# taz.de -- EuGH-Verfahren gegen Polen: „Beispiellose Rebellion“ gegen EU-R… | |
> Generalanwalt Dean Spielmann erhebt massive Vorwürfe gegen das | |
> PiS-kontrollierte polnische Verfassungsgericht. Dieses will EU-Recht | |
> nicht beachten. | |
Bild: Der Europäische Gerichtshof mit Sitz in Luxemburg ist das oberste rechts… | |
Luxemburg taz | Das polnische Verfassungsgericht sei kein unabhängiges und | |
unparteiisches Gericht. Zu dieser Folgerung kommt der unabhängige | |
Generalanwalt Dean Spielmann in einem Vertragsverletzungsverfahren am | |
Europäischen Gerichtshof (EuGH). Demnach stelle es eine „beispiellose | |
Rebellion“ dar, dass Polens Verfassungsgericht den Vorrang des EU-Rechts | |
missachte. | |
Auslöser des Konflikts war der Versuch der einstigen rechtspopulistischen | |
Regierungspartei PiS, die ab ihrer Regierungsübernahme 2015 versuchte, die | |
polnische Justiz unter ihre Kontrolle zu bringen. Teile der Justiz wehrten | |
sich dagegen, indem sie den EuGH einschalteten. Dessen Anordnungen zur | |
Wahrung der Unabhängigkeit wurden jedoch vom polnischen Verfassungsgericht | |
für verfassungswidrig erklärt. | |
In [1][zwei Urteilen im Juli und Oktober 2021] erklärte das inzwischen | |
PiS-kontrollierte Verfassungsgericht, dass der EuGH seine Kompetenzen | |
überschreite, wenn er sich in die polnische Justiz einmische. Anordnungen | |
des EuGH zu Justizfragen sollten künftig in Polen nicht mehr beachtet | |
werden, so das Verfassungsgericht. EU-Recht könne nur beachtet werden, wenn | |
es der polnischen Verfassung entspreche (wie sie vom PiS-kontrollierten | |
Verfassungsgericht ausgelegt wird). | |
Dagegen leitete die EU-Kommission 2022 ein Vertragsverletzungsverfahren | |
ein. Zunächst wies die PiS-Regierung alle Vorwürfe zurück. Nach ihrer | |
Abwahl im Oktober 2023 und der [2][Regierungsübernahme durch den | |
liberal-konservativen Donald Tusk] erkannte die polnische Regierung die | |
Vorwürfe der EU-Kommission gegen das (immer noch PiS-kontrollierte) | |
Verfassungsgericht jedoch in vollem Umfang an. Der EuGH muss die Vorwürfe | |
aber dennoch prüfen. | |
## Gericht könne sich nicht auf polnische Verfassungsidentität berufen | |
In seinen Schlussanträgen, die das EuGH-Urteil vorbereiten, kam Spielmann | |
nun zu dem Schluss, dass Polens Verfassungsgericht den Vorrang des | |
EU-Rechts missachte. Er gelte auch gegenüber Verfassungsrecht, weil sonst | |
die EU nicht funktionieren könne. Das Gericht könne sich auch nicht auf die | |
polnische Verfassungsidentität berufen. | |
Zwar garantiere die EU allen Mitgliedsstaaten, dass sie deren „nationale | |
Identität“ achte. Das bedeute aber keinen Freibrief zum Abweichen von | |
EU-Recht, insbesondere bei [3][zentralen Werten wie der | |
Rechtsstaatlichkeit]. Wenn ein Mitgliedsstaat seine Verfassungsidentität | |
verletzt sehe, müsse der Fall dem EuGH vorgelegt werden, der den Konflikt | |
dann nach einem „fruchtbaren Dialog“ „endgültig“ entscheide, so Spielm… | |
Der zweite zentrale Vorwurf gegen das polnische Verfassungsgericht betrifft | |
seine Zusammensetzung. 2015 wurden von der PiS-Regierung drei ihr | |
nahestehende Richter ernannt, obwohl zuvor schon drei andere | |
Richter:innen gewählt worden waren. | |
Einer der illegitimen Verfassungsrichter ist immer noch im Amt. Auch die | |
2016 erfolgte Wahl von Julia Przylebska als Präsidentin des Gerichts wurde | |
von Generalanwalt Spielmann beanstandet, weil sie überwiegend von den | |
illegitimen Richtern gewählt wurde. Der EuGH wird sein Urteil in einigen | |
Monaten verkünden. | |
11 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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