die gern zum Bummeln durch Kaufhäuser | |
schlendern und sich nun im vertrauten Gebäude andere Sachen ansehen, bis zu | |
Jugendlichen, die für einen Graffiti-Workshop herkamen. | |
An den Wochenendabenden, wenn eine neue Kunstausstellung eröffnete oder | |
wenn auf der Dachterrasse ein Konzert stattfand, bildeten sich vor den | |
Rolltreppen mitunter lange Schlangen: Ein Bild, das es in Kaufhäusern kaum | |
noch gibt. Schon in den 1970ern verkaufte Karstadt hier Sportartikel. Der | |
ursprünglich flache und grau-versteinerte Block wurde Ende der 1990er sogar | |
umfassend ausgebaut: Vier Stockwerke kamen hinzu, die Fassade erhielt ihre | |
markanten Glasscheiben – und auf dem Dach entstand eine runde Fläche für | |
Sport: Schlittschuh, später Rollschuh und auch Basketball. | |
## Auch skeptische Blicke | |
Allein: Erst der wachsende Onlinehandel und dann die Coronapandemie hatten | |
dafür gesorgt, dass Karstadt das Sportgeschäft in Hamburg aufgegeben hat. | |
In den vergangenen drei Jahren legten auf der Dachfläche deshalb DJs auf, | |
Leute tanzten dazu oder warfen ihren Blick runter aufs imposante Dach der | |
Hauptbahnhofshalle. | |
Es gibt aber auch skeptische Blicke auf das Jupiter: Bevor es mit dem nun | |
endenden Konzept 2023 losging, hatte es zuvor schon für einige Monate eine | |
Zwischennutzung in dem leer stehenden Kaufhaus gegeben. Engagiert war darin | |
auch die Initiative Zentrum für Zukunft, ein Zusammenschluss mehrerer | |
Gruppen, die hamburgweit oder in einzelnen Vierteln an einer linken, | |
unkommerziellen Stadtentwicklung arbeiten. | |
Auch der Aktivist Marco Hosemann, der seit Kurzem für die Linke auch in der | |
Bürgerschaft sitzt, war darin aktiv. „In der ersten Phase gab es viel | |
weniger kommerzialisierte Zwischennutzungen“, sagt er – in einer Etage etwa | |
wurden wöchentlich Spielabende kostenlos organisiert. „Jetzt kann man da | |
gegen Geld Flüge mit einer Drohne buchen“, beklagt er. Auch eine | |
Anlaufstelle für Obdachlose war von den Aktivist:innen angedacht, doch | |
als die Zwischennutzung zum Jupiter umfangreicher von der städtischen | |
Kreativgesellschaft begleitet wurde, konnten sich die Aktivist:innen | |
damit nicht durchsetzen. „Ich weine dem Ende also nicht allzu viele Tränen | |
nach“, sagt Hosemann. | |
## In Harburg zieht das Museum ins Kaufhaus | |
Aber: Wäre das nicht, trotzdem, die Zukunft für zunehmend öde Innenstädte? | |
Schließlich gibt es in deutschen Innenstädten eine ganze Reihe früherer | |
Kaufhäuser, deren riesige Verkaufsflächen um die Rolltreppen verwaist sind, | |
wo verklebte Fensterscheiben den Blick darauf verhindern. „Unser Konzept | |
war explizit als Zwischennutzung gedacht, in der mit wenig Geld viel | |
improvisiert wurde“, sagt Wolframm. Für eine begrenzte Zeit sei es | |
akzeptabel, dass man vom Café im Erdgeschoss in den fünften Stock fahren | |
muss, um zur Toilette zu kommen. Wolle man [3][ein Kaufhaus langfristig | |
umfunktionieren], wären teure Umbauten nötig. „Dann wäre es ein anderes, | |
aber mögliches Konzept“, sagt Wolframm. | |
In einem anderen früheren Karstadt-Kaufhaus in Hamburg wird genau dieses | |
Konzept verfolgt: Da hat die Stadt von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht | |
und das Grundstück im südlich der Elbe gelegenen Harburg erworben – um | |
„eine gelingende Quartiersentwicklung in der Harburger Innenstadt“ zu | |
gewährleisten, wie sich die regierende SPD freute. Seit Februar ist das | |
Archäologische Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg im einstigen Kaufhaus | |
untergebracht. Der Eintritt dort ist frei, sodass das einstige Kaufhaus zu | |
einem „kulturellen Anlaufpunkt in zentraler Lage“ wird und das umliegende | |
und in Teilen ebenso von Leerständen betroffene Quartier wiederbelebt wird, | |
wie die Stadt hofft. | |
Ob das auch die Zukunft für das Jupiter wäre? Dazu müsste der Eigentümer | |
zunächst verkaufen wollen. Ob das für ihn infrage kommt? Gehören soll das | |
Gebäude der Union Investment Institutional Property GmbH. Diese lässt sich | |
bei der Immobilienverwaltung wiederum vertreten von der R+V | |
Lebensversicherung AG. Auf Nachfragen, wie es mit dem Gebäude künftig | |
weitergeht, gibt es dort keine Antworten. 2021 hatte sie mitgeteilt, das | |
Gebäude langfristig vermieten zu wollen. | |
## Zeit für Gedanken über zukünftige Nutzung | |
Sollte das noch der Fall sein: Wäre nicht die Stadt ein guter, | |
langfristiger Mieter, um hier weiterhin Nutzungen zu ermöglichen, die die | |
Innenstadt attraktiver und diverser machen? Bei den zuständigen Behörden | |
ist dort aktuell nichts drüber zu erfahren, zumindest während der laufenden | |
Koalitionsverhandlungen von SPD und Grünen. Beide Parteien betrachten das | |
Jupiter aber extrem positiv. | |
So günstig wie die Miete für die Jupiter-Zwischennutzung würde es für die | |
Stadt dann aber wohl nicht werden: Dafür handelte die Kreativgesellschaft | |
aus, dass die Stadt nur die Nebenkosten zahlen musste. „Unterm Strich haben | |
von der Zwischennutzung alle profitiert: die Kreativen, die Stadt und der | |
Eigentümer“, sagt Wolframm. Erstere konnten sich in einem zeitlich | |
begrenzten Projekt ausprobieren, die Stadt eine günstige | |
Wirtschaftsförderung betreiben. Und Letzterer hätte bei Leerstand die | |
laufenden Kosten gehabt – durch die Zwischennutzung habe er Zeit gewonnen, | |
sich über die künftige Nutzung Gedanken zu machen. | |
22 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
André Zuschlag | |
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