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# taz.de -- Argentinien lockert Devisenkontrollen: Dollar ohne Ende
> Ab Montag können Privatpersonen bei Banken unbegrenzt Pesos in die
> US-Währung umtauschen. Den Wechselkurs will die Regierung mit einem
> 20-Milliarden-Kredit vom Internationalen Währungsfonds stützen.
Bild: Javier Milei darf mit frischen Milliarden jonglieren
Buenos Aires taz | Argentinien lockert seine Devisenkontrollen. Ab Montag
können Privatpersonen bei Banken unbegrenzt Pesos in Dollar tauschen, statt
der bisher monatlich erlaubten 200 Dollar. Firmen dürfen für die
Ausschüttung von Gewinnen an ausländische Anteilseigner ab dem
Geschäftsjahr 2025 Pesos in Dollar tauschen. Dafür wird der staatlich
fixierte Wechselkurs durch eine Bandbreite ersetzt, in der der Wert des
Dollar zwischen 1000 und 1400 Peso schwanken soll. Die Bandbreite wird
monatlich je ein Prozent nach unten und nach oben erweitert, um so
schrittweise den Wechselkurs komplett freizugeben.
Im Gegenzug erhält die Regierung einen 20-Milliarden-Dollarkredit vom
Internationalen Währungsfonds (IWF). 12 Milliarden sollen zur freien
Verfügung bereits am Dienstag überwiesen werden. Das hatte der [1][IWF am
Freitag in Washington beschlossen]. „Es gibt keinen Präzedenzfall für eine
so große Auszahlung“, begrüßte Wirtschaftsminister Luis Caputo den
Beschluss. Argentinien ist mit weitem Abstand der [2][größte Schuldner des
IWF].
Mit dem fresh money will die Regierung staatliche Schuldscheine von der
Zentralbank zurückkaufen, was die Reserven der Zentralbank nominal zwar
nicht erhöht, aber mit echten Dollar untermauert. Die Gefahr, dass es am
Montag zu einem massiven Run in den Dollar kommt, sieht die Regierung
nicht. Zur Sicherheit ist am Bankschalter jedoch nur der Kauf von 100
Dollar im Monat erlaubt. Jeder weitere Kauf muss digital über Konten
abgewickelt werden. Der Peso schloss am Freitag offiziell bei 1074 Pesos
pro Dollar. In den klandestinen Wechselstuben kostete er 1375 Pesos.
„Der Kredit ist für die Regierung von grundlegender Bedeutung“, kommentiert
der Wirtschaftswissenschaftler [3][Hernán Letcher die Vereinbarung mit dem
IWF]. „Aber die Dollars sind nur dazu da, den Wechselkurs zu stützen. Sie
fließen weder in die Wirtschaft noch werden sie in die marode Infrastruktur
investiert“, sagt der Leiter des Centro de Economía Política Argentina in
Buenos Aires. Ohne frisches Geld wäre die Regierung gezwungen, noch
drastischer abzuwerten. „Der Dollar wird teurer und die Inflation
anheizen“, so Letcher.
Tatsächlich hat sich der [4][Preisanstieg bereits beschleunigt]. Im März
lag die monatliche Inflationsrate mit 3,7 Prozent nach fünf Monaten wieder
über der 3-Prozent-Marke, teilte die nationale Statistikbehörde Indec am
Freitag mit. Im Jahresvergleich liegt die Rate damit bei 56 Prozent.
Dennoch gab sich die Regierung optimistisch. „Im März 2024 letzten Jahres
lag die Rate noch bei 11 Prozent und nun ist sie auf 3,7 Prozent gefallen“,
twitterte das Wirtschaftsministerium. Doch der internationale Vergleich
zeigt, wie hoch die Latte damit liegt. Im Nachbarland Brasilien stieg die
Inflationsrate im Jahresvergleich nur um 5,5 Prozent. In Deutschland stieg
sie im gleichen Zeitraum um 2,2 Prozent.
## Preistreiber Bildung
Preistreiber war mit Abstand der Bereich der Bildung (21,6 Prozent),
aufgrund der Erhöhung der Gebühren für Privatschulen. Danach folgen
Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke (5,9 Prozent), hier liegen Fleisch
und Gemüse an der Spitze. Während beide Prozentsätze damit über dem
Durchschnitt liegen, traf der erste vor allem die Mittelschicht und der
zweite die unteren Einkommensgruppen mit voller Wucht.
Für den libertären Präsidenten Javier Milei ist die Inflationsrate der
wichtigste Erfolgsindikator. Die Senkung der Inflation war nicht nur ein
zentrales Wahlversprechen, sondern lässt sich auch fast direkt auf die
Unterstützung der Bevölkerung für Milei übertragen. Diese ist seit Anfang
des Jahres gesunken und liegt derzeit bei 40 Prozent Zustimmung. Im
vergangenen Jahr hatte der Rückhalt stets um die 50-Prozent-Marke gelegen.
Eine wichtige Frage für Milei ist, ob der beschleunigte Anstieg der Beginn
eines neuen Preissteigerungszyklus ist.
Denn die Inflationsrate ist der wichtigste Wert bei der [5][Bemessung der
Armutsgrenze]. Diese wird anhand des Wertes eines Grundwarenkorbs für eine
vierköpfige Familie gemessen. Viele Haushalte schwanken um diesen Wert.
Steigt ihr Einkommen auch nur geringfügig an, liegen sie bei einer
niedrigen Inflationsrate rasch darüber. Steigt die Rate, rutschen vielen
Haushalt wieder in die Armut.
Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2024 war die Armutsrate von 52,9 Prozent
auf 38,1 Prozent gesunken, teilte das Statistikamt vor zwei Wochen mit. Ein
Rückgang um fast 15 Prozent. Ein Blick auf den Jahresvergleich Ende 2023
und Ende 2024 zeigt jedoch, dass die Quote nur um 3,6 Prozent gesunken ist.
Sie liegt damit nur knapp unter der Armutsquote von 41,7 Prozent, die Milei
zu Beginn seiner Amtszeit hinnehmen musste. Steigt die Inflation, steigt
die Armut und schrumpft der Rückhalt Mileis in der Bevölkerung.
Die Folgen all dieser Zahlen und Ankündigungen werden am Montag deutlich
werden, wenn die Börse, die Banken und Wechselstuben öffnen. An diesem Tag
kommt US-Finanzminister Scott Bessent zu einem Überraschungsbesuch nach
Buenos Aires. Kaum wurde dies bekannt, begannen die Spekulationen zu
wuchern und das Gerücht über eine US-Kreditlinie von bis zu 50 Milliarden
Dollar für die Zentralbank machte die Runde.
„Dank der mutigen Führung von Präsident Javier Milei ist die Beziehung
zwischen den Vereinigten Staaten und Argentinien stärker denn je. Ich freue
mich auf positive Diskussionen über die argentinische Wirtschaft und die
Erkundung neuer Wege zur Vertiefung unserer wichtigen
Wirtschaftsbeziehungen“, erklärte Bessent vor seiner Ankunft. Dass vieles
davon nur auf Kredit möglich ist, scheint ihn nicht zu stören.
12 Apr 2025
## LINKS
[1] https://www.imf.org/en/News/Articles/2025/04/12/pr25101-argentina-imf-execu…
[2] /Argentiniens-Deal-mit-dem-IWF/!5832459
[3] /Oekonom-ueber-Mileis-Wirtschaftspolitik/!6056578
[4] /Rekordinflation-in-Argentinien/!5985142
[5] /Argentinien-ein-Jahr-unter-Javier-Milei/!6051226
## AUTOREN
Jürgen Vogt
## TAGS
Javier Milei
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