# taz.de -- Ostermarsch in Mainz: Zehn Minuten bis Moskau | |
> Die Friedensbewegung hat zu kämpfen: mit dem eigenen Niedergang und mit | |
> prorussischen Strömungen. Trotzdem ostermaschierte es auch in Mainz | |
> wieder. | |
Bild: Ewiges Symbol der Friedensbewegung: die weiße Taube | |
Wiesbaden taz | Am Ostersamstag versammelten sich rund 500 Menschen am | |
Mainzer Hauptbahnhof [1][zum traditionellen Ostermarsch] unter dem Motto | |
„Für eine Welt ohne Krieg, Militär und Gewalt“. Unterstützt wurde er von | |
Dutzenden Organisationen sowie Gewerkschaften aus Mainz und Wiesbaden. | |
Anlass war unter anderem die geplante Stationierung von | |
Mittelstreckenraketen: Ab 2026 sollen auf dem US-Militärgelände im | |
Wiesbadener Stadtteil Mainz-Kastel entsprechende Waffensysteme befehligt | |
werden. „Darunter geplant sind Überschallflugkörper. Die reichen in zehn | |
Minuten bis Moskau. Und das ist weniger als von hier bis zum Rhein“, sagt | |
Jürgen Nieth, einer der Organisatoren der Demonstration. Im Kriegsfall | |
müsse Russland militärischer Logik zufolge zuerst das Land ins Visier | |
nehmen, in dem diese Erstschlagswaffen stationiert sind – also Deutschland. | |
Der 70-jährige Mainzer Nieth war bereits in den 1980er Jahren im | |
Koordinationsausschuss der Friedensbewegung aktiv. Denn das | |
Rhein-Main-Gebiet hat eine lange Geschichte mit US- und Nato-Stützpunkten. | |
Dazu zählt auch das Hauptquartier der US Army Europe in Wiesbaden, wo rund | |
20.000 Soldaten und Angehörige stationiert sind. Ein neues Kommando in | |
Wiesbaden unterstützt zudem seit Ende vergangenen Jahres die Ausbildung | |
ukrainischer Soldaten und koordiniert die Waffenlieferungen an die Ukraine. | |
Auch die Friedensbewegung im Rhein-Main-Gebiet sei davon beeinflusst – sie | |
sei nun wieder gewachsen. | |
Wenn Friedrich Merz und Verteidigungsminister Pistorius „diesem Trump die | |
Möglichkeit geben, von deutschem Boden aus einen Weltkrieg zu entfachen, | |
spielen sie mit dem Leben unserer Bevölkerung“, so Nieth. Sie seien das | |
größte Sicherheitsrisiko für Deutschland. Besonders besorgt sei der Mainzer | |
aber über die USA: „Über den Einsatz amerikanischer Waffen entscheidet der | |
US-Präsident – und der heißt jetzt Trump“, so Nieth. Im Rhein-Main-Gebiet | |
fürchte man nicht die Russen, sondern die Amerikaner. | |
Und was ist mit der Gefahr durch Putin? „Er ist ein Machtpolitiker, er | |
möchte Russland wieder als Weltmacht sehen, aber er ist sicher kein | |
Selbstmörder“, so Nieth. Man müsse mit Russland verhandeln und „wir müss… | |
einen Kompromiss schließen.“ | |
## Kein Interesse | |
[2][Brigitte Forßbohm], stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken in | |
Wiesbaden, ist sich da nicht so sicher. „Wer meint, dass es zur Beendigung | |
des Krieges nur am Willen zur Diplomatie fehle, muss doch zur Kenntnis | |
nehmen, dass es seitens Putins kein Interesse an Verhandlungen gibt“, sagt | |
die Wiesbadener Politikerin am Ostersamstag – stößt damit auf Kritik bei | |
anderen Demonstrierenden. | |
In der Friedensbewegung gebe es Menschen, die sehr stark prorussisch seien | |
und ausschließlich der Nato die Schuld gäben. „Wir sehen: Russische | |
Propaganda ist hier gelungen“, so Forßbohm. Die Stationierung von US-Lang- | |
und Mittelstreckenraketen berge große Risiken, „insbesondere für Wiesbaden | |
als Sitz der Kommandozentrale für diese Waffen, aber auch für ganz | |
Deutschland“. | |
Forßbohms Fraktion regiert derzeit in Wiesbaden gemeinsam mit Bündnis | |
90/Die Grünen, SPD und Volt. Im September 2024 stellte die Linksfraktion | |
einen Antrag in der Stadtverordnetenversammlung, die Stationierung von | |
landgestützten US-Langstreckenwaffen sowie die Einrichtung eines | |
Nato-Hauptquartiers in Wiesbaden-Erbenheim abzulehnen. Der Antrag wurde | |
abgelehnt. | |
Das bedeute jedoch nicht, dass die Stadtpolitik der Stationierung | |
grundsätzlich zustimme. „Insgesamt gibt es in der Stadtpolitik große Sorge, | |
aber auch Hilflosigkeit.“ Denn auf kommunaler Ebene hat Wiesbaden kaum | |
Einfluss auf die Planungen: Die städtische Planungshoheit ist nicht | |
betroffen, da bislang keine Umbauten oder sonstigen baulichen Maßnahmen | |
durchgeführt wurden. Es wird in der Stadtpolitik davon ausgegangen, dass | |
bereits ausreichende räumliche Kapazitäten vorhanden sind – daher greifen | |
auch keine Anhörungs- oder Beteiligungsrechte der Landeshauptstadt | |
Wiesbaden. So erklärte es Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) im | |
vergangenen Februar: „Ich stehe öffentlich für Frieden und Abrüstung. Die | |
Entscheidungen darüber werden aber auf anderen politischen Ebenen | |
getroffen.“ | |
## Auf schwachen Füßen | |
Doch die Linksfraktion in Wiesbaden will sich mit dieser Lage nicht | |
abfinden. Sie plant, verfassungsrechtlich gegen die geplante Stationierung | |
vorzugehen. „Die gemeinsame Erklärung von Scholz und Biden zur | |
Raketenstationierung steht verfassungsrechtlich auf schwachen Füßen“, so | |
Forßbohm. | |
Widerspruch kommt von CDU und FDP. Wie der [3][Wiesbadener Kurier] | |
berichtet, hält Bernd Wittkowski, Fraktionsvorsitzender der CDU, es für | |
keineswegs sicher, dass die Raketen ab 2026 tatsächlich in Wiesbaden | |
stationiert werden. Zudem müsse man Putin ein Mittel der Abschreckung | |
entgegensetzen. Wiesbaden habe keinen Grund zur Sorge, so Wittkowski: Keine | |
Stadt in Deutschland sei durch die Präsenz der Amerikaner so sicher wie die | |
hessische Landeshauptstadt. Auch Christian Diers, Fraktionsvorsitzender der | |
FDP, verteidigt die Raketenstationierung: „Irgendwo müssen diese Raketen | |
eben hin. Die Ukraine hat sich ihr Schicksal auch nicht ausgesucht.“ | |
21 Apr 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.dfg-vk-mainz.de/aktuell/ostermarsch-2025 | |
[2] https://www.brigitteforssbohm.de/ | |
[3] https://www.wiesbadener-kurier.de/ | |
## AUTOREN | |
Yağmur Ekim Çay | |
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