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# taz.de -- Tuchel als England-Trainer: Überschaubarer Vertrauensvorschuss
> Thomas Tuchel hat sein Debüt als England-Coach mit 2:0 gewonnen. Aber
> seine vernichtende Kritik am beliebten Vorgänger Southgate ist riskant.
Bild: Auch bei früheren Arbeitgebern kein Liebling der Massen: Thomas Tuchel
Es war ein unfallfreies Debüt. So weit, so gut. Vom Hocker gehauen hat das
Spiel aber niemanden. In seinem ersten Spiel als [1][Cheftrainer der
englischen Nationalmannschaft] gewann Thomas Tuchels Team im
WM-Qualifikationsspiel mit 2:0 gegen Albanien, das sich kaum wehrte. So war
es relativ ruhig im Wembley-Stadion, und auch Tuchel war die meiste Zeit
ungewohnt ruhig.
Zufrieden war er aber nicht. Er monierte, dass es in einer schwierigen
zweiten Halbzeit an Disziplin gemangelt habe und er von seinen Spielern
unbeeindruckt gewesen sei. Phil Foden und Marcus Rashford wurden
ausgewechselt, nachdem sie ihre Chance nicht genutzt hatten. Aber immerhin
reichte der Auftritt für den Pflichtsieg.
Das ist nicht unbedingt ein gutes Zeichen. Die letzten zehn Trainer der
Three Lions hatten ebenfalls ihr erstes Spiel gewonnen, aber für irgendeine
Trophäe reichte es danach nicht. Tuchel hätte sich für seine Mission, den
WM-Pokal nach England zu holen, lieber an [2][Alf Ramsey] halten sollen,
den einzigen Trainer, der sein erstes Spiel verloren hat. Sein Team musste
sich 1963 im Parc des Princes mit 2:5 gegen Frankreich geschlagen geben.
Drei Jahre später war Ramseys England Weltmeister.
Diese Zeit hat Tuchel nicht. Man hat ihm einen 18-monatigen Vertrag
zugestanden. Er hat also nur eine Chance, sein Ziel zu erreichen.
Vermutlich war das ein kluger Schachzug vom englischen Verband, denn es
dauert nie sehr lange, [3][bis Tuchel sich mit seinen Vorgesetzten
entzweit]. Er blieb zwei Jahre in Dortmund, zweieinhalb bei PSG, 19 Monate
bei Chelsea, 14 bei Bayern.
## Vernichtendes Urteil
Vor dem Spiel gegen Albanien fällte Tuchel ein vernichtendes Urteil über
Englands Spielstil unter seinem [4][Vorgänger Gareth Southgate bei der
Europameisterschaft] im vergangenen Sommer. Es fehlte „die Identität, die
Klarheit, der Rhythmus, die Wiederholung von Mustern, die Freiheit der
Spieler, der Ausdruck der Spieler, der Hunger“. Also praktisch alles. Und
obendrein entfachte Harry Kane keinen Funken Leben.
Diese Analyse ist mutig, aber riskant. Southgate war beliebt, und immerhin
hat er die Mannschaft ins Finale geführt. Es gibt keinen Job in England,
bei dem man von mehr Menschen beobachtet und bewertet wird, und das
Hasspotenzial ist groß. Hinzu kommt bei Tuchel die Unannehmlichkeit seines
deutschen Passes. Die Boulevardpresse, allen voran die Daily Mail, sägt
seit der Vertragsunterzeichnung im Oktober an seinem Stuhl und wartet auf
einen Ausrutscher.
## „Lachnummer des Weltfußballs“
„Ein düsterer Tag für England, denn der Trainerjob geht an einen
DEUTSCHEN“, krächzte das Blatt damals. „Wir sind die Lachnummer des
Weltfußballs.“ Tatsächlich ist Tuchel nach [5][Sven-Göran Eriksson] und
Fabio Capello erst der dritte Ausländer, der die englische
Herren-Nationalmannschaft trainiert.
Gary Lineker, Englands Fußball-Legende, der in 82 Länderspielen für die
Three Lions 48 Tore erzielte, hätte Tuchel den Job ebenfalls nicht gegeben.
Er hätte sich für Lee Carsley entschieden, der als Interimstrainer zwischen
Southgate und Tuchel fungierte. Lineker war der Meinung, Carsley habe
England einen unterhaltsamen und offensiven Fußball beschert.
## „Tradition ist, nicht zu gewinnen“
Carsley hat einen irischen Pass, und er hat die Republik Irland auf
internationaler Ebene bei der Weltmeisterschaft 2002 vertreten. Aber Iren
gelten in England nur dann als Ausländer, wenn sie betrunken in der Gosse
liegen. Sind sie erfolgreich, werden sie flugs eingemeindet.
„Ich habe es jetzt schon so oft gehört“, stöhnte Tuchel: „Das Gewicht d…
Trikots, das Gewicht des Trikots. Wir sind doch keine Seriensieger. Die
Tradition der englischen Nationalmannschaft ist es, nicht zu gewinnen, und
wir müssen akzeptieren, dass wir in Amerika nicht die Favoriten sind.“
Dass sich England für das Turnier qualifiziert, gilt als Formsache. Am
heutigen Montag geht es im zweiten Qualifikationsspiel gegen Lettland. Man
erwartet von Tuchel den zweiten Sieg. Er habe sich noch nicht über
Lettland informiert, sagte er. „Wir hatten schwere Beine, waren sogar ein
bisschen müde. Wir brauchen einen ganzen Tag zur Erholung.“ Aber er habe
volles Vertrauen in alle 22 Spieler. Wie groß das Vertrauen in ihn ist,
wird sich nach den ersten Niederlagen erweisen.
23 Mar 2025
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## AUTOREN
Ralf Sotscheck
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