# taz.de -- Protest gegen Osterfeuertradition: Niemand wollte eine queere Puppe… | |
> Beim Blankeneser Osterfeuer brannte eine Strohpuppe, die einige | |
> Besucher:innen als LGBTQ+-Symbol sahen. Die Feuermacher:innen | |
> widersprechen. | |
Bild: Keine Absicht: Puppe mit Regenbogenhaaren brennt im Blankeneser Osterfeuer | |
Hamburg taz | Am Karsamstag besucht Julius B. aus Nienstedten gemeinsam mit | |
seiner Familie das Osterfeuer am Elbstrand. Traditionell wird dort auch | |
eine Strohpuppe verbrannt. Sie soll den vertriebenen Wintergeist | |
darstellen, erklärt Jan S. von den Feuermacher:innen. Sie sind eine | |
informelle Gruppe, die das Feuer plant und aufbaut. Jan S. gehört dazu, | |
„seit er laufen kann“. | |
Für Julius B. war es das dritte Jahr, in dem er das [1][Osterfeuer] in | |
Blankenese miterlebte. Beide Male zuvor kam er am Strand an, als die Puppe | |
schon in Flammen stand und nicht mehr zu erkennen war. Dieses Jahr sah er | |
sie noch unberührt an einem Mast auf dem Feuer hängen. Der 32-Jährige war | |
irritiert: Die Haare der Puppe waren regenbogenfarben, sie erinnerten ihn | |
stark an das Symbol der LGBTQ+-Bewegung. Eine queer aussehende Puppe zu | |
verbrennen, erschien ihm falsch. | |
Er sprach einen Feuermacher an, dass er die Haare „seltsam“ finde und | |
fragte nach einer möglichen Bedeutung. Der Feuermacher habe sofort | |
verstanden, worauf Julius anspielte. Doch mit „Gender“ habe die Puppe | |
nichts zu tun, winkte er ab. Eine in der Nähe stehende Besucherin habe | |
Julius bestätigt, dass sie sein ungutes Gefühl teile. | |
Auch seine Familie war sich einig: Die Strohpuppe „fühlt sich nicht richtig | |
an“. Es sei „makaber“ gewesen, die Puppe vor der „johlenden Menge“ br… | |
zu sehen, ärgert sich Julius’ Onkel Hans D. Gerade im aktuellen politischen | |
Klima, das immer queerfeindlicher werden würde, könne man das nicht so | |
einfach hinnehmen, ergänzt dessen Frau Ines B. | |
[2][Laut einer gemeinsamen Studie] des Bundesministeriums des Inneren und | |
für Heimat (BMI) und des Bundeskriminalamts (BKA) haben sich Straftaten im | |
Bereich „Sexuelle Orientierung“ und „Geschlechtsbezogene Diversität“ s… | |
2010 nahezu verzehnfacht. 2023 kam es in Deutschland zu 1.758 Straftaten | |
gegen LGBTQ+-Personen. | |
Jan S. betont, dass die Feuermacher:innen definitiv nicht die Absicht | |
gehabt hätten, „jemanden zu verärgern oder zu diskriminieren“. Die Kinder | |
der Gruppe hätten die Puppe gebastelt und sie „möglichst bunt gestaltet“, | |
damit sie „lustig aussieht“. | |
Auch die Male zuvor war die Puppe bereits farbenfroh, hatte etwa neonpinke | |
Haare und trug einen pastellbunten Trainingsanzug. Einem Regenbogen glichen | |
die Exemplare der Vorjahre allerdings weniger als in diesem Jahr. Das geht | |
aus Bildern hervor, die der taz vorliegen. | |
Auch das Bezirksamt Altona, das eng mit den Feuermacher:innen | |
zusammenarbeitet, war an dem Tag vor Ort. Nach der Beschwerde führten sie | |
Gespräche mit den Feuermacher:innen, erkannten aber „keine | |
diskriminierenden Absichten“. In Zukunft soll trotzdem auf einen | |
„sensibleren und bewussteren Umgang“ geachtet werden. | |
## Strohpuppen können „Vehikel für Hass“ sein | |
Ginge es nach dem Historiker und Brauchtumsforscher Gerd Biegel, so sollte | |
nichts mehr verbrannt werden, das einem Lebewesen ähnelt. Er erinnert | |
daran, dass das zunächst positiv konnotierte Osterfeuer im 18. Jahrhundert | |
an manchen Orten unter dem Namen „Judasfeuer“ genutzt wurde, um das | |
vermeintlich Böse zu bestrafen. | |
Aus seiner Sicht waren diese Feuer eine „begleitende Ideologie der | |
Antisemitismus-Entstehung“. Es seien eben gerade volkskundliche Dinge, die | |
instrumentalisiert würden. Verbrennungen von Strohpuppen könnten „ein | |
Vehikel für Hass auf Gegner“ sein. Es gebe gerade [3][genug Beispiele für | |
Rückschritte] im Umgang mit queeren Personen. „Schlimmer geht es doch fast | |
nicht mehr“, sagt Biegel. | |
Ganz auf die Puppe zu verzichten, kommt für die Feuermacher:innen | |
aktuell nicht in Frage. Es würde einen Großteil der Besucher:innen und | |
Feuermacher:innen verärgern. „Das ist einfach Tradition, wie es bisher | |
gelebt wurde“, sagt Jan S. „Na klar kann man darüber nachdenken, so was | |
wegzulassen. Aber was ist dann im nächsten Jahr? Kommt dann der Mast in der | |
Mitte weg?“ Egal, was man mache, es werde sich immer jemand falsch | |
verstanden fühlen. Das sei leider so. Die Feuermacher:innen versuchten | |
stets, das Feuer „neutral“ stattfinden zu lassen. | |
In der Bildunterschrift einer früheren Version dieses Artikels hieß es eine | |
queere Puppe habe gebrannt. Die Puppe war so nicht gemeint. | |
1 May 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Problematischer-Brauch/!6083047 | |
[2] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2024/12/lagebildlg… | |
[3] /LGBTQIA-und-die-neue-Bundesregierung/!6078843 | |
## AUTOREN | |
Charlina Strelow | |
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