# taz.de -- Soziologe über AfD-Erfolg: „Der Erfolg der Linken zeigt, wie es … | |
> Die AfD könnte im Osten künftig noch weiter wachsen, sagt Soziologe Axel | |
> Salheiser. Was helfen könnte: das eigene Parteienprofil schärfen. | |
Bild: Die Wut der Zukurzgekommenen: Wahlkampfabschluss der AfD in Erfurt am 22.… | |
taz: Die AfD ist in allen ostdeutschen Flächenländern stärkste Kraft | |
geworden. Wie erklären Sie sich das? | |
Axel Salheiser: Ich hatte damit gerechnet. Was mich aber schockiert, ist, | |
dass sie im Vergleich zu den letzten Landtagswahlen kräftig zugelegt hat. | |
Sie profitiert einerseits vom Klima in ganz Deutschland. Andererseits | |
zeigen Nachwahlbefragungen, dass in Ostdeutschland andere Themen | |
wahlentscheidend waren als in Westdeutschland. Themen wie Umwelt und Klima | |
haben im Osten so gut wie keine Rolle gespielt. Hier war das Hauptthema die | |
Zuwanderung – als Sündenbockdebatte. Das Narrativ, dass MigrantInnen | |
systematisch bevorzugt werden, verfängt hier, weil viele Ostdeutsche sich | |
als BürgerInnen zweiter Klasse sehen. | |
taz: Warum? So schlecht geht es den Leuten im Osten nicht. | |
Salheiser: Das stimmt, aber demokratische PolitikerInnen scheuen sich, das | |
anzusprechen, weil niemand seine WählerInnen beschimpfen will. Und es ist | |
ja auch schwierig, den Leuten zu sagen: „Es geht euch vielleicht nicht so | |
gut, wie ihr erhofft habt. Aber es könnte euch noch viel schlechter gehen.“ | |
Was stimmt, ist: Die Erfolge der Politik der letzten 35 Jahre werden viel | |
zu wenig adressiert. Stattdessen malen die Ostdeutschen ihre Zukunft | |
düster: Strukturwandel, die Jungen ziehen weg, die Regionen werden leerer. | |
Wir wissen, dass da, wo die Zukunftsorientierung besonders negativ ist, die | |
Unzufriedenheit mit der Demokratie besonders groß ist. | |
taz: Aber auch andere Regionen in Deutschland stehen vor ungelösten | |
Zukunftsfragen. Warum ist der Osten noch empfänglicher für rechte | |
Narrative? | |
Salheiser: Wir untersuchen seit vielen Jahren die Einstellungen der | |
ThüringerInnen. Der wichtigste Faktor, der erklärt, warum Menschen die AfD | |
wählen, sind nationalistische und fremdenfeindliche Einstellungen. Das | |
heißt, dass Menschen, die rassistisch eingestellt sind, am ehesten die AfD | |
wählen. Das klingt banal, bleibt aber relevant. Nicht alle Menschen, die | |
unzufrieden sind mit der Demokratie wählen AfD. Aber alle, die die AfD | |
wählen, sind unzufrieden mit der Demokratie. Die AfD saugt die politische | |
Unzufriedenheit auf wie ein Schwamm. | |
taz: Die AfD hat in Thüringen und Sachsen [1][fast 40 Prozent errungen]. | |
Was bedeutet das? | |
Salheiser: Daraus ergibt sich ein großes Repräsentationsdefizit. Wenn fast | |
jeder zweite Thüringer die AfD gewählt hat, fragt man sich zu Recht, warum | |
diese politische Kraft von der Macht ferngehalten wird. Das können die | |
demokratischen Parteien nicht ausreichend erklären. Im Gegenteil: Die CDU | |
steht für eine Migrationspolitik, die sehr nah an dem ist, was die AfD | |
will. Wie soll sie dann überzeugend erklären, warum sie nicht mit der AfD | |
arbeitet? | |
taz: Die demokratischen Parteien haben viel probiert: Sie verweisen auf die | |
rechtsextremen Tendenzen, sie versuchen sie inhaltlich zu stellen. All das | |
scheint nichts zu nützen. Wie geht es besser? | |
Salheiser: Der Erfolg der Linkspartei zeigt ja im Kleinen, wie es gehen | |
kann: Kein Abarbeiten an der AfD, stattdessen das eigene Profil schärfen. | |
Es ist ein Fehler, die soziale Frage an die Herkunft von Menschen zu | |
knüpfen. Das Reden von der Einwanderung in unsere Sozialsysteme bleibt | |
falsch. Das führt dazu, dass Migration in Gänze als illegal geframt wird. | |
Die demokratischen Parteien müssen es schaffen, dieses Narrativ abzuräumen. | |
Es nutzt nur der AfD. | |
taz: Die Stärke der AfD ist kein rein deutsches, schon gar kein rein | |
ostdeutsches Phänomen. Rechtspopulisten triumphieren global. Schließt | |
Deutschland jetzt also zum generellen Zeitgeist auf? | |
Salheiser: Ja, aber der Vergleich zu den Rechtspopulisten in Italien, | |
Niederlanden und Frankreich hinkt. Ich will die dortigen rechten Parteien | |
nicht verharmlosen. Aber die AfD ist viel schärfer. Sie steht nicht nur | |
stramm rechts. Sie ist rechtsextrem und will den Systemwandel. | |
taz: Ist absehbar, dass die AfD aufhört zu wachsen? | |
Salheiser: Nein, davon ist überhaupt nicht zu sprechen, gerade im Osten. | |
Wir sehen eine lineare Entwicklung über die letzten Wahlen. Wenn wir diese | |
Linie verlängern, dann erringt die AfD bei den nächsten ostdeutschen | |
Landtagswahlen eine absolute Mehrheit. Das ist eine katastrophale | |
Entwicklung. Welche Schäden die demokratische Kultur nimmt, können wir im | |
Regionalen schon jetzt sehen. | |
Die AfD baut mit ihrer Präsenz in den Parlamenten ihre Strukturen aus und | |
stärkt ihre außerparlamentarischen Vorfeldorganisationen. Es führt zu mehr | |
Gewalt, zu mehr Polarisierung. Die Leidtragenden sind in erster Linie | |
Geflüchtete, Queere, linke und nicht-weiße Menschen auf dem Land. | |
24 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
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