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# taz.de -- Ukraine-Festival in Berlin: Fake News und Fake-Frieden
> Die Konrad-Adenauer-Stiftung lädt ins „Café Kyiv“ nach Berlin. Der
> Andrang ist immens. Die Panels hallen nach wie ein lauter Weckruf an
> Europa.
Bild: Buntes Treiben im „Café Kyiv“
Welche Bedeutung [1][das ukrainisch-deutsche Festival „Café Kyiv“] in der
derzeitigen geopolitischen Lage hat, ist am Dienstag in Berlin unschwer zu
erkennen: die Schlange am Veranstaltungsort, dem Filmtheater Colosseum in
Prenzlauer Berg, ist mehrere hundert Meter lang; insgesamt etwa 4.000
Besucher:innen werden die Panels, Podien und Pop-Up-Stores den gesamten
Tag über besuchen.
Im dritten Jahr veranstaltet die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) das
Netzwerktreffen, Zivilgesellschaft trifft hier auf Politik und Kultur, 100
Veranstaltungen an nur einem Tag. Drinnen tragen einige Besucherinnen
ukrainische Kleider oder gelb-blaue Solidarity-Shirts, die Räume und Säle
sind umbenannt in „Maidan“, „Charkiw“ oder „Mariupol“. [2][Wareniki
(ukrainische Teigtaschen]) und Borschtsch werden verkauft.
Dass Europa vielleicht erst jetzt, [3][während des Trump’schen Pokerspiels
um die Ukraine], aus dem politischen Tiefschlaf erwacht, wird bei der
Podiumsdiskussion „We’re next – Communicating the stakes of war in Ukrain…
deutlich. Das russische Regime führe nicht nur längst einen Krieg gegen
Europa und den Westen, sondern sei damit recht erfolgreich, sind sich die
Diskutant:innen einig.
„Wir befinden uns mitten im Krieg“, sagt Gesine Dornblüth, ehemalige
Russland-Korrespondentin des Deutschlandradio, mit Blick auf die Fake-News-
und Propagandaerfolge des Kreml im Westen, „Desinformation kann man aber
nur mit Wissen bekämpfen.“
Dem russischen Propagandakrieg müsse man „aggressiver entgegentreten“,
meint Ex-Diplomat und Autor Arndt Freytag von Loringhoven („Putins Angriff
auf Deutschland“), die gesamte deutsche Politik agiere „sehr reaktiv, wenig
proaktiv“. Würde heißen: man muss viel mehr in die russische Sphäre
hineinwirken.
Den Ernst der Lage hätten noch immer zu wenige begriffen, meint auch
[4][Grünen-Osteuropa-Experte Robin Wegener], niemand wolle die
Worst-Case-Szenarien hören, „wir müssen uns aber auf sie einstellen, eben
damit sie nicht eintreten“. Es sei nicht gelungen, westliche Narrative zu
stärken; die Erfolge von AfD und BSW (und der Linken, die sich gegen
weitere Waffenlieferungen aussprechen) bei der Bundestagswahl zeigen dies
ohnehin.
## X und TikTok verbieten?
Der ukrainische Botschafter Oleksij Makejew sieht das Wahlergebnis als
Erfolg Putins. Alle Versuche Russland zu demokratisieren – aus dem Exil
heraus oder von außen – hält er für zum Scheitern verurteilt: „Du kannst
Demokratie nicht als Infusion verabreichen“.
Über den Desinformationskrieg spricht zuvor bereits Anton Hofreiter (Grüne)
im Talk „Why Ukraine is integral for better strategy in Europe“. „Wir sind
auch in einem ideologischen Krieg“, erklärt er, die EU müsse deshalb die
Internetplattformen viel stärker einschränken, mit China gebe es überdies
einen weiteren Gegner.
„X und TikTok sind Propagandainstrumente der US-Tech-Oligarchen und Xi
Jinpings. Warum erlauben wir es ihnen in der EU so zu agieren?“, so
Hofreiter. Auch Stefanie Babst, die lange in führenden Positionen bei der
NATO arbeitete, erkennt eine gewisse Naivität Europas, „wir müssen zum
Beispiel die Schattenflotten Putins stoppen, die die Ostsee queren“, sagt
sie. Sie sieht Europa ebenfalls in einem ideologischen Mehr-Fronten-Krieg.
Das transatlantische Bündnis sei vorerst Vergangenheit – wenn Trump die
regelbasierte Ordnung infrage stelle, könnten die USA kein Partner mehr
sein. „Sein Ziel ist eine geschwächte und geteilte Ukraine“, sagt Babst.
Die Abkehr der USA von Europa und der Weckruf zu mehr Eigenständigkeit sind
fast überall Thema, gleich eingangs zitiert der KAS-Vorsitzende Norbert
Lammert den Namensgeber der Stiftung, der bereits 1950 sagte, Europa lebe
„von der Gnade der Vereinigten Staaten“, aber es werde „eines Tages der
Augenblick kommen und kommen müssen, in dem dieses Europa wieder sich
selbst helfen kann und auf eigenen Füßen stehen muß.“
Was es bedeutet, in russischer Gefangenschaft zu leben, hat
[5][Menschenrechtler und Journalist Maksym Butkevych] am eigenen Leib
erlebt, er war von Juni 2022 bis Oktober 2024 in russischer Haft. Auch
Butkevych, Gründer des unabhängigen Menschenrechtszentrums ZMINA und
antirassistischer Aktivist, ist zu Gast; sein Auftritt ist einer der
bewegendtsen.
In der Haftzeit seien Drohungen, Gewalt und Folter an der Tagesordnung
gewesen, „aber ich habe die Hoffnung nie aufgegeben. Ich habe nie das
Gefühl gehabt, ich sei von der Welt vergessen worden.“ Er glaubt heute mehr
als zuvor an seine Arbeit, da er selbst erlebt habe, was es bedeutet, fast
aller grundlegenden Menschenrechte beraubt zu sein.
Die Atmosphäre, die das Café Kyiv ausstrahlt, ist an sich schon ein Erfolg.
Eine quicklebendige Kultur präsentiert sich mit DJ-Sets, Filmen, neuen
Buch- und Musikveröffentlichungen, Handarbeiten, D.I.Y.-Ständen. Man kommt
ins Gespräch miteinander, Verleger:innen, Soldat:innen, Diplomat:innen,
Besucher:innen schlendern im Foyer aneinander vorbei.
Zur ersten Auflage des Festivals wurde das Café Moskau 2023 an der
Karl-Marx-Allee temporär in Café Kyiv umbenannt. Der ukrainische
Botschafter Oleksii Makeiev insistiert nun, zwei Jahre später, erneut
darauf, diesen Ort dauerhaft umzubenennen. Es wäre ein Zeichen, dass man
auch hierzulande verstanden hätte.
12 Mar 2025
## LINKS
[1] https://cafekyiv.kas.de/
[2] /Teigtaschen-als-Symbol-der-Vielfalt/!5833987
[3] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!6075347
[4] /taz-Talk-ueber-Friedenspolitik/!6064292
[5] /Journalist-ueber-Kriegsgefangenschaft/!6051245
## AUTOREN
Jens Uthoff
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