| # taz.de -- Lockerung der Schuldenbremse: Geld für Verteidigung: Soll der alte… | |
| > Ein neuer Bundestag ist gewählt – doch womöglich könnte der alte noch | |
| > eine wichtige Milliarden-Entscheidung treffen. Das sind die | |
| > Hintergedanken. | |
| Bild: Das Bundestagsgebäude am Morgen nach der Wahl: Entscheidet der alte Bund… | |
| Berlin (dpa) | Es war der Sprengstoff für die Ampel-Koalition – und steht | |
| nach der Neuwahl sofort wieder zur Debatte: Wo kriegt die Bundesregierung | |
| Milliarden für die Verteidigung und die Ukraine her, die sie im Haushalt | |
| nicht übrig hat? Darüber könnte – so ist gerade im Gespräch – noch der … | |
| Bundestag entscheiden, obwohl der neue schon gewählt ist. | |
| Durch den [1][Kurswechsel der US-Regierung von Donald Trump mit Blick auf | |
| den Ukrainekrieg] und die Nato ist das Problem nämlich noch akuter als | |
| zuvor. Außerdem macht das [2][Ergebnis der Bundestagswahl] die Sache für | |
| den wahrscheinlichen künftigen Kanzler Friedrich Merz von der Union | |
| kompliziert. | |
| ## Welche Möglichkeiten gibt es, frische Milliarden bereitzustellen? | |
| Das Parlament könnte eine Reform der Schuldenbremse beschließen, die eine | |
| höhere Kreditaufnahme ermöglicht. Dann könnte man das Geld aus dem | |
| regulären Haushalt bereitstellen. Man könnte auch Verteidigungsausgaben | |
| generell von der Schuldenbremse ausnehmen, wie Noch-Kanzler Olaf Scholz | |
| (SPD) das zuletzt vorgeschlagen hat. | |
| Alternativ könnte ein Sondervermögen eingerichtet werden. Das ist ein Topf | |
| abseits des Bundeshaushalts, aus dem Maßnahmen mit einem ganz bestimmten | |
| Zweck finanziert werden. | |
| ## Was sind die Unterschiede? | |
| Für eine Reform der Schuldenbremse wäre eine Änderung des Grundgesetzes | |
| nötig – denn da ist die Schuldenregel in Artikel 115 verankert. Eine solche | |
| Reform ist politisch sehr umstritten – und sie braucht eine große Mehrheit | |
| im Bundestag. Genauer: Zwei Drittel der Abgeordneten müssten zustimmen. | |
| Bei Sondervermögen gibt es zwei Möglichkeiten: Man könnte sich das | |
| Sondervermögen für die Bundeswehr zum Vorbild nehmen. Dieses wurde im | |
| Grundgesetz verankert – und dort von der Schuldenbremse ausgenommen. So | |
| kann ein Sondervermögen eigene Kredite aufnehmen – theoretisch unbegrenzt. | |
| Nötig wäre aber auch hier eine Zwei-Drittel-Mehrheit. | |
| Ohne diese Verankerung im Grundgesetz müsste das Sondervermögen aus dem | |
| Bundeshaushalt gefüttert werden. Größere Kredite dafür wären nur drin, wenn | |
| man eine Notlage erklärt, die die Schuldenbremse vorübergehend aussetzt. | |
| Das könnte man etwa mit dem Kurswechsel der US-Regierung begründen. Das | |
| Problem: Das Geld müsste dann in dem Jahr ausgegeben werden, in dem es | |
| aufgenommen wurde. Soll das Sondervermögen über mehrere Jahre laufen, | |
| müsste man jedes Mal erneut eine Notlage erklären – und dafür eine | |
| gerichtsfeste Begründung finden. | |
| ## Warum wollen einige einen Beschluss jetzt schnell noch mit dem alten | |
| Bundestag? | |
| Das hat mit den neuen Mehrheitsverhältnissen zu tun. Die sogenannten | |
| Parteien der Mitte – also Union, SPD und Grüne – haben keine | |
| Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag. AfD und Linke sind so stark, dass sie | |
| eine Änderung des Grundgesetzes blockieren könnten. Deshalb kam die Idee | |
| auf, das Thema schnell noch vor Konstituierung des neuen Bundestags mit den | |
| alten Mehrheiten abzuräumen. | |
| ## Welche Variante ist wahrscheinlich? | |
| SPD und Grüne wollen schon lange eine Reform der Schuldenbremse – und | |
| hatten Merz vor Monaten bereits Gespräche dazu angeboten. „Dies ist immer | |
| wieder abgelehnt worden. Und ich muss schon sagen, ich wundere mich über | |
| die letzten Stunden, wie schnell man plötzlich das Rad neu erfinden kann“, | |
| sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Die SPD ist verärgert und wirft | |
| Merz vor, er habe damals Parteitaktik vor das Wohl des Landes gestellt. | |
| Ob für die Union eine Reform der Schuldenbremse überhaupt infrage käme, ist | |
| nicht ganz klar. Der Erste parlamentarische Geschäftsführer der | |
| CDU/CSU-Fraktion, Thorsten Frei, warnte davor, „alle Schleusen zu öffnen | |
| für alle Herausforderungen, die da möglicherweise kommen“. Hier dürften die | |
| Gedankenspiele eher in Richtung Sondervermögen gehen – was wiederum bei SPD | |
| und Grünen für deutlich weniger Begeisterung sorgt als die Aussicht auf | |
| eine Reform der Schuldenbremse. | |
| ## Was könnte das für Koalitionsverhandlungen bedeuten? | |
| Das Thema jetzt abzuräumen, könnte mögliche Gespräche von Union und SPD | |
| deutlich erleichtern, denn der Haushalt ist eine der größten Baustellen | |
| einer neuen Bundesregierung. Aktuell ist schlicht nicht genug Geld da, um | |
| alle Pläne und Verpflichtungen unter Wahrung der geltenden Schuldenbremse | |
| zu bezahlen. Könnte man Milliarden für die Verteidigung und die | |
| Unterstützung der Ukraine ausklammern, wäre deutlich mehr Spielraum im | |
| Bundeshaushalt. Dann könnte man Streit in den Verhandlungen eventuell im | |
| Kern ersticken, indem einfach beide Seiten ihre Wunschprojekte finanziert | |
| bekommen. | |
| ## Warum ist ein solcher Beschluss auch umstritten? | |
| Man kann argumentieren, dass ein Beschluss mit dem alten Parlament | |
| demokratietheoretisch problematisch ist. Mützenich bezeichnete ihn als | |
| „Gratwanderung“, Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte, es sei | |
| nicht „einfach so locker und easy“. Der AfD-Haushälter Peter Boehringer | |
| hält das Vorgehen für unlauter. „Der 20. Bundestag ist spätestens mit der | |
| Bundestagswahl von Sonntag Geschichte“, betonte er. | |
| Denn ein neuer Bundestag ist bereits gewählt – und er sieht völlig anders | |
| aus. [3][Die FDP und das BSW sind nicht mehr dabei], könnten bei | |
| Sondervermögen oder Änderung der Schuldenbremse aber noch mitstimmen. Dafür | |
| hatten die AfD und vor allem die jetzt starke Linke im alten Bundestag viel | |
| weniger Stimmen. Die Abstimmung würde also nicht den aktuellen Wählerwillen | |
| abbilden. | |
| ## Gab es das schon einmal? | |
| Ja, am 16. Oktober 1998 kam der Bundestag zu einer Sondersitzung zusammen, | |
| um erstmals seit Bestehen der Bundeswehr über den Kriegseinsatz deutscher | |
| Soldaten zu entscheiden. Da ging es um den Konflikt im Kosovo. Der neue | |
| Bundestag war nach der Wahl im September noch nicht konstituiert, die | |
| bisherige schwarz-gelbe Regierung war abgewählt und Rot-Grün noch nicht im | |
| Amt. | |
| 25 Feb 2025 | |
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