# taz.de -- Südafrikas Umweltminister über G20: „Ohne die USA fehlt auch ei… | |
> Die G20 funktionieren auch ohne Trump, findet Südafrikas Umweltminister | |
> Dion George. Das Land hat die gerechte Energiewende erfunden – und nun? | |
Bild: Grüne Zukunft mit Wasserstoff: Solarpanele in Südafrika | |
taz: Herr George, Südafrika hat in diesem Jahr die G20-Präsidentschaft | |
inne. Der US-Finanzminister hat bereits ein Treffen ausgelassen, ebenso der | |
Außenminister. Kann die G20 ohne die USA funktionieren? | |
Dion George: Es gab Gespräche mit den USA, und sie haben über ihre | |
Prioritäten gesprochen. Sie nehmen also teil, wenn auch ohne Minister. Es | |
bleibt abzuwarten, welche Positionen sie einnehmen werden. Die G20 ist eine | |
starke Institution. Selbst für eine große Nation wie die USA ist es sehr | |
schwer, [1][ihren Kurs zu ändern]. | |
taz: Wer tritt in die Lücke, die die USA hinterlassen? | |
George: Die Europäische Union hat sich etwas stärker engagiert, besonders | |
gegenüber Südafrika, und China ebenfalls. Als die USA die Mittel für das | |
Fusion Centre, das Daten zur Bekämpfung des illegalen Wildtierhandels | |
sammelt, zurückgezogen haben, hat China seine Unterstützung angeboten. | |
taz: Sie leiten die Arbeitsgruppe für Klima und Nachhaltigkeit der G20. Wie | |
hat sich die US-Regierung bei den letzten Treffen verhalten? | |
George: Sie haben bisher nicht teilgenommen. Wir wissen, dass sie sich | |
nicht auf das Klima konzentrieren werden. | |
taz: Erleichtert es die Abwesenheit der USA bei den Klimaverhandlungen den | |
verbliebenen 19 Teilnehmern nicht sogar, einen Konsens zu finden? | |
George: Genau darum geht es: Wer nicht am Verhandlungstisch sitzt, kann | |
nichts beeinflussen oder sagen. Ohne die USA verändert sich das Bild. Und | |
es könnte den Wandel durchaus beschleunigen, weil es diese ziemlich große | |
und einflussreiche Handbremse nicht mehr gibt. | |
taz: Südafrika ist [2][immer noch sehr von Kohle abhängig], und das | |
Energiesystem funktioniert nicht, Stromausfälle kommen häufig vor. Zu Ihren | |
Aufgaben als Umweltminister gehört es, die Energiewende mitzugestalten. Ist | |
das eine Chance, das Energiesystem zu verbessern und gleichzeitig zu | |
dekarbonisieren? | |
George: Ja, aber das ist sehr schwierig. Unser Staatsunternehmen Eskom, das | |
die Kohlekraftwerke betreibt, ist nicht funktionstüchtig. Es hat sich enorm | |
viel Geld geliehen. Und das muss natürlich zurückgezahlt werden. Aber Eskom | |
hat diese Anleihen zu einem besonders guten Preis angeboten, die Investoren | |
haben sie gerne gekauft. Eskom und diese Investoren wollen also das | |
Strommonopol behalten, das der Konzern noch immer weitgehend hat. So können | |
sie die Preise so hoch wie möglich halten und Einnahmen erzielen, um die | |
Schulden zu tilgen. | |
taz: Beeinflusst das die Energiewende? | |
George: Ja. Es gibt mehr als genug Interesse und Investitionen in grüne | |
Energie und unabhängige Stromerzeugung. Aber sie kommen nicht in den Markt, | |
weil Eskom auch die Regulierungsbehörde ist. Auch beim Bau neuer | |
Übertragungsleitungen gab es praktisch keine Fortschritte, da Eskom kein | |
Interesse daran hat, neue Stromerzeuger an das Netz anzuschließen. Viel zu | |
lange wurde Eskom nicht ausreichend zur Rechenschaft gezogen. Das ist | |
schwierig, weil sie alles kontrollieren. Wenn sie der Meinung sind, dass | |
wir zu streng vorgehen, können sie Stromausfälle anordnen. Das ist die | |
Komplexität, mit der wir umgehen müssen. | |
taz: Ein Teil dieser Komplexität liegt darin, dass die Gewerkschaften in | |
Südafrika fossilen Brennstoffen gegenüber sehr positiv eingestellt sind. | |
George: Die Gewerkschaften wollen grüne Energie. Sie wollen, dass Menschen | |
im grünen Sektor arbeiten, und sie wollen gesunde Menschen. Aber die | |
Schwierigkeit besteht darin: Wie bewältigt man diesen Übergang? Denn in der | |
Kohleindustrie arbeiten viele Menschen, die nicht qualifiziert genug sind, | |
um in andere Sektoren zu wechseln. Wir haben in Südafrika massive | |
Arbeitslosigkeit. Die Gewerkschaften werden nichts unternehmen, das | |
Menschen arbeitslos macht. | |
taz: Gleichzeitig gelten Gewerkschaften für eine gerechte Energiewende als | |
unverzichtbar, um gute Arbeitsbedingungen und Löhne zu gewährleisten. Ist | |
es möglich, diese Kluft zu schließen? | |
George: Der Wert der Gewerkschaften liegt darin, dass sie nach Wegen | |
suchen, die Arbeiter mitzunehmen. Uns ist vollkommen klar, dass wir nicht | |
Europa sind. Die Situation ist völlig anders. In Südafrika gibt es kein | |
soziales Netz. Wenn man seinen Job verliert, kann der Staat nicht helfen. | |
Deshalb war Südafrika von Anfang an einer der Hauptarchitekten der Just | |
Energy Transition, der gerechten Energiewende. | |
taz: Die Just Energy Transition Partnerships (JET-P) in Südafrika sowie | |
ähnliche Programme in Indonesien und Vietnam wollen öffentliche Mittel | |
nutzen, um private Finanzmittel zu mobilisieren und dabei sozial gerechte | |
Wege zur Dekarbonisierung der Stromerzeugung zu fördern. 2022 haben die | |
USA, Deutschland und Japan ein großes Bohei um JET-P gemacht. Bisher wurde | |
jedoch deutlich weniger Geld mobilisiert als erwartet. Trotzdem gilt die | |
Mobilisierung privater Finanzmittel immer noch als Schlüssel zur | |
Finanzierung der Energiewende. Hat Ihre Erfahrung damit gezeigt, dass es | |
nicht funktioniert? | |
George: Nein, ich finde, man kann sich auf die privaten Finanziers | |
verlassen. Denken Sie daran: Der Privatsektor investiert nur, wenn er damit | |
Geld verdient. Aus anderen Gründen investiert er nicht. Das Problem ist, | |
dass Geld für Südafrika zu teuer ist. Kredite kosten für uns mehr Geld, | |
weil die Investition als riskanter angesehen wird. Wir zahlen deutlich mehr | |
als europäische Länder und Unternehmen. Warum? In Europa herrscht Krieg, | |
und trotzdem bekommen sie billigere Kredite. Aber damit müssen wir leben. | |
Es ist sogar die Aufgabe der Regierung, daran zu arbeiten. | |
taz: Aber Ihre Regierung hat finanzielle Probleme. | |
George: Schon, aber sie kann angemessen regulieren und es denjenigen, die | |
investieren wollen, leichter machen. Deshalb sind wir sehr engagiert bei | |
der Diskussion über Kapitalkosten und eine globale Finanzarchitektur. Es | |
geht nicht nur um Südafrika, sondern um den gesamten Globalen Süden. Mitte | |
März war das erste der G20-Treffen, dort haben wir uns damit befasst. | |
Überall auf der Welt wollen Menschen investieren, aber sie schaffen es | |
nicht wegen der Vorschriften. Sie können die Kraftwerke nicht bauen. Das | |
Stromnetz fehlt. Wenn das alles klappt, kommen auch die Investitionen. | |
taz: Sie vertrauen also darauf, dass JET-P am Ende funktioniert? | |
George: Ich denke schon. Nun müssen wir uns vielleicht fragen: Was müssen | |
wir von hier aus weiterentwickeln? Denn denken Sie daran, alles ändert sich | |
ständig. Einige europäische Länder rücken nach rechts und sind deutlich | |
weniger großzügig gegenüber anderen. Damit müssen wir leben. Aber Not macht | |
erfinderisch. Deshalb glaube ich, dass Südafrika einen Weg finden wird. Das | |
mag chaotisch und laut sein. Meine Aufgabe ist es, dabei zu helfen. Man | |
will nichts kaputt machen, aber möglicherweise geht die Energiewende nicht, | |
ohne Schaden anzurichten. Das ist schwierig zu lösen. Aber genau darum geht | |
es bei der gerechten Energiewende. | |
7 Apr 2025 | |
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Jonas Waack | |
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