# taz.de -- Kleiner Parteitag der Grünen: Entschlossen, klar und unentschieden | |
> Die Grünen beraten am Wochenende über Lehren aus der Wahlniederlage. Der | |
> Vorstand will das Profil schärfen, aber nicht mit Habecks Erbe brechen. | |
Bild: Vergangene Zeiten: Die Grünen-Vorsitzenden Banaszak und Brantner mit Rob… | |
Berlin taz | Die einen verhandeln am Wochenende weiter über den | |
Koalitionsvertrag. Die anderen beraten darüber, warum sie bei den | |
Koalitionsverhandlungen nicht mit am Tisch sitzen: Genau sechs Wochen nach | |
der Bundestagswahl treffen sich Delegierte der Grünen am Sonntag in Berlin | |
zu einem Kleinen Parteitag. Einziges Thema der Veranstaltung, die die | |
Partei satzungsgemäß als „Länderrat“ bezeichnet: Wie kam es zur Niederla… | |
am 23. Februar – und mit welcher Strategie kann es beim nächsten Mal wieder | |
besser laufen? | |
Eine erste Analyse legt der Bundesvorstand um die Parteichef*innen | |
Felix Banaszak und Franziska Brantner [1][in seinem Leitantrag] vor. In | |
Teilen kommt das Gremium darin zu anderen Schlüssen als Spitzenkandidat | |
Robert Habeck, der sich wegen der Wahlniederlage aus der ersten Reihe | |
zurückzieht. Der Grünen-Wahlkampf sei „großartig“ gewesen, hatte er [2][… | |
Morgen nach der Pleite gesagt]. Höchstens ein paar „kleine Wackler“ habe es | |
gegeben. | |
Von einem „starken Wahlkampf“ schreibt nun zwar auch der Vorstand, zählt | |
dann aber Fehler auf. Demnach hätten die Grünen sich nicht deutlich genug | |
von Friedrich Merz abgegrenzt, nachdem dieser im Januar im Bundestag mit | |
der AfD kooperierte. „Wir haben nicht ausreichend ausgestrahlt, dass | |
Regieren kein Selbstzweck ist – und dass eine Regierungsbeteiligung mit | |
einer Merz-CDU an klare Bedingungen geknüpft war.“ | |
Außerdem habe man in entscheidenden Debatten, zum Beispiel zur | |
Migrationspolitik, „eine kommunikative und strategische Unklarheit an den | |
Tag gelegt“. In der heißen Wahlkampfphase hatte Habeck [3][einen | |
restriktiven Zehnpunkteplan zu Migration und Sicherheit vorgelegt] und | |
dafür öffentliche Kritik aus den eigenen Reihen kassiert. Online wurde der | |
Plan zeitweise gelöscht und in Teilen umformuliert. Eine gemeinsame Linie, | |
das wurde klar, hatten die Grünen nicht. | |
## „Fester Stand“ und „klare Haltung“ | |
Die Lehre daraus für den Bundesvorstand, gestützt auch durch eine Analyse | |
interner Umfragedaten: Die Partei müsse ihr „eigenes grünes Profil wieder | |
entwickeln und deutlich sichtbar machen“. Es brauche „festen Stand“ und | |
„klare Haltung“ – auf diesen Konsens konnte sich das flügelparitätisch | |
besetzte Gremium einigen. | |
Unklar bleibt aber, wie das klare Profil denn aussehen soll, ob zum | |
Beispiel die grüne Asylpolitik strenger oder liberaler werden muss. In den | |
nächsten Monaten stünden „Debatten und Entscheidungen“ über Themen an, b… | |
denen bislang Meinungsverschiedenheiten durch „Formelkompromisse“ überdeckt | |
wurden, heißt es im Leitantrag. | |
Details zum Prozess sind noch nicht spruchreif, dafür macht der Vorstand | |
noch eine Auflage: Auch in Zukunft dürfe es nicht nur um die | |
Stammwählerschaft gehen, sondern ebenso um Gruppen, die „wir bisher noch | |
nicht von uns überzeugen konnten“. Neben dem klaren Profil wünscht sich die | |
Parteispitze auch zukünftig „eine Ansprache, die ganz verschiedene Menschen | |
adressiert“. Eine „Bündnispartei“ will man auch bleiben. So viel Habeck | |
soll es dann doch noch sein. | |
## Geteiltes Echo | |
Das Sowohl-als-auch, das den Antrag durchzieht, trifft in der Partei auf | |
unterschiedliche Reaktionen. Die einen werten das Papier als Signal des | |
Zusammenhalts. Schon in den letzten Wochen habe es die Partei geschafft, | |
sich trotz der Wahlniederlage nicht zu zerfleischen. Der Leitantrag nehme | |
diesen Geist nun auf. | |
Andere Grüne hätten sich dagegen mehr Entschiedenheit gewünscht. Der Antrag | |
zeige „ziemlich deutlich, dass sich die Flügel gerade nicht auf eine | |
Analyse einigen können, und ansonsten redet er viel um den heißen Brei“, | |
heißt es von dieser Seite. | |
Entsprechend gibt es aus der Partei auch Änderungsanträge am Papier des | |
Vorstands. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Migration & Flucht möchte für die | |
anstehenden Richtungsentscheidungen den Stellenwert der Menschenrechte | |
festschreiben. Die Grüne Jugend will die Mahnung verankern, dass Grüne für | |
die Umsetzung ihrer Positionen „kämpfen“, bevor sie „an Kompromisse | |
denken“. Das Spitzenpersonal soll in künftigen Wahlkämpfen keine eigenen | |
Zehnpunktepläne mehr veröffentlichen, sondern „geschlossenen Rückhalt für | |
das basisdemokratisch abgestimmte Wahlprogramm“ zeigen. | |
## Satzung ändern, Osten stärken | |
Neben der Klärung inhaltlicher Fragen kündigt der Bundesvorstand in seinem | |
Antrag noch zwei weitere Konsequenzen aus der Wahlniederlage an. Zum einen | |
will er eine Satzungskommission ernennen, die über „notwendige | |
Strukturreformen“ berät. | |
Zum anderen will er die ostdeutschen Landesverbände unterstützen, die in | |
den Ampel-Jahren besonders gebeutelt wurden, aus Landesregierungen und | |
-parlamenten flogen. | |
Unter anderem soll es im Herbst ein „grünes Festival mit dem Schwerpunkt | |
Osten“ geben. Die Präsenz in Kreisverbänden vor Ort will der Vorstand „zu | |
einem Schwerpunkt“ machen. Aus den Ost-Verbänden [4][hatte es zuvor | |
entsprechende Forderungen gegeben]. Mit den jetzigen Ankündigungen sind | |
dort aber noch nicht alle zufrieden: Die Vorschläge, so die Kritik, | |
reichten nicht aus. | |
4 Apr 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://antraege.gruene.de/1lr25/klar-grun-konstruktiv-auf-dem-weg-in-eine-… | |
[2] /Die-Gruenen-nach-der-Bundestagswahl/!6068460 | |
[3] /Gruene-Asyl--und-Sicherheitspolitik/!6064914 | |
[4] /Gruene-nach-Wahlniederlagen-im-Osten/!6073417 | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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