Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Auto fährt in Demonstration: Schock und Trauer in München
> Nach dem mutmaßlichen Anschlag mit 28 Verletzten steht die
> Landeshauptstadt unter Schock. Die Union erneuert ihre
> migrationspolitischen Forderungen.
Bild: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU, 2.v.r.) und Dieter Reiter …
München taz | Auch zwei Stunden nach der Tat steht der ramponierte
beigefarbene Mini mit offenem Kofferraum auf der Münchner Seidlstraße.
Zerfetzte Kleidungsstücke, zerrissene Wärmedecken liegen drumherum. Die
Polizei ist im Großaufgebot da.
Das Auto war am Donnerstagvormittag in eine Demonstrationsgruppe gerast.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hatte zum Protest aufgerufen. Nach
vorläufigen Angaben wurden 28 Menschen verletzt, darunter zwei sehr schwer.
Auch Kinder sind unter den Opfern. Alle Hinweise deuten darauf hin, dass es
ein Anschlag war, auch die Behörden gehen davon aus.
Die Polizei hat den Fahrzeugführer am Tatort festgenommen. Bei ihm handelt
es sich offenbar um den afghanischen Staatsbürger Farhad N. Der Spiegel
berichtet, der Tatverdächtige habe in der Vergangenheit islamistische Posts
abgesetzt. Gesichert ist, dass er 2016 als Flüchtling nach Deutschland kam,
sein Asylantrag wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf)
aber abgelehnt. Zuletzt soll er mit einer Duldung hier gelebt haben. Das
Bamf wollte sich auf taz-Anfrage zunächst nicht zu dem Fall äußern. N. ist
– anders als ursprünglich angegeben – nicht polizeibekannt wegen
Drogendelikten und Ladendiebstählen. Er tauchte in entsprechenden Verfahren
nur als Zeuge auf, weil er als Ladendetektiv gearbeitet hat.
Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft München bestätigte der taz, dass
die bayerische Zentralstelle für Extremismus und Terrorismus die
Ermittlungen übernommen hat. Es gebe „Anhaltspunkte für einen
extremistischen Hintergrund“ der Tat. Zu möglichen islamistischen Posts des
Verdächtigen sagte der Sprecher nichts. Der für schwere staatsgefährdende
Straftaten zuständige Generalbundesanwalt hat den Fall bei
Redaktionsschluss noch nicht an sich gezogen.
## Union erneuert Forderungen
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußert sich am Donnerstagnachmittag knapp
zu dem Vorfall, den er als „furchtbar“ bezeichnet. Der Täter „muss bestr…
werden, und er muss das Land verlassen“, so Scholz. Die Bundesregierung
plane weitere Abschiebeflüge nach Afghanistan.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagt am frühen
Donnerstagnachmittag: „Jetzt geht es darum, Leben zu retten und alle
Hintergründe aufzuklären.“ Es brauche nun die Härte des Rechtsstaats: „W…
haben die Gesetze für die Ausweisung von Gewalttätern und für mehr
Abschiebungen massiv verschärft, jetzt müssen sie mit aller Konsequenz
durchgesetzt werden.“ Als einziger Staat in Europa schiebe Deutschland nach
Afghanistan ab. „Wir werden das weiter tun“, so Faeser. Sie wird am
Donnerstagabend in München erwartet.
Auch Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz äußert sich: „Die Sicherheit der
Menschen in Deutschland wird für uns an erster Stelle stehen“, schreibt er
auf X. „Wir werden Recht und Ordnung konsequent durchsetzen.“ Und: „Es mu…
sich etwas ändern in Deutschland.“ Bayerns Ministerpräsident Markus Söder
(CSU) spricht direkt am Ort des Geschehens. Auf der Straße, im kalten
Münchner Nieselregen, stellt er den Vorfall in eine Reihe mit vorangegangen
Fällen: „Wir hatten im Januar Aschaffenburg und nun München.“ Er spricht
von „Betroffenheit, die wir alle spüren“ und von „Entschlossenheit“, d…
man zeigen müsse. „Es reicht einfach.“
In Aschaffenburg hatte ein wohl psychisch kranker Asylbewerber aus
Afghanistan [1][ein Kleinkind und einen Erwachsenen erstochen] und zwei
weitere Personen verletzt. Danach hatte die Union erstmals mit der AfD im
Bundestag zusammen einen Antrag im Bundestag beschlossen, um die
Migrations- und Asylpolitik weiter massiv zu verschärfen.
## Flüchtlingsrat warnt
Davor hatte es weitere Gewalttaten gegeben, bei denen die Tatverdächtigen
Ausländer oder Asylbewerber waren. So fuhr ein wohl psychisch kranker Mann
mit saudischer Staatsbürgerschaft kurz vor Weihnachten 2024 in einen
Weihnachtsmarkt in Magdeburg und tötete sechs Menschen. Im Herbst 2024
erstach ein Geflüchteter aus Syrien in Solingen drei Menschen. Anfang 2024
erstach ein Asylbewerber aus Afghanistan in Mannheim einen Polizisten.
Jana Weidhaase vom Bayerischen Flüchtlingsrat warnt am Donnerstag davor,
dass „vorschnelle und vereinfachende Schlüsse“ aus der Tat gezogen werden,
sie „für rassistische Hetze missbraucht wird“. Die Ursachen für Gewalttat…
wie die von München seien komplex und vielschichtig. Umso mehr appelliert
der Flüchtlingsrat an Politiker*innen, Medienvertreter*innen
und Zivilgesellschaft, „jetzt besonnen zu reagieren. Gewaltverbrechen
dürfen nicht für politische Stimmungsmache oder den Wahlkampf missbraucht
werden“, so Weidhaase.
Die getroffene Menschenmenge in München war ein [2][Demonstrationszug der
Gewerkschaft Verdi] im Zusammenhang mit einem Warnstreik der
Erzieher*innen. Angemeldet waren 2.500 Teilnehmer*innen. Der
Verdi-Vorsitzende Frank Werneke zeigte sich „zutiefst bestürzt und
schockiert über den schwerwiegenden Vorfall während eines friedlichen
Demonstrationszugs von Verdi-Kolleginnen und -Kollegen“. Er dankte den
Sicherheits- und Rettungskräften. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB)
drückt den Opfern sein Mitgefühl aus. Warum es gerade die Demonstrierenden
traf? Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagt, es sei wohl Zufall
gewesen. Der Täter war da, eine Menschenmenge war da.
Auf Herrmann dürften in den nächsten Tagen noch unangenehme Fragen
zukommen. In München gilt derzeit eine erhöhte Alarmbereitschaft wegen der
bis zum Wochenende dauernden [3][Münchner Sicherheitskonferenz], zu der
zahlreiche ranghohe Politiker aus der ganzen Welt erwartet werden. Auch die
Verdi-Demonstration wurde von mehreren Polizeiwagen begleitet. Der Täter
fuhr offenbar einige Zeit hinter einem Polizeiwagen her. Dann beschleunigte
er und fuhr in die Menge.
Nach der Tat ist die breite Straße im Stadtviertel Maxvorstadt noch
stundenlang gesperrt. Ein Polizeiwagen steht hinter dem anderen, ebenso
Feuerwehrautos und Rettungssanitäter. Auch der bekannte große
Löwenbräukeller mit Biergarten ein paar Meter weiter ist von ihnen
zugeparkt. Am Tatort liegen die gelben Kittel der Ordner von der
Verdi-Demonstration am Rand. Auch einige rot-weiße Fahnen mit Holzstielen
und dem Verdi-Schriftzug wurden dort abgestellt.
Die Opfer werden notversorgt, über ihren Zustand ist vorläufig nichts
Näheres bekannt. Auch psychologische Kriseninterventionsteams sind da.
Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) verweist per Mitteilung
auf das telefonische Angebot an Menschen, die in dieser akuten Situation
psychische Unterstützung benötigen. Rund um die Uhr könne man mit
geschulten Helfern reden, in 120 Sprachen.
Auch Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) ist an den Tatort
geeilt und stellt sich den Fragen, spricht in Mikrofone, schaut in Kameras.
Später steht Reiter noch Weile in einer Seitenstraße unter einem
Hauseingang. Er sei „entsetzt“, sagt er. „Das ist ein echt schwarzer Tag
für München.“ Man merkt ihm an, wie sehr ihn der Vorfall trifft. Doch
weitere Auskünfte kann zunächst auch er nicht geben.
Anm. der Redaktion: In der ursprünglichen Version des Textes hieß es, der
Afghane sei als Ladendieb polizeibekannt gewesen. Inzwischen haben die
Sicherheitsbehörden in Bayern ihre Angaben korrigiert. Er tauchte in
entsprechenden Verfahren nur als Zeuge auf, weil er als Ladendetektiv
gearbeitet hat. Wir haben den Text entsprechend geändert.
13 Feb 2025
## LINKS
[1] /Nach-dem-Messerangriff-in-Aschaffenburg/!6059741
[2] /Streik-im-oeffentlichen-Dienst/!6065394
[3] /Gespraech-zwischen-Putin-und-Trump/!6069385
## AUTOREN
Frederik Eikmanns
Patrick Guyton
Jean-Philipp Baeck
Konrad Litschko
## TAGS
München
Anschlag
Islamismus
Asylpolitik
Mannheim
Anschlag
München
## ARTIKEL ZUM THEMA
Vorfall in Mannheim: Autofahrer rast durch Fußgängerzone
Zwei Menschen sterben durch Raser in Mannheims City. Ermittler vermuten
psychische Erkrankung des Täters. Der ist wegen rechter Hatespeech
verurteilt.
Anschlag in München: Was soll man da noch sagen?
Ein 24-Jähriger lenkt in München sein Auto in eine Demo und verletzt 36
Menschen schwer. Betroffene wehren sich gegen politische
Instrumentalisierung.
Nach der Amokfahrt in München: Ermittler:innen gehen von islamistischem Motiv …
Die Amokfahrt in München mit 36 Verletzten war laut der
Generalstaatsanwältin religiös motiviert. Der Täter hatte eine Aufenthalts-
und Arbeitserlaubnis.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.