# taz.de -- Wahlergebnisse in Ostdeutschland: Ramelow holt Wahlkreis | |
> In den ostdeutschen Flächenländern hat die AfD mehr als 30 Prozent der | |
> Stimmen bekommen. In Thüringen ging nur ein Direktmandat nicht an sie. | |
Bild: Silberlocke Bodo Ramelow holte ein Direktmandat | |
Erfurt taz | Als Bodo Ramelow, der ehemalige linke Ministerpräsident | |
Thüringens, die Bühne der Wahlparty im Erfurter Kulturbahnhof „Zughafen“ | |
betritt, jubeln ihm die Linkenmitglieder zu, manche skandieren seinen | |
Namen. Ramelow hebt beschwichtigend den Zeigefinger. In rotes Licht | |
getaucht steht am Sonntagabend ein [1][eher junges Publikum] vor großen | |
Boxen und feiert. | |
Es gibt anhaltenden Applaus für die Ergebnisse der Linken. Vor wenigen | |
Wochen lag die Partei in Umfragen noch bei 3 Prozent, laut vorläufigem | |
Ergebnis landet sie bei 8,8 Prozent. In Thüringen haben 15 Prozent die | |
Linke gewählt. Dass sie sich Ende Januar gegen die ablehnende | |
Migrationsdebatte stellte, zahlte sich aus. Erfolgreich war sie zudem mit | |
ihrem Wahlkampf auf Social Media. Bei den Erstwähler:innen hat die | |
Linke den höchsten Stimmenanteil bekommen: 27 Prozent. | |
Im Erfurter Zughafen löst neben den eigenen Ergebnissen am Sonntagabend | |
auch Freudenrufe aus, dass FDP und BSW in den Hochrechnungen unter der | |
Fünf-Prozent-Hürde liegen. Und auf der Leinwand hinter Ramelow zeigen rote | |
und braune Balken um kurz nach 20 Uhr: über die Hälfte der Stimmen im | |
Wahlkreis 192 sind ausgezählt, Ramelow liegt mit mehreren tausend Stimmen | |
vor dem Kandidaten der AfD. Das Direktmandat hat er so gut wie sicher. | |
Doch trotzdem und trotz Jubel beginnt [2][Bodo Ramelow] seine Ansprache | |
mahnend. „Ich will gleich sagen, es quält mich, wenn ich den blauen Balken | |
für Thüringen als Ganzes sehe.“ Das AfD-Ergebnis im Freistaat wird am Ende | |
des Abends bei 38,6 Prozent liegen. Die rechtsextreme Partei wird fast alle | |
Direktmandate in Thüringen gewinnen – bis auf das im Wahlkreis 192, der | |
Erfurt, Weimar und einen Teil des Weimarer Lands umfasst. Auf der Bühne | |
erklärt Ramelow: „Wenn man den ganzen Tag Politik macht, indem man nur | |
nachquatscht, was die Blauen sagen, dann gehen die Menschen auch zu den | |
Blauen.“ | |
## AfD mache sich größer | |
Ähnliche Ergebnisse wie in Thüringen bekam die AfD bei der Bundestagswahl | |
in Sachsen (37,3 Prozent), Sachsen-Anhalt (37,1 Prozent), | |
Mecklenburg-Vorpommern (35 Prozent) und Brandenburg (32,1 Prozent). Zudem | |
sicherte sie sich alle oder fast alle Direktmandate in diesen | |
Bundesländern. In Sachsen hat nur in Leipzig Süd der Linke Sören Pellmann | |
noch eins gewonnen und in Brandenburg konnte Bundeskanzler Olaf Scholz | |
(SPD) seinen Wahlkreis verteidigen. | |
Das Blau der AfD auf den Wahlergebniskarten zeigt mal wieder die Konturen | |
des ehemaligen DDR-Gebiets auf – aber so deutlich war es noch nie. In 46 | |
Wahlkreisen hat die AfD Direktmandate gewonnen. 45 davon liegen in | |
ostdeutschen Flächenländern und einer in Ost-Berlin. Auch wenn durch die | |
Wahlrechtsreform voraussichtlich vier davon nicht in den Bundestag | |
einziehen. Bei der Bundestagswahl 2021 hatte die AfD 16 Direktmandate | |
bekommen, alle in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. In diesen drei | |
Ländern bekam sie auch schon vor fünf Jahren die höchsten | |
Zweitstimmenergebnisse: 24,6 Prozent in Sachsen, 24 Prozent in Thüringen | |
und 19,6 Prozent in Sachsen-Anhalt. Auch in Brandenburg und | |
Mecklenburg-Vorpommern war das AfD-Ergebnis mit 18 Prozent deutlich höher | |
als in den übrigen Bundesländern. | |
Der Rechtsextremismusforscher Matthias Quent betonte gegenüber der dpa nach | |
der Wahl am Sonntag: In Deutschland lehne weiterhin eine Mehrheit die AfD | |
ab, auch in den Bundesländern, in denen sie besonders stark ist. Ob die | |
Partei bei der nächsten Wahl noch weiter zulegen könne, sei nicht | |
ausgemacht. Die AfD mache sich „größer, als sie eigentlich ist“. Das | |
AfD-Ergebnis in Deutschland sei zwar beunruhigend, „aber jetzt auch | |
angesichts der Krisen in den letzten Jahren nicht außerhalb des Trends“, | |
erklärte der Professor von der Hochschule Magdeburg-Stendal. | |
In anderen europäischen Staaten bekämen Rechtsaußenparteien um die 30 | |
Prozent. Trotzdem: In ländlichen Regionen sei die AfD stärkste Partei und | |
sie erreiche viele Menschen. „Ihre Etablierung geht weit über ein | |
rechtsradikales Milieu hinaus, also über diejenigen, die rechtsradikal | |
ausländerfeindlich eingestellt sind“, sagte Quent. | |
## Eigentlich sei Thüringen weltoffen, so Ramelow | |
Im Zughafen hat sich Bodo Ramelow auf ein Sofa im Backstage-Bereich | |
gesetzt. Die Musik der Wahlparty dringt nur gedämpft durch die Tür. | |
Gemeinsam gehen Ramelow, sein Team und seine Frau Germana Alberti vom Hofe | |
die aktuellen Hochrechnungsergebnisse durch. Die AfD liegt zu diesem | |
Zeitpunkt bei 43 Prozent. | |
Wie bewertet Ramelow die Zahl? „Ich habe Angst vor einem Land, in dem 43 | |
Prozent blau wählen.“ Eigentlich sei Thüringen auf Weltoffenheit und | |
„gelingende Zuwanderung“ angewiesen, antwortet er energisch. Bei dem Thema | |
dürfe man nicht „den ganzen Tag über störende Ausländer reden“. Das gel… | |
auch für „die neue Landesregierung, die nichts Besseres zu tun hat, als | |
allererstes Abschiebehaftplätze zu schaffen“. | |
Aber nicht nur von der Politik, auch von Unternehmer:innen und Medien | |
wünsche sich Ramelow Verantwortung, „damit der Faschismus nicht gewinnt“. | |
Die ersten Zahlen aus seinem Wahlkreis machten ihm da Mut, sagt Ramelow. | |
Auch wenn er nun in den Bundestag einziehe, Thüringen bleibe er erhalten. | |
Etwa anderthalb Stunden später, um kurz vor halb elf, gilt der Wahlkreis | |
192 als final ausgezählt. Ramelow gewinnt das Direktmandat mit 36,8 Prozent | |
und etwa 10 Prozentpunkten Vorsprung. Das thüringenweite AfD-Ergebnis geht | |
zumindest um ein paar Prozentpunkte zurück. Die Partylaune im Zughafen | |
drückt es trotzdem merklich. | |
24 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
David Muschenich | |
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