Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Leipziger Rapper HeXer auf Tour: Das Räuspern des Chorknaben
> Er ist ein HipHop-Lokalheld mit bundesweitem Punch. Der Battlerapper
> HeXer bringt Leipzig auf die Landkarte und ist gerade auf Tour.
Bild: Der HeXer auf der Bühne, Anfang März
Manches kann man sich nicht aussuchen. Seine Nachbarschaft etwa: Inmitten
des mittlerweile fast vollständig braun wählenden Bundeslandes Sachsen
wirkt Leipzig zumindest in Teilen mittlerweile wie ein linksgrüner
Fremdkörper. Befremdlich ist auch, wie selten die Großstadt popkulturell in
Erscheinung tritt. [1][Während es gute Songs über Hamburg, Berlin und sogar
Chemnitz gibt, hat die Messestadt abseits vom lebendigen Untergrund wenig
vorzuweisen]. Im Sommer 2021 versuchte die Rapperin salomé das mit ihrem
Track „Sommer in LE“ zu ändern, funktioniert hat es nicht.
Als Lokalheld konnte das der Rapper Franz Martens alias HeXer schwer
ertragen. Und als ehemaliger Battlerapper wusste er, wie es zu kontern
ist: Seine Replik „Sommer in LE“ strotzt vor Wärme, Bodenständigkeit und
unbemühter Coolness, hat mit der leichtfüßigen Hook Ohrwurmpotenzial. Der
Song machte ihn über die Stadt und über die Szene hinaus bekannt. [2][Mit
über sieben Millionen Streams] ist der Track gegenwärtig wohl der
meistgehörte Song mit Leipzig-Bezug.
Drei Jahre später steht die erste Headliner-Tour an: Es ist ganz schön
stickig im Backstage des Leipziger Clubs Conne Island, viele Freunde und
Bekannte sind schon da, Joints glimmen im schummrigen Licht. In Bälde wird
HeXer auf der Bühne stehen.
Aber es gibt ein Problem. „Was’ mit deiner Stimme los?“, so fragen alle,
die das leichte Kratzen in dem sonst so sonoren Klang hören. Er hat da eine
Theorie, der Vorabend soll eine Rolle gespielt haben. Aber das viele
Erklären macht’s nicht besser, die Joints auch nicht unbedingt,
Halstabletten hingegen womöglich schon. „Vielleicht erst mal nur ’ne
halbe“, scherzt ein Kumpel, als würde es um chemische Drogen gehen.
## Jede Silbe sitzt
In Leipzig ist HeXer spätestens seit „Sommer in LE“ eine Hausnummer. Der DJ
und Produzent Andre Mattick alias DJ Eule erkannte sein Talent schon 2019,
als Martens noch mit Hexer-Maske bei Rap-Battles antrat. Mattick nahm den
damals 19-Jährigen bei seinem Label Arjuna unter Vertrag und begleitet ihn
seitdem als DJ.
Trotz Stimmschräglage sitzt später im gut gefüllten Conne Island jede
Silbe. Das Publikum hilft lautstark mit, besonders bei den Tracks mit
Leipzig-Bezug. Und das sind einige: „Und es geht: Deutschland, Sachsen,
Leipzig, Westplatz, stehe auf 13 Uhr 12, in Connewitz drüben Gestein und
Geröll, doch ich kann es versteh’n bei ’ner Weidel und Björn“, heißt es
etwa im Text der neueren Single „Jeden Tag“.
Obwohl die Antifa-Botschaft darin nur kurz und bündig zum Ausdruck kommt,
hat der Track kurz vor der Bundestagswahl Aufsehen erregt. „Das ist schnell
in rechten Kreisen gelandet“, sagt HeXer und holt zum Beweis sein Handy
raus. Unter seinem Video finden sich zahlreiche rechte Kommentare und
Symbole. „Aber dann dachte ich mir: Manchmal muss man das machen. Ich habe
eine linke Einstellung zum Leben und zur Politik, und dazu stehe ich, auch
wenn es in meinen Songs nicht ständig um Nazis geht.“
## Botschaft gegen negative Gedankenspiralen
In der Tat sind die Themen, die HeXer in seinen Tracks bearbeitet,
vielseitig: „Abfucks“, live unüberhörbar ein Publikumsliebling, kommt mit
einem düsteren Trap-Beat daher, kommuniziert aber eine geradezu liebevolle
Botschaft gegen negative Gedankenspiralen: „Ja, wir seh’n, wie’s dir geht…
Wir verstehen deinen Frust / doch geteiltes Leid ist halbes / Also rede mit
uns.“
In „Rich Kid“ geht es um seine Herkunft. HeXer versucht erst gar nicht,
sich ein Gangsta-Image anzudichten, macht aber auch klar, dass es als Sohn
eines selbstständigen Fotografen finanziell bei ihm keinesfalls immer rosig
zuging: „Auf ’ner Schule mit dem Spitznamen ‚Eliteschule‘ / Doch zu Hau…
geht’s um Miete/ Immer wieder Schulden.“
Als Kind besuchte Franz Martens die berühmte Leipziger Thomasschule,
„bezahlt vom Staat“, wie er rappt. Er erhielt eine klassische
Gesangsausbildung, ging mit dem Thomanerchor auf Welttournee. Eine
Erinnerung an diese Zeit findet sich auch im Track „Chorgesang“, in dem
auch eine bekannte Zeile der Leipziger A-cappella-Band Die Prinzen –
ebenfalls ehemalige Thomaner – persifliert wird.
Mit 14 verlässt er das Internat, das für seinen Leistungsdruck und seine
Disziplinarpädagogik bekannt ist. Spuren der musikalischen Ausbildung
finden sich aber auf fast jedem Track, etwa, wenn die Hooks ein klein wenig
mehr Melodik aufweisen, als das im Genre üblich ist, oder wenn der ein oder
andere Reim eine sauber abgezählte Metrik durchscheinen lässt, die HeXer
live mühelos hält.
Eine Woche nach der Show in Leipzig steht er in Berlin auf der Bühne. Die
Stimme ist wieder da, die Joints auch. Man könnte annehmen, dass das
Publikum hier mit Leipzig-Hymnen nicht so leicht abzuholen ist – weit
gefehlt: „341“, ein Duett mit dem Rapper AzudemSK und der Leipziger
Festnetz-Vorwahl im Titel, funktioniert selbst in der Hauptstadt: „Ich
mache den Scheiß für Leipzig und das bleibt immer so“, heißt es da. Das
bleibt zu hoffen, denn dass diese Stadt nun ein solches Talent vorweisen
kann, hat sie verdient.
19 Mar 2025
## LINKS
[1] /DIY-Musikszene-Leipzigs/!6046075
[2] /Probleme-beim-Musikstreaming-Boom/!6072418
## AUTOREN
Konstantin Nowotny
## TAGS
HipHop
Rapper
Leipzig
Conne Island
Schwerpunkt Antifa
Spotify
Leipzig
Wahlen in Ostdeutschland 2024
## ARTIKEL ZUM THEMA
Probleme beim Musikstreaming-Boom: The Winner Takes It All
Spotify hat 95 Prozent Marktanteil am Musikstreaming in Deutschland. Welche
Gefahren darin liegen, erläutert ein investigatives Buch von Liz Pelly.
DIY-Musikszene Leipzigs: Zwischen Aufbruch und Verdrängung
Neue Alben von Shed Ballet, Afar Odea und Fastmusic aus Leipzig zeigen
vielfältigen Sound, der trotz prekärem Freiraum der wachsenden Stadt
gedeiht.
„01099“ über Ostdeutschland: „Dresden ist geil!“
Die Rapcrew „01099“ stammt aus der Elbestadt. Im Interview sprechen sie
über den Umgang mit der AfD, die Macht von Musikern und den sächsischen
Dialekt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.