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# taz.de -- Sprechen über den Krieg in Gaza: Ein Renegat entdeckt das G-Wort
> Hamed Abdel-Samad tat sich früher mit „islamkritischen“ Äußerungen
> hervor. Jetzt spricht er vom „Genozid“ in Gaza. Einstige Fans sind
> enttäuscht.
Bild: Der Politikwissenschaftler und Publizist Hamed Abdel-Samad
Berlin taz | Den Religionsgründer Mohammed bezeichnete er in einem seiner
Bücher einmal als „Massenmörder“ und Psychopathen, der an Narzissmus und
Größenwahn gelitten haben soll, und verglich ihn sogar mit Adolf Hitler.
Seine „Krankheiten“, so Hamed Abdel-Samad, habe Mohammed an die Muslime von
heute „vererbt“, weswegen Terrorgruppen wie die IS-Milizen und Boko Haram
die logischen, ja zwangsläufigen Folgen seiner Lehre seien. Der Faschismus,
schrieb er in einem anderen Buch, sei letztlich im Islam selbst angelegt.
Mit solchen plumpen und fragwürdigen Thesen stieg Hamed Abdel-Samad in
Deutschland zum beliebten Bestseller-Autor auf. Der Deutsch-Ägypter wurde
1972 in der Nähe von Kairo als Sohn eines Imams geboren. Als Student
liebäugelte er nach eigenen Angaben mit den Muslimbrüdern. 1995 zog er nach
Deutschland, kehrte seiner Religion den Rücken und konvertierte zum
radikalen Renegaten. Der nach rechts abgedriftete Publizist Henryk M.
Broder nahm Abdel-Samad 2010 für eine satirisch gemeinte ARD-Sendereihe
unter seine Fittiche. Zur gleichen Zeit startete dieser seine Karriere als
„islamkritischer“ Autor.
In diesen Jahren, in denen ein Thilo Sarrazin seine größten Erfolge
feierte, dürstete das deutsche Publikum nach Kronzeugen wie Abdel-Samad,
die verbreitete Ressentiments gegen Muslime bedienten und gängige
Vorurteile bestätigten. Diese Publizistik bereitete den Weg für die
„Alternative für Deutschland“, die 2013 gegründet wurde und sich von
Ressentiments wie solchen nährte. Konsequenterweise trat Abdel-Samad in den
Anfangsjahren der AfD ein paar Mal bei deren Veranstaltungen auf und
verteidigte sie gegen Kritik. „Wenn die AfD sagt, die Sonne scheint heute,
dann würde ich nicht widersprechen“, sagte er einmal in der ARD.
## Ein Narzisst, dem es vor allem um sich selbst geht
Nun hat Abdel-Samad viele seiner Fans gegen sich aufgebracht. „Es gibt nur
ein Wort, das das, was gerade in Gaza passiert, genau beschreibt: Genozid“,
schrieb er am vergangenen Freitag auf seinen Social-Media-Kanälen X und
Facebook. „Schande über alle, die das unterstützen oder relativieren!“ Die
Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. „Ihre Worte schmerzen“,
schrieb die rechte Pro-Israel-Aktivistin Malca Goldstein-Wolf. „Dass Sie
die Seiten wechseln, tut mir richtig weh.“
„Ziemlich umständlicher Weg, ‚Hamas Forever‘ zu schreiben“, ätzte die
Kolumnistin und Influencerin Marie von den Benken („regendelfin“). „Wurde
der Account gehackt?“, fragten manche entsetzt. Andere suchten rassistische
Erklärungen. „Auf Dauer können diese Typen ihre DNA nicht verstecken“,
meinte eine Dana Weinstein. „Er ist halt immer noch Araber“, ein anderer.
Er sei „bereit, alle Konsequenzen zu tragen“, schrieb Abdel-Samad auf
Facebook pathetisch. Prompt sagten die Veranstalter eine geplante Lesung
mit ihm ab, die kommende Woche in Seligenstadt stattfinden sollte, einer
Kleinstadt zwischen Frankfurt und Aschaffenburg.
Warum Abdel-Samad gerade jetzt das G-Wort bemüht, um den Krieg in Gaza
anzuprangern, darüber kann man nur spekulieren. Hat er sein Gewissen
entdeckt, wie manche nun jubeln? Oder erträgt er die Bilder aus Gaza
einfach nicht mehr? Schwer zu sagen. Denn Hamed Abdel-Samad ist ein
Narzisst, dem es vor allem um sich selbst geht – davon zeugen viele Bilder
auf seinen Social-Media-Profilen, die hauptsächlich ihn zeigen: in
Talkshows, auf Bühnen, mit seinem Buch. Er ist ein Opportunist, der sein
Fähnchen gern in den Wind hängt. Möglicherweise denkt er, dass der Wind
sich gedreht hat – und hofft darauf, bald wieder bei Markus Lanz zu sitzen,
um über seinen neuesten Sinneswandel zu sprechen.
7 Apr 2025
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Hamed Abdel-Samad
Genozid
Islamkritik
Friedrich Merz
Israel
Jerusalem
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
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