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# taz.de -- Bezos zensiert seine „Washington Post“: Demokratie stirbt in de…
> Im Watergate-Skandal setzte die „Washington Post“ einst den Goldstandard
> für unabhängigen Journalismus. Jetzt ist sie das Werkzeug eines
> rückgratlosen Milliardärs.
Bild: Mitten unter Milliardären: Jeff Bezos kurz vor der Vereidigung von Donal…
Ist das noch Anschmiegen an die neuen Herren im Weißen Haus oder ist das
schon Unterwerfung? Gerade hat der Eigentümer der [1][Washington Post],
Jeff Bezos, seiner Belegschaft eröffnet, die Zeitung werde künftig nur noch
ein eingeschränktes Themenspektrum kommentieren dürfen: persönliche
Freiheiten und freie Märkte. „Standpunkte, die diesen Säulen
widersprechen“, werde man „anderen zur Veröffentlichung überlassen“. Der
bisherige Meinungschef, [2][David Shipley], den er sehr bewundere, trete im
Zuge dessen zurück.
Was für Shipley persönlich – im Spektrum zwischen Anschmiegen und
Unterwerfung – vorgesehen war, ließ wenig Interpretationsspielraum. Er
müsse „Hell yes“ zum neuen Kurs sagen, hatte Jeff Bezos ihn aufgefordert,
oder es sei ein „No“. Doch wie weit ist Bezos selbst auf dem Weg in
Richtung Unterwerfung?
Kurz vor der Wahl im November, das Endorsement für Kamala Harris war schon
geschrieben, [3][wies Bezos die Post an], keine jener in den US-Medien
üblichen Wahlempfehlungen abzugeben. Der Eingriff in die redaktionelle
Unabhängigkeit kostete die Post Abonnements in sechsstelliger Höhe. Dafür
durfte Bezos die Amtseinführung Donald Trumps im Januar 2025 aus nächster
Nähe erleben.
Das Ticket ins Kapitol war auch sonst teuer genug. Eine Million Dollar
hatte der [4][Amazon-Boss] für das Privileg gespendet, mit anderen
Milliardären neben dem zukünftigen Präsidenten zu stehen. Selbst der
Amazon-Produktionsvertrag für einen Dokumentarfilm über Melania Trump,
[5][der seit Dezember 24 entsteht,] könnte mit viel gutem Willen noch als
persönliches Anschmiegen gedeutet werden.
## Eine der besten Redaktionen der Welt
Die Post hat noch immer eine der besten und wichtigsten Redaktionen der
Welt. Im Watergate-Skandal setzte sie einst den Goldstandard für
leidenschaftlichen, unabhängigen Journalismus. Aber mit dem neuen,
verengten Meinungsspektrum macht Bezos die Zeitung zu seinem Werkzeug.
Bezos’ Verständnis der „persönlichen Freiheiten“, darf man vermuten, ist
ein eingeschränktes, es richtet die Post aus am neuen Zeitgeist in
Washington, am Kulturkampf für die Rechte des unterdrückten Weißen Mannes,
gegen MeToo, Diversität oder Transgenderrechte.
Zugleich bedient Bezos den von Elons Musk angeführten neoliberalen Kreuzzug
gegen Marktregulierung, für Zerschlagung des Staates und dessen Überführung
in die Hände von Milliardären (aka freie Märkte). Was vor der Wahl mit
einem anschmiegsamen Verbot einer Wahlempfehlung begann, ist in eine
politische Unterwerfung Bezos’ gemündet: vor dem Zeitgeist, vor Donald
Trump, vor Elon Musk.
## Bedingungsloses Bekenntnis zum freien Markt
Das bedingungslose Bekenntnis zum freien Markt passt, was für ein Zufall,
nicht nur punktgenau zu den Geschäftsinteressen von Amazon. Es trifft sich
auch mit Bezos’ Ambitionen in der Raumfahrt. Mit seiner Firma Blue Origin
will Bezos, nicht anders als Elon Musk, die Galaxie kolonialisieren. Wie
schön, dass die Trump-Administration gerade dabei ist, die staatliche
Raumfahrtbehörde Nasa zu zerschlagen, und so auf wundersame Weise ein paar
Milliardenaufträge frei werden.
Vor acht Jahren, einen Monat nach der ersten Amtsübernahme von Donald
Trump, hatte sich die Washington Post, damals schon im Besitz von Jeff
Bezos, das Motto [6][„Democracy dies in darkness“] gegeben, Demokratie
stirbt in der Dunkelheit. Es avancierte zum Sinnbild der düsteren
demokratischen Verzweiflung ob des national-autoritären Präsidenten und
wurde global als medialer Widerstand gegen Donald Trump gefeiert.
Der Spruch soll intern schon vor dem Aufstieg Trumps als Motto diskutiert
worden sein. Bereits im Mai 2016 hatte Bezos ihn in einem Interview mit dem
damaligen Post-Chefredakteur Marty Baron zitiert, um zu begründen, warum er
die Zeitung gekauft habe. „Ich habe immer geglaubt, dass die Demokratie in
der Dunkelheit stirbt und dass bestimmte Institutionen eine sehr wichtige
Rolle dabei spielen, dafür zu sorgen, dass es Licht gibt. Und ich denke,
die Washington Post hat dabei eine wichtige Rolle.“
## Das alte Motto hat ausgedient
Bezos hat sich seitdem nicht wirklich entschieden gegen die damals
verkaufsfördernde Interpretation als Widerstandsparole gewehrt. Heute
müsste unter dem Namensschriftzug der Washington Post besser „Democracy
dies in broad daylight“ stehen. Das alte Motto hat ausgedient.
Niemand muss in [7][Trumps Amerika] mehr den Schutz der Dunkelheit suchen,
um sich von demokratischen Werten zurückzuziehen. Jeff Bezos buchstabiert
das gerade für alle Welt sichtbar aus. Er überlässt den Job, politisches
Rückgrat zu zeigen, (weniger werdenden) anderen.
Donald Trump hat die demokratischen Institutionen geschleift. Beide Kammern
des Kongresses buhlen um seine Gunst, das Oberste Gericht hat er mit
gleichgesinnten Männern und Frauen besetzt, und statt Präsident nennt sich
Trump jetzt auch schon mal König. Die letzten Bastionen der Demokratie sind
einige Bundesgerichte – und die freien Medien. Mit der Washington Post
fällt eine der stärksten Kräfte der sogenannten vierten Gewalt. Das ging
schnell, schneller als erwartet.
2 Mar 2025
## LINKS
[1] /Medienwandel-in-den-USA/!6022258
[2] https://www.nytimes.com/2025/02/26/business/media/washington-post-bezos-shi…
[3] /Wahlempfehlung-der-Washington-Post/!6044023
[4] /Gegen-den-Trumpismus/!6063217
[5] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/doku-ueber-melania-trump-amaz…
[6] https://en.wikipedia.org/wiki/Democracy_Dies_in_Darkness
[7] /Schwerpunkt-USA-unter-Trump/!t5079612
## AUTOREN
Barbara Junge
## TAGS
Schwerpunkt USA unter Trump
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