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# taz.de -- Zughersteller Stadler in der Krise: Auf der schiefen Bahn
> Der Zugbauer Stadler in Pankow will Löhne und Stellen kürzen – nicht nur
> für die Beschäftigten ein Problem, sondern auch für den Großkunden BVG.
Bild: Volle Halle, düstere Stimmung: Stadler-Werk in Pankow
Berlin taz | Die Zukunft der rund 2.000 Berliner Beschäftigten des
Zugbauers Stadlers verdüstert sich. Am Dienstagnachmittag haben sich
Vertreter:innen des Unternehmens und der IG Metall getroffen, um
mögliche Verhandlungen über die von Stadler angedrohten Sparmaßnahmen zu
sondieren.
Jan Otto, Erster Bevollmächtigter der Gewerkschaft in Berlin, stellte
gegenüber der taz klar: „Stellenabbau und Werkschließungen sind vom Tisch
zu nehmen.“ Sonst gebe es keine Gespräche. Ist die Bedingung erfüllt,
könnten IG Metall und Stadler bereits nächste Woche über Einsparungen im
kriselnden Unternehmen verhandeln.
Der Zugbauer mit Standorten in Pankow, Reinickendorf und Hennigsdorf galt
lange als Vorzeigeunternehmen für den Industriestandort Deutschland. Die
Auftragsbücher sind voll, zu den Kunden zählt auch die BVG, die auf eine
laufende Bestellung von 484 U-Bahnwagen wartet. Trotzdem geriet das
Schweizer Unternehmen immer mehr in wirtschaftliche Schieflage.
Vergangene Woche nun kündigte Stadler an, am Berliner Standort Kosten mit
einem „Maßnahmenpaket“ zu senken. Man wolle „für den international hart…
Konkurrenzkampf wettbewerbsfähiger“ werden, so Sprecherin Julia Bülow.
Um welche Maßnahmen es sich genau handelt, konkretisiert Bülow nicht. Klar
scheint nur zu sein, dass die Beschäftigten verzichten sollen. „Um die
Reduzierung von Arbeitsplätzen zu vermeiden“, müsse „ein signifikanter
Arbeitnehmerbeitrag erbracht werden“, kündigte Stadler-Deutschland-CEO Jure
Mikolčić am vergangenen Dienstag an.
Laut Medienberichten forderte die Unternehmensleitung auf einer
Betriebsversammlung am Montag vergangener Woche Gehaltsverzicht, Streichung
von Zuschlägen oder längere Arbeitszeiten. Ansonsten drohten Stellenabbau
oder eine Teilwerksschließung.
## Zusammenbruch von Lieferketten
Verwunderlich ist, wie das Unternehmen trotz voller Auslastung derart in
Schieflage kommen konnte. Laut Stadler sind vor allem externe Ursachen
Schuld: der zeitweise Zusammenbruch der Lieferketten aufgrund des
Ukrainekriegs und der Pandemie sowie die gestiegenen Preise für Energie,
Rohmaterial und Löhne.
Der Konkurrenzdruck im Schienenfahrzeugbau ist hoch. Am Markt konkurrieren
die Unternehmen um milliardenschwere Aufträgen mit jahrelangen Laufzeiten.
Das macht sie anfällig für die Schocks der vergangenen Jahre. Doch die
Krise von Stadler hat auch andere Gründe.
„Die wirtschaftlichen Probleme bei Stadler sind offensichtlich auf
Managementfehler zurückzuführen“, sagt Damiano Valgolio, der
arbeitspolitische Sprecher der Linksfraktion. Um Ausschreibungen zu
gewinnen, habe Stadler zu optimistisch kalkuliert, mutmaßt Valgolio. Doch
die Auftragslage sei weiterhin gut, und es sei völlig unsinnig, mit
Personalabbau und Lohnkürzungen zu reagieren.
Den Senat hatten die Probleme bei Stadler offensichtlich kalt erwischt.
Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) [1][teilte am Donnerstag
letzter Woche per Instagram mit], sie habe „bisher keine Hinweise auf
derart gravierende Schwierigkeiten des Unternehmens“ gehabt – „im
Gegenteil“, Stadler sei ja in den vergangenen vier Jahren vom Bund und dem
Land Berlin mit 7,5 Millionen Euro bei der Erweiterung seiner
Produktionsstätten unterstützt worden.
Derweil [2][erklärte Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) in der
RBB-„Abendschau“], sie mache sich keine Sorgen darüber, dass sich an der
geplanten Auslieferung dringend gebrauchter U-Bahnwagen an die BVG
irgendetwas ändern könne: „Wir haben keine anderen Erkenntnisse.“ Nach
einem „Plan B“ gefragt, verwies Bonde nur darauf, dass sich die Wagen ja
schon im Bau befänden. „Auch im Plan B gehen wir davon aus, dass sie
geliefert werden.“
Liefern muss Stadler gemäß dem mit 2019 mit der BVG abgeschlossenen
Rahmenvertrag mindestens 606 Wagen der U-Bahn-Baureihen J und JK –
umgekehrt haben sich die Verkehrsbetriebe zur Abnahme dieser Menge
verpflichtet. Maximal kann die BVG laut Vertrag bis zu 1.500 Wagen
bestellen, de facto wurden bislang aber erst 484 Stück abgerufen. Obwohl
schon 2022 Lieferstart sein sollte, wurden bis dato noch nicht einmal zwei
Dutzend ausgeliefert.
## „Jetzt schon alles bestellen“
Während der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) mitteilte, der Senat
werde „alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um Stadler und seine
Mitarbeiter bestmöglich zu unterstützen“ – ohne konkreter zu werden –,
fordern die Grünen, den im aktuellen Sparhaushalt zugedrehten Geldhahn ganz
weit zu öffnen: „Die beste Unterstützung für Stadler ist es, jetzt alle
U-Bahnen zu bestellen“, meint Fraktionschef Werner Graf.
Alle 1.500 U-Bahnwagen abzurufen, könne Stadler helfen, denn „volle
Auftragsbücher verschaffen einem Unternehmen eine bessere Position den
Banken gegenüber“, so Graf zur taz. Umgekehrt würde die
Abnahmeverpflichtung dafür sorgen, „dass Berlin auch in Zukunft
funktioniert und die BVG-Krise beendet wird“. Allerdings ginge es bei
diesem Move um ein Volumen von nicht weniger als 3 Milliarden Euro.
„Unter den aktuellen Bedingungen würde umgekehrt ein Schuh draus“, findet
dagegen der verkehrspolitische Sprecher der Linksfraktion, Kristian
Ronneburg: „Nur wenn der Standort erhalten und der Tarifvertrag nicht
gedrückt wird, sollte es auch mehr Bestellungen von U-Bahnen geben“, so der
Abgeordnete zur taz.
4 Mar 2025
## LINKS
[1] https://www.instagram.com/franziskagiffey/p/DGle4OLNmca/
[2] https://www.rbb-online.de/abendschau/videos/20250226_1930/steht-stadler-in-…
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
Claudius Prößer
## TAGS
BVG
Schienenverkehr
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Grüne Berlin
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