Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Todesschüsse auf Lorenz A. in Oldenburg: Das Rätsel um das Messer
> Dass Lorenz A. von der Polizei von hinten erschossen wurde, ist sicher.
> Der genaue Ablauf ist jedoch unklar – auch, welche Rolle ein Messer
> spielte.
Bild: Wurde von der Polizei von hinten erschossen: Lorenz A
Oldenburg taz | Der provisorische Gedenkort für Lorenz A. in der
Oldenburger Innenstadt wächst immer weiter. Neben Blumen und Kerzen
erinnern Fotos, Briefe und persönliche Gegenstände an den [1][in der Nacht
auf Ostersonntag von einem Polizisten erschossenen Schwarzen]. Er wurde 21
Jahre alt. Der genaue Ablauf der Ereignisse ist noch unklar. Einzig das
Obduktionsergebnis ist gesichert: mindestens drei Schüsse von hinten. In
Kopf, Oberkörper und Hüfte. Ein vierter soll ihn am Oberschenkel gestreift
haben.
„Für uns ist es schwer nachzuvollziehen, drei Schüsse von hinten zu
rechtfertigen. Gleichzeitig müssen wir natürlich die Ermittlungen abwarten
und gucken, was genau abgelaufen ist“, sagt Suraj Mailitafi, Sprecher der
Initiative „Gerechtigkeit für Lorenz“. Die Initiative verweist auf ähnlic…
Fälle tödlicher Polizeigewalt gegen Schwarze: „Wir fordern lückenlose
Aufklärung.“
Laut Darstellung der Polizei wurde Lorenz A. in der Nacht auf Ostersonntag
der Eintritt in eine Diskothek verwehrt. Mehrere Augenzeug*innen
berichten, wegen seiner Jogginghose sei ein Konflikt vor dem Pablo’s in der
Mottenstraße entbrannt. Laut Polizei habe er schließlich einen Reizstoff in
Richtung der Security-Mitarbeiter gesprüht, was mehrere Menschen leicht
verletzt haben soll.
Anschließend sei er geflohen und von einer Gruppe verfolgt worden. Der
Getötete soll seinen Verfolgern laut Polizei mit einem Messer gedroht
haben, woraufhin sie die Verfolgung abgebrochen hätten.
Donnerstagnachmittag veröffentlichte die Staatsanwaltschaft eine
Pressemitteilung, wonach bei dem Getöteten das Messer sichergestellt wurde.
## Fünfmal geschossen
Danach sei A. laut Polizei in einer benachbarten Straße auf die erste
Polizeistreife getroffen und weiter davongerannt. Wenig später sei er in
der Achternstraße auf eine zweite Streife getroffen. „Dort ging er
bedrohlich auf die Polizisten zu und sprühte dabei Reizstoff in ihre
Richtung“, so stellte es die Polizei zunächst dar.
Nun erklärt die Staatsanwaltschaft, er sei an mehreren Beamten
vorbeigelaufen. [2][Daraufhin habe ein 27-jähriger Beamter fünfmal
geschossen.] Der Getötete sei mehrfach getroffen worden und im Krankenhaus
den Verletzungen erlegen. Die Bodycams der Beamten seien während des
Vorfalls nicht eingeschaltet gewesen.
Unter anderem die Bild-Zeitung schrieb von einem „Messer-Angreifer“, auch
der NDR verbreitete am Dienstag kurzzeitig die Falschmeldung, dass Lorenz
die Beamten mit einem Messer angegriffen haben soll. Auf Nachfrage
bestätigt die Staatsanwaltschaft der taz den ursprünglichen Polizeibericht,
wonach er lediglich Reizgas versprüht haben soll. Die Richtigstellung
seiner eigenen Falschmeldung verkaufte der NDR am Mittwoch als neue
Informationen.
Daraufhin verbreiteten Medien wie Radio Bremen, die Staatsanwaltschaft habe
bestätigt, dass zu keinem Zeitpunkt ein Messer im Spiel war und auch, dass
sie von einem „möglichen ‚Augenblicksversagen‘“ spreche. Beides dement…
die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage. In Chat-Gruppen kursieren Name und
Bild eines Polizeibeamten. Die Staatsanwaltschaft betont, dass es sich
dabei nicht um den Schützen handelt. Dieser wurde vorläufig vom Dienst
freigestellt.
Die Ermittlungen führt nun die benachbarte Polizei aus Delmenhorst. Das sei
gängige Praxis, erklärt der Jurist Thomas Feltes, der die Mutter von Lorenz
vertritt. Eine größere Distanz wäre jedoch wünschenswert. In Delmenhorst
hat der bis heute unaufgeklärte Tod von Qosay Khalaf in Polizeigewahrsam
2021 Kritik ausgelöst. Feltes betont: „Letztendlich kommt es im Moment
darauf an, dass alle objektiven und subjektiven Beweismittel gesichert
werden.“ Besonders entscheidend sei nun, wie der Polizeibeamte vernommen
wird: „Wenn er jetzt als Zeuge vernommen wird und später zum Beschuldigten
wird, kann die Aussage unter Umständen vor Gericht nicht mehr verwendet
werden.“
Positiv hebt Feltes den transparenten Umgang der Staatsanwaltschaft mit den
Obduktionsergebnissen hervor: „Das ist bei Weitem nicht selbstverständlich,
wie wir bei anderen Fällen in der Vergangenheit leider gesehen haben. Das
lässt mich hoffen, dass die Staatsanwaltschaft sich intensiv mit dem Fall
beschäftigt.“ Die Gewerkschaft der Polizei in Niedersachsen warnte
unterdessen vor einer Vorverurteilung der Polizei.
Für Freitag hat die Initiative „Gerechtigkeit für Lorenz“ eine Demo um 18
Uhr auf dem Pferdemarkt organisiert. „Wir wollen solidarisch mit Lorenz,
seinen Angehörigen und anderen Opfern von Polizeigewalt sein. [3][Wir
wollen damit zeigen, dass Lorenz kein Einzelfall ist,] und die Strukturen
aufdecken“, sagt Sprecher Mailitafi. Die Initiative geht inzwischen von
deutlich mehr Teilnehmenden aus, als sie ursprünglich angemeldet hatte:
„Das war eine Reaktion auf die Solidarität, die wir spüren.“ Der Fall
erregt bundesweit Aufmerksamkeit. Besonders aus Rücksicht auf die Familie
betont Mailitafi: „Wir wollen eine friedliche Demonstration.“ Lorenz’
Mutter bitte eindringlich um eine gewaltfreie Veranstaltung, die vom
Gedenken an ihn getragen wird.
24 Apr 2025
## LINKS
[1] /Toedlicher-Polizeieinsatz-in-Oldenburg/!6083773
[2] /Toedlicher-Polizeieinsatz-in-Oldenburg/!6083773
[3] /Toedlicher-Polizeieinsatz-in-Oldenburg/!6080708
## AUTOREN
Aljoscha Hoepfner
## TAGS
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Tödliche Polizeischüsse
Oldenburg
BPoC
Sicherheitspolitik
Social-Auswahl
Oldenburg
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Oldenburg
Polizei Niedersachsen
Oury Jalloh
## ARTIKEL ZUM THEMA
Geburtstag von getötetem Lorenz A.: Schwarze Ballons und sportliches Gedenken
Am Sonntag wäre Lorenz A., der an Ostern von einem Polizisten erschossen
wurde, 22 Jahre alt geworden. In Oldenburg und weiteren Städten wurde an
ihn gedacht.
Demonstration für Lorenz A.: Eine Stadt trauert
Am Freitag gedachten 10.000 Menschen in Oldenburg des von einem Polizisten
erschossenen Lorenz A. Angehörige fordern eine lückenlose Aufklärung.
Tödlicher Polizeieinsatz in Oldenburg: Schon wieder kam ein junger schwarzer M…
Hätte der Tod verhindert werden können? Hoffnung machen die Initiativen,
die unermüdlich für Aufklärung kämpfen – sie geben keine Ruhe.
Tödlicher Polizeieinsatz in Oldenburg: Drei Schüsse von hinten
Ein 21-jähriger Schwarzer wurde in der Nacht zum Sonntag erschossen. Nach
der Obduktion sieht auch die Innenministerin „schwerwiegende Fragen“.
Tod in Dessauer Polizeizelle: 800 Menschen erinnern an Oury Jalloh
Vor genau 20 Jahren verbrannte der Asylbewerber gefesselt im Dessauer
Polizeirevier. Zwei damit verbundene Todesfälle beschäftigen die Justiz
weiter.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.