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# taz.de -- Geflüchtet aus der Ukraine: Ohne Sicherheit
> Drittstaatsangehörige kämpfen in Deutschland um Bleiberecht, Job und
> Perspektive. Unterstützer*innen kritisieren die unterschiedliche
> Behandlung von Geflüchteten.
Bild: Przemysl, 1. März 2022: Menschen unterschiedlicher Nationalität erreich…
Berlin taz | Für viele geflüchtete Drittstaatsangehörige aus der Ukraine
ist die Zukunft in Deutschland seit einigen Tagen unsicher. [1][Vergangenen
Mittwoch ist für diese Menschen der Schutzstatus ausgelaufen]. Für
Geflüchtete mit ukrainischer Staatsbürgerschaft besteht weiterhin der
Schutzanspruch nach der sogenannten Massenzustromrichtlinie der EU. Wer
jedoch vor dem gleichen Krieg geflüchtet ist, aber keinen ukrainischen Pass
hat, musste sich bis zum 5. März um eine alternative Aufenthaltserlaubnis
kümmern – oder hat nun den Aufenthaltstitel verloren.
„Als die ersten Geflüchteten aus der Ukraine in Berlin ankamen, standen wir
am Hauptbahnhof und haben ihnen bei der Orientierung geholfen. Dann kam die
Frage auf, was eigentlich mit den Leuten ohne ukrainischen Pass ist“,
erzählt Ronel Doual vom Migrationsrat Berlin. Sie ist eine der Gründerinnen
der Initiative „BIPoC Ukraine“. „Ich bin aktiv geworden, weil ich es
inakzeptabel fand, dass die Menschen vor dem gleichen Krieg fliehen und der
eine Teil darf hier Schutz finden und der andere nicht“, sagt Doual.
Schon seit 2022 unterstützen die Ehrenamtlichen der Initiative Betroffene –
auch, was die Bürokratie rund um einen Aufenthaltstitel angeht. Darüber
hinaus organisieren sie Workshops und bieten Betroffenen Raum zum
Austausch. Doual weiß von Menschen, deren künftiger Aufenthalt zum jetzigen
Zeitpunkt unsicher ist.
Manche warten noch auf Termine oder Antworten der Einwanderungsbehörde. Zu
anderen hat Doual den Kontakt verloren und macht sich nun Gedanken über
ihren Verbleib. „Was Geflüchtete hier brauchen, ist Perspektivsicherheit –
unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit“, sagt Doual.
## Ein Leben aufgebaut
Das Bundesinnenministerium erklärt auf taz-Anfrage: „Die betroffenen
Personen haben sämtlich einen Herkunftsstaat, in den sie zurückkehren
können, sie sind nicht auf eine Rückkehr in die Ukraine verwiesen.“ Doch
für viele Betroffene war die Ukraine trotz ihrer Drittstaatsangehörigkeit
ihre Heimat. [2][Gerade jetzt, wo die USA ihre Ukrainehilfe stoppen], ist
an eine baldige Rückkehr nicht zu denken.
Einer dieser Menschen ist Arnab. Der 29-Jährige aus Indien möchte nicht,
dass sein Nachname veröffentlicht wird. In der Ukraine studierte er
Informatik. Zu Beginn der russischen Invasion floh er nach Deutschland.
„Ich habe über fünf Jahre in der Ukraine gelebt“, erzählt Arnab. „Ich …
dort gute Freunde. Ich kannte die Orte. Ich hatte ein Leben dort und es war
wirklich schlimm, das verlassen zu müssen.“
Nach seiner Ankunft in Deutschland und langer Jobsuche konnte Arnab in
einem IT-Unternehmen arbeiten. Wie andere Drittstaatsangehörige hatte zu
dieser Zeit eine sogenannte Fiktionsbescheinigung. Diese galt als
vorübergehender Beleg für einen rechtmäßigen Aufenthalt. Die
Fiktionsbescheinigungen waren bis März 2024 befristet und wurden
anschließend für ein Jahr verlängert. Allerdings erhielten Betroffene kein
Dokument, das die Dauer dieser Verlängerung nachwies. „Dann musste ich
entlassen werden, weil mein Aufenthaltsstatus für meinen Arbeitgeber zu
unklar war“, erzählt Arnab.
## Unter ihrer Qualifikation
Danach war Arnab lange auf der Suche nach einer neuen Perspektive. „Wenn
man zur Einwanderungsbehörde geht, fragen sie dich nach einem
Arbeitsvertrag. Wenn man zu einem Bewerbungsgespräch geht, fragen sie dich
nach einer Aufenthaltserlaubnis. Ich war in einer Endlosschleife gefangen.“
Schließlich fand er einen Ausbildungsplatz in der Pflege, durch den nun
auch erst mal sein Aufenthalt gesichert ist. Doch seine Fähigkeiten und
seine Berufserfahrung IT-Bereich sind vorerst unbrauchbar.
[3][Laut einer Studie des Mediendienstes Integration] arbeitet die Hälfte
aller Geflüchteten aus der Ukraine in Jobs, für die sie überqualifiziert
sind. So geht es auch der 25-jährigen Peace, die ebenfalls nur mit ihrem
Vornamen genannt werden möchte. Sie kommt ursprünglich aus Nigeria und
studierte in der Ukraine fünfeinhalb Jahre Medizin, bevor der Krieg begann.
Jetzt arbeitet sie als Pflegekraft und kann darüber auch erst mal in
Deutschland bleiben. Als Ärztin kann sie nicht arbeiten. Wegen eines
fehlenden Praktikums wird ihr Abschluss hier nicht anerkannt. Tatsächlich
ist die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen in Deutschland oft
langwierig und kompliziert – ganz besonders im medizinischen Bereich.
## Viele Ehrenamtliche unterstützen Betroffene
Peace und Arnab sind beide in der Initiative „BIPoC Ukraine“ engagiert.
„Man gibt einander Ratschläge und teilt Erfahrungen“, sagt Arnab. „Es ist
schön, mit Menschen zusammen zu sein, die durch das Gleiche gegangen sind,
wie man selbst.“ Wie er haben viele Mitglieder in der Community aufgrund
des unklaren Aufenthaltsstatus ihre Jobs verloren. Initiativgründerin Doual
sieht darin ein tiefgreifendes Problem: „Geflüchtete fragen mich nach ihrer
Ankunft oft als erstes, wie sie hier arbeiten können. Und trotz des
Fachkräftemangels werden sie wieder weggeschickt.“
[4][Der Migrationsrat Berlin hat zusammen mit anderen gerade die Kampagne
„With Honors“ ins Leben gerufen.] Sie soll auf das Ende des Schutzanspruchs
für Geflüchtete mit Drittstaatsangehörigkeit aufmerksam machen. Und sie
soll zeigen, was dieser zweite Perspektivverlust innerhalb weniger Jahre
für die Betroffenen bedeutet.
„Wir würdigen die Widerstandskraft derer, die sich hier trotz widrigster
Bedingungen ein neues Leben aufgebaut haben“, heißt es in der Kampagne.
„Wir fordern faire und langfristige Lösungen für gleichberechtigte Teilhabe
aller – und die bedingungslose Anerkennung der Zugehörigkeit zu dieser
Gesellschaft.“
8 Mar 2025
## LINKS
[1] /Kaum-Perspektive-fuer-Drittstaatler/!6070322
[2] /US-Waffenhilfe-fuer-die-Ukraine/!6070363
[3] /Studie-zu-Gefluechteten/!6073628
[4] https://www.cusbu.de/with-honors
## AUTOREN
Sarah Schubert
## TAGS
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und über Abschiebungen sind längst in den Geflüchtetenunterkünften
angekommen.
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Voraussetzungen Schutz in Deutschland. Vielen könnte die Abschiebung
drohen.
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