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# taz.de -- Dating-Event „Love at First Slide“: Verlieben ohne Internet
> Beim neuen Dating-Format „Love at First Slide“ lassen sich Singles von
> ihren besten Freund:innen vorstellen – mit einer
> Powerpointpräsentation.
Bild: Alles läuft nach Plan: „Love at First Slide“ hier in der Berliner Au…
Hamburg taz | Auf die Zwiebeln in meinem Dürüm verzichte ich lieber. Bloß
nicht negativ auffallen heute inmitten des hoffnungsvollen Publikums. Kann
ja sein, dass ich Zeugin einer großen Liebesgeschichte werde, über die noch
Jahre später auf Familienfeiern gelacht wird. Auf die Statistenrolle
„Sitznachbarin mit Mundgeruch“ kann ich darin gut verzichten. Mein Essen
sabotiert mich trotzdem: Noch bevor ich aus der Bahn steige, [1][läuft die
Sesamsoße] über meiner Jacke aus. Macht nichts – jemanden beeindrucken will
ich nicht.
Für andere Besucher:innen der Hamburger Ausgabe des Dating-Events „Love
at First Slide“ sieht das ganz anders aus. Sie sind Single und suchen hier
nach einer Beziehung: per Powerpointpräsentation. Und mit Hilfe: Zehn
Kandidat:innen werden nämlich von ihrem besten Freund oder ihrer besten
Freundin vorgestellt
„Ich fühle mich wie auf einem Basar“, eröffnet eine von ihnen ihren
Vortrag. Wer an ihrer Freundin – oder jemand anderem – interessiert ist,
kann im Anschluss an die Präsentationen ins Gespräch kommen. Für die
Schüchternen liegen pinke Kärtchen aus, die mit der Telefonnummer oder dem
Instagram-Account beschrieben und heimlich weitergereicht werden können.
Die Veranstaltungsidee ist beliebt.
Das Hamburger Debüt ist trotz üppiger Preise – 20 Euro für die
Zuschauer:innen – ausverkauft. Noch an der Tür müssen drei Männer ohne
Eintrittskarte abgewiesen werden. Dabei hätte das Trio dem
Geschlechterverhältnis gutgetan. Nur ein Bruchteil der insgesamt 150
Menschen scheint männlich. Beim Ticketkauf konnte ausgewählt werden, ob
Interesse an Männern, Frauen oder allen Geschlechtern bestehe.
## Liebe fürs Leben
Im Saal öffnet eine Frau zwei Reihen vor mir die Dating-App Tinder. Wischt
ein paar Mal nach links, kein Interesse. Sie macht den Bildschirm aus.
Nicht mal eine Minute später: App öffnen. 25 Männer wegwischen. App
schließen. Den Blick durch den Raum schweifen lassen. Die App wieder
öffnen. Und täglich grüßt das Sixpack-Spiegelselfie. Erst die Moderatorin,
Dragqueen Magnifick, kann sie aus ihrer Endlosschleife befreien: „Ich
hoffe, dass ihr hier die Liebe eures Lebens findet!“ Die ersten Lacher des
Abends. Ob das Publikum über die eigene Teilnahme an der Veranstaltung oder
das von meiner Generation oft aufgegebene Konzept der „Liebe des Lebens“
lacht, bleibt offen.
Auch Magnifick stellt sich – na klar – mit einer Powerpoint vor und macht
Werbung: das Magnus Hirschfeld Centrum, eine Anlaufstelle für queere
Menschen, und den eigenen Instagram-Account. Zur Finanzierung ihrer
Schuhsucht, scherzt sie. Dann fragt sie den Raum nach den schlimmsten
Erlebnissen bei der Partner:innensuche. Das Gefühl, dass jede:r schon mal
aufgeben wollte, zieht sich durch den Abend. Vielleicht ist es diese
geteilte, selbstironische Verzweiflung, die die Powerpoints (meist) nicht
peinlich macht.
Alle scheinen genervt von den Apps, auf denen sich niemand festlegen will.
Auch im echten Leben kommt es kaum zu romantischen Begegnungen. Sogar beim
Schuster hätten die beiden Freundinnen Madita und Toni es deshalb schon
versucht, verraten sie nach der Show. Schließlich müsse es auch Singles
„mit normalen Berufen“ geben, hatte ihnen ihre vergebene Freundin Emily
geraten. Der Ausflug blieb erfolglos.
Die drei stehen gleich doppelt auf der Bühne, sowohl Madita als auch Toni
lassen sich vorstellen. Inspiration für ihre Folien haben sie bei
RTL-Dating-Formaten gesucht. Die meisten der Präsentationen sind kreativ:
Zwischen Pub-Quiz, Lückentexten, psychologischen Theorien und einer ganzen
Menge Internetreferenzen kann schnell verstanden werden, auf welche Art
Humor man sich einlassen würde.
Fast alle achten darauf, genau ein „unvorteilhaftes“ Foto in Szene zu
setzen. Beim Publikum kommen die Fotos mit Doppelkinn – oder, herrje, beim
Joggen – super an. Trotzdem leert sich der Raum nach der Veranstaltung
schnell. Etwa ein Drittel bleibt zurück, wagt erste Flirtversuche. Wer
nicht fündig wurde, kann sein Liebesglück im nächsten Monat direkt erneut
auf die Probe stellen.
9 May 2025
## LINKS
[1] /Dating-in-Berlin/!6079287
## AUTOREN
Charlina Strelow
## TAGS
Kolumne Großraumdisco
Schwerpunkt Stadtland
Dating
Singles
Liebe
Dating
DDR
Reality-Show
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