# taz.de -- Studie zur Ampelkoalition: Zumindest besser als beim ersten Mal | |
> Keine Chaostruppe, aber Luft nach oben: Eine Studie der | |
> Heinrich-Böll-Stiftung analysiert Aufstellung und Fehler der Grünen in | |
> der Ampelkoalition. | |
Bild: Die Ex-Spitzengrünen Nouripour, Lang, Baerbock und Habeck im November 20… | |
Berlin taz | Mit den Grünen ist kein Staat zu machen: In der Zeit der | |
Ampelregierung [1][streuten die Koalitionspartner FDP und SPD diesen | |
Vorwurf] in der einen oder anderen Form immer wieder. Was die Grünen | |
wollen, wüssten sie selbst nicht. Verhandlungen würden immer wieder | |
unterbrochen, weil die Grünen erst mal untereinander ihre Positionen | |
klären mussten. Und sei man sich mit dem einen einig (namentlich: | |
Vizekanzler Robert Habeck), machten die anderen (oft: die | |
Bundestagsfraktion) den Konflikt am nächsten Tag doch wieder auf. | |
[2][Eine Studie der Heinrich-Böll-Stiftung], am Mittwoch veröffentlicht, | |
geht jetzt der Frage nach, wie die Partei in den dreieinhalb Ampeljahren | |
tatsächlich gearbeitet hat. „Strukturen des Fortschritts“ lautet der Titel | |
des 96-seitigen Reports, der Entscheidungen der Ampelzeit nicht inhaltlich | |
bewertet. Stattdessen, so heißt es schon im Vorwort, geht es eben um „die | |
Abläufe, die Technik, die Mechanismen und die formellen wie informell | |
entwickelten Strukturen grünen Regierens“. | |
Beauftragt hat die Stiftung damit den Politikberater Arne Jungjohann, der | |
selbst einen Grünen-Hintergrund hat, einst für einen Bundestagsabgeordneten | |
und für den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried | |
Kretschmann gearbeitet hat. 32 grüne Politiker*innen und | |
Mitarbeiter*innen verschiedener Ebenen (Bundesregierung, Fraktion, | |
Parteivorstand, Länder) hat er für die Studie anonymisiert interviewt – im | |
laufenden Betrieb in den Monaten vor dem Ampelbruch. | |
Es war nicht alles schlecht, urteilt Jungjohann in seiner Auswertung. Ein | |
reiner Chaosladen seien die Grünen in den Regierungsjahren nicht gewesen. | |
Zumal im Vergleich zu ihrer ersten Regierungsbeteiligung ab 1998: Damals | |
seien sie komplett unerfahren gewesen, diesmal hätten sie sich schon in der | |
Oppositionszeit gründlich vorbereitet und seien auch dank | |
Regierungserfahrungen aus den Ländern professionell aufgestellt gewesen. | |
Zudem bescheinigt er den Grünen, das Prinzip Learning by Doing erfolgreich | |
angewandt zu haben. „Strukturen werden geschaffen, ausprobiert und | |
angepasst. Funktionieren sie nicht, werden sie aufgelöst.“ Habe sich ein | |
wöchentliches Meeting als wenig ergiebig erwiesen, habe man es nach ein | |
paar Monaten wieder abgeschafft und auf andere Formate gesetzt. | |
## Habeck in der Doppelrolle | |
Allerdings ist Jungjohanns Bilanz nicht nur positiv. Als eine Schwachstelle | |
machte er die Doppelrolle Robert Habecks und seines Wirtschaftsministeriums | |
aus. Zum einen musste Habeck innerhalb der Regierung für seine Fachthemen | |
kämpfen, zum Beispiel die Energiewende. Zum anderen war er als Vizekanzler | |
auch dafür zuständig, Interessen anderer grüner Ministerien durchzusetzen. | |
Für beides gleichermaßen habe sein begrenztes politisches Kapital nicht | |
immer gereicht, heißt es in der Studie. Parteiintern sei kritisiert worden, | |
dass er „zu sehr für sich und zu wenig für die grüne Seite“ verhandele. … | |
Vorschlag des Autors für die Zukunft: nicht mehr eine Staatssekretärin mit | |
beiden Aufgaben betrauen (bei Habeck war es Anja Hajduck), sondern die | |
Rollen auf zwei Personen aufteilen. | |
Überhaupt rät der Autor zu klaren und verteilten Rollen: „Für die | |
Regierungsbeteiligung ist es von Vorteil, wenn Regierende, Fraktion und | |
Partei ein klares Verständnis davon haben, welche Rolle sie jeweils | |
übernehmen sollten, für welche Aufgaben sie verantwortlich sind und welchen | |
Spielraum sie einander zugestehen.“ Wer genau für welche Aufgaben da ist, | |
hätten ihm die wenigsten Gesprächspartner*innen klar skizzieren können | |
– und die wenigen Ansichten, die Arne Junghohann zu hören bekam, | |
„unterschieden sich obendrein nicht unerheblich“, so der Autor wörtlich. | |
## Umstrittenes Spitzengremium | |
Das gilt auch für die Bewertung des wichtigsten informellen | |
Entscheidungsgremiums der Grünen in der Ampel: [3][In der sogenannten | |
Sechserrunde] tauschten sich Habeck, Außenministerin Baerbock, die Partei- | |
und die Fraktionsvorsitzenden regelmäßig aus. Sie sollte die dezentrale | |
Machtstruktur der Grünen widerspiegeln, war aber durchgehend umstritten. | |
Auch von Jungjohanns Gesprächspartner*innen wurde sie ambivalent | |
beschrieben: von den einen „als Ort von Konkurrenz und Uneinigkeit“, in dem | |
vor allem Robert Habeck kontrolliert und eingehegt worden sei – von andren | |
als professionelles Gremium, das „Differenzen moderiert“ und „für ein | |
geschlossenes Auftreten nach außen sorgt“. | |
Das vorsichtige Urteil der Studie: Es brauche künftig schlanke Strukturen | |
und ein strategisches Zentrum: „Wollen die Grünen ihre Strategiefähigkeit | |
in der Regierung erhöhen, könnte eine Reform der Sechserrunde – in | |
Struktur, Mandat und Sitzungspraxis – eine Chance dafür bieten.“ | |
11 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Klimabeschluesse-der-Bundesregierung/!5922204 | |
[2] https://www.boell.de/sites/default/files/2025-06/jungjohann-2025-strukturen… | |
[3] /Co-Fraktionsvorsitzende-ueber-Gruene/!5856083 | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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Ricarda Lang | |
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