| # taz.de -- Serie „Die Affäre Cum-Ex“: Milliardenfacher Steuerraub, einfac… | |
| > „Die Affäre Cum-Ex“ entwirrt einen der größten Finanzskandale. | |
| > Handwerklich aber bleibt die Serie unambitioniert – und das ist beinahe | |
| > tragisch. | |
| Bild: Sven Lebert (Nils Strunk, 3.v.r.) hört gebannt der Koryphäe Bernd Hausn… | |
| Am Anfang von „Die Affäre Cum-Ex“ erklärt Steuerfachanwalt Bernd Hausner | |
| (Justus von Dohnányi) das Vorgehen anhand einer Pfandflasche: Er spricht | |
| mit süffisanter Arroganz davon, wie man den Automaten dazu bringt, sich das | |
| Pfand mehrfach auszahlen zu lassen – und somit Gewinn zu machen. Natürlich | |
| geht es ihm aber eigentlich um weitaus größere Summen. | |
| Mit seiner Analogie will Hausner seinen Zuhörern die systematische, überaus | |
| lukrative künstliche Verwirrung europäischer Staaten über den tatsächlichen | |
| Eigentümer von Aktien schmackhaft machen, die später als | |
| [1][„Cum-Ex-Skandal“] bekannt wurde: Durch das schnelle Verschieben von | |
| Wertpapieren zwischen mehreren Beteiligten konnte der Staat nicht mehr | |
| feststellen, wer tatsächlich Steuern gezahlt hatte und erstattete sie | |
| mehrfach – obwohl sie nur einmal abgeführt wurden. | |
| Banken, Anleger und Anwälte haben [2][die europäischen Steuerbehörden so um | |
| nahezu 150 Milliarden Euro geprellt] – beziehungsweise jeden einzelnen | |
| EU-Bürger, vom Kleinkind bis zum Rentner, um 326 Euro, wie zu Beginn der | |
| Serie vorgerechnet wird. Showrunner Jan Schomburg, der mit Astrid Øye und | |
| Pål Sletaune das Drehbuch zu „Die Affäre Cum-Ex“ verfasste, geht es spür… | |
| um Aufklärung. Die Vorgänge der Finanzwelt werden verständlich erklärt und | |
| das Gros der Figuren basiert auf realen Vorlagen. | |
| So auch Hausner, der die Betrugsmasche 2005 in seiner Kanzlei (fälschlich) | |
| als „absolut legal“ anpreist. Er ist dem [3][mittlerweile mehrfach wegen | |
| Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen verurteilten Hanno Berger] | |
| nachempfunden. Der tat sich mit Kai-Uwe Steck zusammen, der sich seit Ende | |
| letzten Jahres ebenfalls vor Gericht verantworten muss. In der Serie wird | |
| er zu Sven Lebert (Nils Strunk), einem jungen Kollegen aus ärmlichen | |
| Verhältnissen, der in Hausners Vortrag die Chance auf das große Geld | |
| wittert und mit ihm nach London geht, um finanzkräftige Investoren | |
| anzuwerben. | |
| ## Wichtiges Ansinnen, schwächelnde Umsetzung | |
| Bis zur Hälfte der achtteiligen Erzählung steigen Hausner und Lebert zum | |
| Duo Infernale des wahrscheinlich größten Steuerraubs der europäischen | |
| Geschichte auf, und häufen für sich und ihre zahlkräftigen Kunden einen | |
| immensen Reichtum an. „Die Affäre Cum-Ex“ hat es allerdings nicht nur auf | |
| die Erklärung eines (überaus umfangreichen) Einzelfall abgesehen. Die Serie | |
| will empören, wachrütteln und auf [4][bis heute überdauernde Probleme] | |
| aufmerksam machen: Darauf, dass der Markt sehr wohl die begünstigt, die | |
| bereits über Macht und Mittel verfügen – und staatliche Kontrollmechanismen | |
| gerade bei den ganz großen Fischen versagen. | |
| Dafür werden Nebenfiguren wie Sven Leberts Vater (Thorsten Merten) in | |
| Stellung gebracht: Ein Handwerker, der im Zuge der [5][Lehman-Pleite 2008] | |
| all sein sauer erspartes Geld verliert – eine Summe, die der | |
| Anzugtäter-Sohn mittlerweile in nur einer Woche verdient. Vor allem aber | |
| widmet sich der zweite, in der dänischen Steuerbehörde angesiedelte | |
| Handlungsstrang den großen Gerechtigkeitslücken. Die Finanzbeamtin Inga | |
| Brøgger (Karen-Lise Mynster) und ihr Kollege Niels Jensen (David Dencik) | |
| kommen dort dem Steuerdiebstahl auf die Schliche, finden bei ihren | |
| Vorgesetzten, die lieber den Bürokratieabbau vorantreiben und keinen Staub | |
| aufwirbeln wollen, aber kein Gehör. | |
| ## Routinierte Thriller-Inszenierung | |
| Noch bevor es die Strippenzieher trifft, landet der eigentlich aufrichtige | |
| Jensen, der sich gemeinsam mit einem Freund schließlich selbst der | |
| Betrugsmasche bedient, vor Gericht. Den zentralen Akteuren geht es erst an | |
| den Kragen, als sich in der zweiten Hälfte öffentlicher Druck formiert, vor | |
| allem dank mutiger Journalisten und Einzelkämpfer, wie der ehemaligen | |
| Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker aus Köln, die in der Serie als Lena | |
| Birkwald (Lisa Wagner) vorkommt. Einige, wie Olaf Scholz, dessen Rolle hier | |
| ebenfalls thematisiert wird, bleiben hingegen unbescholten. | |
| Anders ausgedrückt: Wovon „Die Affäre Cum-Ex“ erzählt, ist von enormer | |
| gesellschaftlicher Dringlichkeit – die Serie selbst entwickelt eine solche | |
| wegen gehöriger handwerklicher Schwächen aber nicht. Nach einem | |
| einfallsreichen Auftakt verfällt die Regie von Dustin Loose und Kaspar Munk | |
| in eine routinierte TV-Thriller-Inszenierung. Belanglose Nebenschauplätze | |
| bremsen das Tempo zusätzlich, machen die Erzählung zäh und eintönig. | |
| Und das ist, angesichts des wichtigen Ansinnens dieser Serie, beinahe | |
| tragisch: Bei Veröffentlichung der „Cum-Ex Files“ blieb der große Aufschr… | |
| in den Sozialen Medien zunächst aus, stattdessen beschäftigte sich die | |
| Öffentlichkeit lieber mit einem Bild, das [6][Politikerin Sawsan Chebli mit | |
| einer teuren Uhr] zeigte. Womöglich, weil die bedeutenden Systemfehler | |
| selten mit einem Gesicht versehen, zu weit weg oder schlicht zu komplex | |
| sind, um einen ähnlichen Shitstorm auszulösen. „Die Affäre Cum-Ex“ ände… | |
| das, macht selbst komplexe Finanzvorgänge verständlich und den Skandal | |
| nachvollziehbar – aber ob das Publikum dieses Mal interessierter hinschaut, | |
| bleibt fraglich. | |
| 24 Mar 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Cum-Ex-Geschaefte/!t5261780 | |
| [2] /Cum-Ex-Steuerraub/!5825357 | |
| [3] /Urteil-gegen-Cum-Ex-Schluesselfigur/!5934787 | |
| [4] /Fruehere-Oberstaatsanwaeltin-Brorhilker/!6060270 | |
| [5] /Zehn-Jahre-nach-der-Lehman-Pleite/!5533479 | |
| [6] /Diskussion-um-Sawsan-Chebli-und-die-Uhr/!5543347 | |
| ## AUTOREN | |
| Arabella Wintermayr | |
| ## TAGS | |
| Serien-Guide | |
| TV-Serien | |
| Cum-Ex-Geschäfte | |
| soziale Ungleichheit | |
| Steuerhinterziehung | |
| Cum-Ex-Geschäfte | |
| Cum-Ex-Geschäfte | |
| Steuern | |
| Johannes Kahrs | |
| Cum-Ex-Geschäfte | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Steuerdieb Kai-Uwe Steck: Warum er trotz Cum-Ex nicht ins Gefängnis muss | |
| Der Anwalt und Berater hat sich zu Unrecht um 50 Millionen bereichert. Nun | |
| wurde er verurteilt – aber nur auf Bewährung. Und das hat Gründe. | |
| Umstrittene Finanz-Deals: Kritik an Sparkassen und Politik | |
| Cum-Cum-Deals kosteten den Staat gut 28 Milliarden Euro. Auch Sparkassen | |
| bereicherten sich, meint Ex-Oberstaatsanwältin Brorhilker. | |
| Frühere Oberstaatsanwältin Brorhilker: „Cum-Ex läuft weiter“ | |
| Sie war die wichtigste Ermittlerin in dem Steuerskandal. Anne Brorhilker | |
| glaubt, dass es die illegalen Deals noch gibt – zulasten der Steuerzahler. | |
| Verwicklungen der SPD: Ein Raubzug namens Cum-ex | |
| Das Hamburger Bankhaus Warburg, ein verbrecherisches Hütchenspiel – und was | |
| das mit Kanzler Olaf Scholz und SPD-Politiker Johannes Kahrs zu tun hat. | |
| Staatsanwaltschaft lässt Scholz in Ruhe: Cum-Ex-Strafanzeige scheitert | |
| Die Strafanzeige des Anwalts Gerhard Strate gegen Tschentscher und Scholz | |
| zum Cum-Ex-Steuerskandal will die Staatsanwaltschaft nicht verfolgen. |