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# taz.de -- Mordprozess gegen Pfleger: „Starkes Bedürfnis nach Ungestörthei…
> In Aachen steht ein Pfleger vor Gericht. Er soll Patient:innen mit
> Schmerz- und Beruhigungsmitteln getötet haben, um ruhigere Nachtschichten
> zu haben.
Bild: Wegen Mordes an neun Patienten vor Gericht: Der Angeklagte wird als fachl…
Aachen taz | Im Fall eines Krankenpflegers, der mindestens neun
Patient:innen ermordet haben soll, haben am Montag erste Zeuginnen vor
dem Landgericht Aachen ausgesagt. Die Frauen beschrieben den 44-jährigen
Ulrich S., mit dem sie ab 2014 im Krankenhaus Merheim der Kliniken der
Stadt Köln zusammengearbeitet hatten, als fachlich kompetent, aber extrem
empathielos gegenüber Patient:innen. Manchen wünsche er den Tod, habe der
Pfleger schon im vergangenen Jahrzehnt gesagt, erklärte eine ehemalige
Kollegin auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Markus Vogt. „Wenn
Patienten den Tod haben, haben sie ihren Frieden“, zitierte sie Ulrich S.
Angeklagt hat die Staatsanwaltschaft bisher aber nur Taten, die der Mann im
Zeitraum von Dezember 2023 bis Mai 2024 begangen haben soll. Sie wirft ihm
vor, auf der Palliativstation des Rhein-Maas-Klinikums in Würselen bei
Aachen 26 Menschen starke Schmerz- und Beruhigungsmittel gespritzt zu
haben, teilweise mehrfach. Dabei soll es sich um bis zu 16 Milligramm
Morphium und das Beruhigungsmittel Midazolam gehandelt haben. Der
Angeklagte äußerte sich vor Gericht bisher nicht zu den Vorwürfen.
Der Beschuldigte habe sich damit zum „Herrn über Leben und Tod“
aufgeschwungen, heißt es in der zu Prozessbeginn in der vergangenen Woche
verlesenen Anklage. Grund sei sein Wunsch nach wenig Arbeit gewesen: In
seinen Nachtschichten, die er auf eigenen Wunsch allein ableistete, habe er
seine Ruhe haben wollen, ist die Staatsanwaltschaft überzeugt: Der
Angeklagte habe „ein starkes Bedürfnis nach Ungestörtheit und wenig
Arbeitsaufwand“ gehabt.
Am Klinikum Würselen soll der Palliativpfleger die Mittel schlafenden, aber
auch wachen Patient:innen verabreicht haben. Viele von ihnen waren an
Krebs oder Demenz erkrankt und über 80 Jahre alt. In manchen Nächten soll
er die Injektionen mehrfach gesetzt haben, obwohl die ihm Anvertrauten
bereits ins Koma gefallen waren. Danach soll er die Krankenzimmer einfach
verlassen haben.
## Noch mehr Fälle?
Und die Zahl der Fälle könnte weitaus größer werden. Derzeit untersucht
wird die Zeit vor Dezember 2023, in der Ulrich S. nicht nur in Würselen und
Köln, sondern auch in einer Altenpflegeeinrichtung in Berlin und in einem
Hospital in Aachen gearbeitet hat. Mehrere Leichen wurden bereits
exhumiert.
In seiner Dimension erinnert der Prozess damit an den [1][Fall des
„Todespfleger“ genannten Niels Högel], der zwischen 1999 und 2005 an
Kliniken in Oldenburg und Delmenhorst wohl mehr als 100 Menschen getötet
hat. „Ja, ich bin ein Serienmörder“, soll der heute 48-Jährige im Gefäng…
geprahlt haben. Högel tötete jedoch nicht aus Faulheit, Überlastung oder
Empathielosigkeit, sondern aus Geltungssucht: Seinen Patient:innen
verabreichte Högel vornehmlich ein Herzmittel, um sie wiederbeleben und so
Kolleg:innen beeindrucken zu können.
Eine Parallele zum Fall Högel scheint dagegen offensichtlich: Statt
Verdachtsfällen kompromisslos nachzugehen, könnte Ulrich S. [2][von
verschiedenen Arbeitgebern zur Kündigung gedrängt und mit guten Zeugnissen
weggelobt] worden sein. So attestierte ihm ein ärztlicher Vorgesetzter in
Köln in Mails an Personalverantwortliche, aus denen Richter Vogt zitierte,
schon am 14. Mai 2020 ein „auffälliges, auch aggressives Verhalten“. Das
bedürfe einer „psychiatrischen Behandlung“. Fünf Tage später legte der A…
nach: Der Pfleger leide an einer „chronischen Erkrankung“ und brauche
„wahrscheinlich medizinische Behandlung“.
Dazu habe es eine Beschwerde von Kollegen gegeben, die ausdrücklich den
Verdacht äußerte, Ulrich S. könne „palliative Vorgänge“ durch die „Ga…
Morphin“ beschleunigen wollen. In einem Aufhebungsvertrag vom 10. Juni 2020
einigten sich beide Seiten dennoch neben einer sofortigen Freistellung auch
auf ein „wohlwollendes Arbeitszeugnis“: Das bescheinigte dem Verdächtigen
nicht nur „fundierte Fachkenntnisse, Fleiß und ständige
Einsatzbereitschaft“: Insgesamt sei sein „Verhalten vorbildlich“ gewesen.
Mit diesem Zeugnis bewarb sich Ulrich S. am Klinikum in Würselen, wo er ab
Oktober 2010 unbefristet eingestellt wurde – und gemordet haben soll.
31 Mar 2025
## LINKS
[1] /Patientenmoerder-in-Niedersachsen/!5461639
[2] /Mordserie-in-Delmenhorst/!5357689
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Pflege
Mordprozess
Krankenhäuser
Serienmörder
Prozess
Justiz
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